Christina von Dreien zwischen Flachweltlern und Post-Corona-Bewegungen – Christinas von Dreien neues Buch «Der Ungehorsam der Liebe»

Zu ihrem 21. Geburtstag am 15. April 2022 hat die Schweizer Jung-Esoterikerin Christina Meier alias Christina von Dreien ihren Fans ein Geschenk gemacht: es erschien – wegen Speditionsschwierigkeiten in Tschechien ein paar Tage verspätet – das fünfte Buch der Christina-von-Dreien-Buchreihe unter dem Titel «Der Ungehorsam der Liebe. Was wir Positives aus der gegenwärtigen Weltsituation lernen können». Ediert wurde das Buch genau wie die bisherigen vier Bände vom Govinda-Verlag, vom Umfang her gleicht das Werk mit bloss 123 Seiten dem vierten Band der Buchreihe, der unter dem Titel «Am Ende wird alles gut» im Herbst 2020 als schmales Bändchen erschien und sich damit optisch von den deutlich umfangreicheren drei ersten Bänden absetzte.

Erwachte sprachliche Begabung?

Die ersten beiden Bände der Christina-von-Dreien-Buchreihe wurden von Christinas Mutter Bernadette verfasst, von welcher sich Christina aber im Jahr 2019 trennte, um seither mit ihrer Managerin Nicola Good zusammenzuarbeiten (und dem Vernehmen nach auch zusammenzuwohnen). Der dritte und vierte Band der Buchreihe bestanden vorwiegend aus Mitschriften von Tagesseminaren, zusammengestellt von Christinas Verleger, dem Govinda-Gründer Ronald Zürrer, und zeigten den typischen dialektal geprägten, einfach strukturierten und volkstümlichen Sprachstil Christinas von Dreien. Der fünfte Band enthält nun neben Ausschnitten von Christinas von Dreien «Love Stream» genannten Webinaren auch Aufsätze, die spezifisch für die Publikation verfasst wurden und eine deutlich gehobenere und literarischere Diktion aufweisen. Hat Christina von Dreien inzwischen eine Begabung in der Beherrschung der deutschen Sprache entwickelt, die sich bisher nicht gezeigt hat? Oder ist die gewandtere Ausdrucksweise eher auf Nicola Good zurückzuführen, die im Band unter «Korrektorat» erwähnt wird?

Eine Frage des Weltbildes

Das Titelbild des Bandes führt mitten in eines der Themen, die im Band neu auftauchen: die Debatte ums richtige Weltbild. Das Cover zeigt auf dunkelblauem Hintergrund eine herzförmige Erde, von der pastellfarbige Strahlen ausgehen. Ein rosafarbener Strahl entspringt offensichtlich dem Alpenraum, damit möglicherweise Christina von Dreien selbst meinend. Die herzförmige Erde vereinigt zwei wesentliche Themen im Werk: Die Liebe, welche Christina von Dreien als stärkste Kraft im Universum sieht, und die Frage des richtigen Weltbildes. Christina von Dreien ist Hohlweltlerin, sie vertritt seit Jahren die ursprünglich auf den britischen Astronomen Edmund Halley (1656-1742) zurückgehende, im 19. Jahrhundert von der Theosophie aufgegriffene Theorie, dass die Erde im Innern hohl sei, und dass auf der Innenseite dieser Hohlkugel Ozeane und Kontinente liegen würden, die von einer kleinen Zentralsonne im Erdmittelpunkt beleuchtet seien. In diesen Hohlraum hätten sich, so die Theorie, an der Erdoberfläche untergegangene Kulturen und ausgestorbene Tiere, aber auch Ausserirdische zurückgezogen. Die Existenz dieser Innenwelt würde von Politik, Wissenschaft und Medien systematisch verheimlicht, was die Hohlwelt-These zur Verschwörungstheorie macht.

Christina von Dreien als Verschwörungstheoretikerin

Christina von Dreien greift seit Jahren diverse im Internet gängige Verschwörungstheorien auf und entwickelt sie teilweise weiter. Im neusten Buch räumt Christina von Dreien dies ein und meint: «Darum stört es mich nicht, wenn ich als «Verschwörungstheoretikerin» bezeichnet werde. Ich würde lediglich ergänzen, dass die unlichte Verschwörung leider keine Theorie ist, sondern eine bittere Wahrheit.» (s. 56f.) Doch nicht jede Verschwörungstheorie wurde von Christina von Dreien akzeptiert, so distanzierte sie sich in der Vergangenheit ausdrücklich davon, in einer irdischen Person einen Erlöser zu sehen, wie das die QAnon-Fans mit Donald Trump und andere Verschwörungsgläubige mit Wladimir Putin tun. Nicht eingetreten ist Christina von Dreien auch auf die zurzeit vermutlich am stärksten wachsende Konspirationsthese, die Flachwelt-Theorie.

Hohlweltler vs. Flachweltler

Flachweltlerinnen und Flachweltler glauben, dass unsere Erde eine Scheibe ist, mit dem Nordpol im Mittelpunkt und der Antarktis als Eiswand um die Scheibe herum. Sonne, Mond und Sterne sind vergleichsweise kleine Lichter am käseglockenartig gedachten Himmelszelt. Gravitation existiert ebensowenig wie Evolution, die Naturwissenschaften sind Fake und Teil eines grossen Betruges. In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche Verschwörungsfans der Flachwelt-Theorie geöffnet, so sind etliche ehemalige Hohlwelt-Gläubige zur flachen Erde konvertiert. Christina von Dreien ist diesen Schritt bisher nicht gegangen, er würde eine erhebliche Umstellung ihres Weltbildes voraussetzen, so würden Christinas Ausführungen über Kulturen im Innern der Erdkugel ebenso hinfällig wie die Erzählungen von Ausserirdischen, die von anderen Planeten stammen sollen. Für die Tatsache, dass Christina nach wie vor die in Sicht der Flachwelt-Gläubigen «dreckige Lüge von der Kugelerde» verbreitet, erfährt sie unter Verschwörungsfans zunehmend Kritik.

Flachwelt-Fans als Hemmschuh für die heile Welt?

Die unter Verschwörungsfans zwischen Hohlwelt- und Flachwelt-Gläubigen tobende Debatte ums rechte Weltbild hat nach Christina von Dreien gar eine heilsgeschichtliche Komponente. Schon länger vertritt Christina von Dreien die Ansicht, dass eine ausreichend grosse Zahl von Lichtarbeitenden, von «Erwachten», dazu führen würde, dass die übelwollenden Ausserirdischen, welche unsere Welt in ihren Klauen halten, abziehen müssten. Nun wäre dieses Quorum offenbar erreicht: «Nach meiner Einschätzung wäre die Anzahl der Menschen, die bereits aufgewacht sind, theoretisch mittlerweile ausreichend gross, damit sich die Zustände auf der Erde grundlegend verbessern könnten. Das Problem besteht derzeit jedoch darin, dass wir noch nicht alle in die gleiche Richtung ziehen, dass wir noch keine Einheit, sondern untereinander gespalten sind. Auch unter Menschen, die sich als erwacht bezeichnen würden, kommt es nach wie vor immer wieder zu Uneinigkeiten, Streitigkeiten und Konkurrenzkämpfen, und dies Konflikte bewirken, dass sie ihre Energien nicht in die gleiche Richtung bündeln. … Zum Beispiel gibt es Leute, die der Meinung sind, die Erde sei eine runde Kugel, während andere die Meinung vertreten, die Erde sei eine flache Scheibe oder ein Würfel oder sonst irgend etwas.» (s. 20)

«Kompatibles» Weltbild als Voraussetzung

In Details mag es, so Christina von Dreien, unter Lichtarbeitenden Dissens ertragen, nicht aber in der Frage des Weltbilds: «Selbstverständlich braucht es für eine grossangelegte gemeinsame Bemühung mit anderen Menschen gewisse grundlegende Übereinstimmungen. Das Weltbild etwa sollte kompatibel sein oder das zentrale Augenmerk auf die Liebe und den Frieden.» (s. 21)

Flachweltler als Agenten des «Unlichts»?

Wer der Etablierung der «Heilen Welt», die Christina von Dreien erwartet, dem «Aufstieg in die fünfte Dimension» entgegenwirkt, dient, so Christinas von Dreien dualistische Logik, nicht dem Licht, sondern dem «Unlicht»: «Solange die vielen Menschen, die weltweit schon ein Stück weit aufgewacht sind, untereinander zerstritten und gespalten bleiben und keine Einheit bilden, haben sie nicht ausreichend Kraft, um wirklich Grosses zu bewegen. Von der Anzahl her mögen wir mittlerweile genügend sein, aber noch nicht von der Geschlossenheit her. Das Problem ist nicht mehr, dass wir zu wenige sind, sondern dass wir uneins sind. Diese Spaltung unter den Lichtarbeitern ist vom herrschenden System durchaus gewollt und wird auch fleissig geschürt.» (s. 21)

Flachwelt-Bewegung als Ausrede?

Die lesende Person fragt sich, ob Christina von Dreien die Flachwelt-Bewegung argumentatorisch nicht auch gelegen kommt. Seit Jahren verbreitet sie Hoffnungen auf die baldige Etablierung der «Heilen Welt», auf den Aufstieg in die fünfte Dimension. Seit Jahren fordert sie ihre Fans dazu auf, für dieses Ziel zu meditieren, positiv zu denken und Treffen mit Gleichgesinnten zu veranstalten. Die Bilanz ist bisher mager, was zu Abgängen unter Christina-Fans geführt hat. Dass Christina nun einen Grund angeben kann, weshalb sich die von ihr befeuerten Erwartungen noch nicht erfüllt haben, könnte für sie auch ganz nützlich sein.

Heile Welt «ziemlich sicher» vor 2030

Trotz anhaltender Debatten ums rechte Weltbild hält Christina von Dreien daran fest, dass die Tage der übelwollenden weltbeherrschenden Ausserirdischen gezählt sind. In ihrem neusten Buch wagt sie sogar eine Prognose mit Jahreszahl, allerdings auch mit Einschränkung: Entscheidend «ist, wie gut es den aufgewachten Lichtarbeitern gelingen wird, ihre Meinungsverschiedenheiten hinter sich zu lassen, sich konstruktiv zu verbinden und eine geschlossene Einheit zu bilden. Diese Geschlossenheit der Lichtarbeiter ist ein sehr wirkungsvoller Weg, um die kollektive Schwingung der Menschheit zu erhöhen und das System des Unlichts zum Kippen zu bringen. Wann genau dieses Kippen passieren wird, weiss ich wie gesagt nicht. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass die unlichten Kräfte bis zum Jahr 2030 nicht mehr hier sein werden.» (s. 83)

Erneute Panikmache

Bis dahin erwartet Christina von Dreien aber schwierige Zeiten: «So, wie es aktuell aussieht, könnte es tatsächlich erst einmal nochmals schlimmer werden» (s. 80f.), und sie windet sich zwischen ihren Unheilserwartungen und dem fürs Positive Denken geltenden Verbot, mit Negativem zu rechnen: «Aus diesem Grund kann es nicht schaden, wenn wir uns auf eventuelle Stromausfälle oder Versorgungsengpässe vorbereiten und einige Notvorräte anlegen» (s. 81) «Wir können es ohne Angst einfach deswegen tun, weil es weitsichtig und klug ist und weil die gegenwärtige Weltsituation so aussieht, dass tatsächlich gewisse Gefahren drohen.» (s. 82) «Falls es am Ende dann doch nicht so schlimm kommt wie vermutet, umso besser. Dann können wir unsere nicht gebrauchten Notvorräte einfach verschenken.» (s. 83) Wer jeweils wortwörtlich umsetzt, was Christina von Dreien rät, hat im Verschenken ungebrauchter Notvorräte bereits Erfahrung, da Christina ihre Fans schon im Sommer 2020 zur vorsorglichen Lagerung von Lebensmitteln anhielt.

Wilde Warnungen vor der Covid-Impfung

Panik verbreitet Christina von Dreien in ihrem neusten Buch auch zum Thema der Covid-Impfung. Sie greift einige der umlaufenden Verschwörungstheorien zu diesem Thema auf, entscheidet sich aber nicht für eine, sondern vertritt mehrere gleichzeitig: «Meiner Meinung nach bezwecken die weltweiten Massenimpfungen unter anderem, die Menschen von ihrer Intuitionskraft und von ihrer Seele abzutrennen. Diese Substanzen können auch eine Veränderung der DNA bewirken. Es wäre übrigens nicht das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass solche Veränderungen vorgenommen wurden: es geschah beispielsweise auch schon damals in Atlantis. Die Substanzen, die den Menschen injiziert werden, haben eine unterschiedlich schädliche Wirkung, denn nicht alle Impfchargen enthalten dieselben Substanzen. Alles in allem ist es ein grossangelegter Feldversuch. Aus meiner Sicht sollte man daher, wenn irgend möglich, Impfungen vermeiden.» (s. 116) Stringenter wirkt Christinas Sichtweise durch diesen Blumenstrauss an Verschwörungserzählungen nicht, vielmehr entsteht der Eindruck, dass Christinas übelwollende Weltherrscher nicht nur «unlicht», sondern auch etwas unterbelichtet sind, insofern sie nicht genau wissen, was sie eigentlich wollen.

Aufbau einer Parallel-Gesellschaft

Sehr explizit fordert Christina von Dreien in ihrem neusten Buch die Lichtarbeitenden dazu auf, sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschliessen und am Aufbau einer besseren Gesellschaft mitzuarbeiten, welche das «aktuelle System» ablösen soll: «Je mehr wir das System durchschauen, desto mehr Kraft gewinnen wir, um dieses System abzulösen. Dies beginnt damit, dass wir parallel zum noch herrschenden System eine neue Gesellschaft des Positiven aufbauen. Das aktuelle System kann nicht repariert oder zum Guten gewendet werden.» (s. 59f.)

Der Ungehorsam der Liebe: Vegetarismus, Kirchenaustritt, Abbestellung von Abonnementen

Weil sie nicht reformierbar und deshalb zum Untergang verdammt ist, gilt der bestehenden Gesellschaft gegenüber der «Ungehorsam der Liebe», welchen Christina von Dreien in den Titel ihres Buches gesetzt hat. Wie dieser konkret aussehen kann, beschreibt sie so: «Es kann sich auf allen Ebenen zeigen. Zum einen kann man auf der physischen Ebene ungehorsam sein, indem man beispielsweise aufhört, Fleisch zu essen, weil man nicht unterstützen möchte, dass Tiere grausam behandelt und umgebracht werden. Oder man tritt aus der Kirche aus, weil man festgestellt hat, dass die Ansichten und Handlungen der Kirche nicht mit den eigenen Überzeugungen vereinbar sind. Oder man kündigt die Abonnements von Zeitungen und so weiter, weil man entschieden hat, dass man sich ihrer manipulativen Berichterstattung nicht mehr länger aussetzen möchte.» (s. 47)

Christina von Dreien als Förderin der Post-Corona-Bewegungen

Die Lichtarbeitenden sollten sich, so Christina von Dreien, «mit gleichgesinnten Menschen zusammentun und unsere vereinten Kräfte darauf konzentrieren, schon jetzt gemeinsam eine Art positive Parallelgesellschaft aufzubauen. Es gibt so viele Menschen, die gute Ideen und gute Projekte für neue Formen der Politik, der Wissenschaft, der Medizin, der Landwirtschaft, der Bildung, der Kunst und so weiter haben – sogar mitten in den aktuellen Strukturen des Unlichts. In allen Lebensbereichen haben sich bereits gute Menschen platziert, die daran arbeiten, eine schönere und friedlichere Welt möglich zu machen. So gesehen hat das Licht das herrschende System längst schon unterwandert. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis all diese Lichtarbeiter aufstehen werden und bis all diese vielen positiven Projekte sich nachhaltig durchsetzen werden.» (s. 58f.) Mit ihrer Aufforderung zur Etablierung einer Parallelgesellschaft unterstützt Christina von Dreien die Anliegen der Post-Corona-Bewegungen, ja, ihre Ausführungen lesen sich geradezu wie ein Aufruf, sich bei Urig oder Graswurzle zu engagieren: «Wenn wir in Zukunft in einer schöneren und heileren Welt leben wollen, wenn wir ein Stückchen näher an das Paradies kommen wollen, nach dem wir uns alle sehnen, dann müssen wir selber anpacken. … Ein essenzieller Schritt dabei besteht darin, dass wir uns vernetzen mit Menschen, die ebenso denken wie wir und die sich ebenfalls für das Positive, Liebevolle und Lichtvolle einsetzen möchten. Dieses Vernetzen der Lichtkräfte wird der Schlüssel für den globalen Wandel sein.» (s. 19, Hervorhebung im Original). Wird diese Empfehlung der Post-Corona-Bewegungen deren ohnehin starkes Wachstum noch beschleunigen? Denkbar ist dies angesichts der Zahl von über 22’000 Abonnierten in Christinas von Dreien Telegram-Kanal durchaus.

Georg O. Schmid, 2. Juni 2022