Besuch bei der Impact City Church International (ICCI)

„You’re a seeker. I hope you find the truth. I pray for you.”

Fast genau 5 Jahre ist es her, seit ich die Migrationskirche ICCI besucht habe und mir diese Worte entgegengebracht wurden. In all dieser Zeit wurde ich sie nicht los. Bis heute ist mir nicht ganz klar, was die Pastora damit meinte. Ob ich der Wahrheit seither ein Stück nähergekommen bin, bleibt mir ebenso ein Rätsel. Vielleicht werde ich bei meinem Folgebesuch schlauer.

Zusammenkunft

Ich habe die Kirche insgesamt drei Mal besucht, zwei Mal im April 2018 und anfangs Mai in diesem Jahr erstattete ich der Pfingstkirche ICCI[1] einen Folgebesuch im Rahmen von Relinfo. Als ich ICCI vor 5 Jahren für einen Methodenkurs der Uni besucht habe, war ich zum ersten Mal in einer Kirche, in welcher die Mitglieder so lebhaft und voller Einsatz dabei waren. Da ich in letzter Zeit mit dem Gedanken gespielt habe dem Pastorenehepaar und der Kirche wieder einen Besuch abzustatten, ist es naheliegend, diesen Besuch mit einem Bericht für Relinfo zu verbinden.

In diesem Folgebesuch werde ich von der Pastora sofort wiedererkannt, ihr Ehemann – der Pastor – braucht ein bisschen mehr Zeit, um mein Gesicht einzuordnen. Da vor dem Gottesdienst jedoch noch viel zu tun ist und die Pastoren von vielen Mitgliedern beansprucht werden, wird es vorerst eine kurze Zusammenkunft. Ich werde jedoch als first timer eingestuft und habe die Ehre mich nach der Begrüssung aller Anwesenden vorzustellen. Trotz meiner kurzen Überforderung bringe ich dies mit einer nervösen und gebrochenen Stimme gut fertig.

Die fehlende Zeit zu Anfang des Gottesdienstes wird beim wöchentlichen Nachtessen der ICCI nach dem Gottesdienst dafür umso mehr kompensiert. Nach dem Gottesdienst wird uns new comers gesagt, dass ICCI uns gerne beim gemeinsamen Abendmahl kennenlernen wolle, woraufhin wir sofort als erstes Essen schnappen dürfen. Bei Spagetti und Älplermagronen erzähle ich der Pastora von Relinfo und erkläre ihr, dass ich einen Bericht über diesen Besuch schreiben werden. Worauf sie antwortet: „Ah, are you still doing that?“ – „Ah, machst du das immer noch?“

Disco und Kirche

Im Interview, das ich vor 5 Jahren mit dem Pastorenehepaar aus den Philippinen geführt habe, schilderte mir der Pastor, wie er auf der Suche nach der Disco zum Glauben gefunden hatte. Der Pastor erzählte, dass er als 16-jähriger, wie ein typischer Teenager, mit vielen Freunden den Weg in die Disco suchte. Die Disco war der Ort, wo alle waren und wo alles geschah. Menschen tanzten, sangen und waren beglückt. Doch als sie eines Tages auf dem Weg zur Disco eine Kirche passierten, stellte er fest, dass die Menschen dort beglückter waren. Sie tanzten leidenschaftlich und sangen lauthals. Daraufhin überredete er seine Freunde: „Hier müssen wir hineingehen!“

Diese Energie ist heute auch in der ICCI sehr spürbar. Der Gottesdienst strotzt vor Enthusiasmus der Mitglieder und der Pastoren. Zum Teil habe ich auch wegen lauten Einwürfen der Mitglieder Teile der Predigt, der Gebete und der Verehrung nicht ganz verstanden. Der ganze Gottesdienst lebt von Ausrufungen wie „Amen!“, „Yes, Lord!“, „Praise him!“ etc. Zusätzlich fördern die Pastoren die Begeisterung, indem sie die Teilnehmenden zur Bestätigung aufrufen. So rufen sie oft: „Am I right?“ Worauf die Mitglieder „Yes!“ oder „Amen!“ brüllen. Falls diese Bestätigung zu leise oder zu verhalten ist, forderen sie alle nochmal auf, bis die Euphorie fast greifbar ist.

Das Horn von Jericho

Der Worship der Kirche hat in diesen 5 Jahren nicht an Intensität und Energie eingebüsst. Neben den oben genannten Ausrufungen, welche auch während des Worship nicht abnehmen, lassen sich die Mitglieder gerne von der Musik leiten und tanzen oder strecken ihre Arme aus. Es gibt jedoch auch einige, die es bevorzugen, eher still zu sein.

…Und dann gibt es noch Alfred*.

Als ich letzten Sonntag meinen Folgebesuch abstatte, fällt mir gleich zu Beginn des Gottesdienstes ein Mann auf, der eine Art Geweih mit sich trägt. Es ist lang und grau. Mir ist sofort klar, dass es sich um ein Horn handelt. Was es jedoch in der Kirche zu suchen hat, ist mir schleierhaft. Die Auflösung lässt jedoch nicht lange auf sich warten. Wir beginnen mit einem Worship-Lied den Gottesdienst und beim Refrain ertönt plötzlich dröhnend das Horn. Es kommt mehrere Male zum Einsatz. Dies, so scheint es mir, jedes Mal, wenn der Worship besonders euphorisch war.

Nach dem Gottesdienst kann ich natürlich nicht anders, als den Mann darauf anzusprechen. Dieser Mann, Alfred, erläutert mir, dass das Horn im Alten Testament wichtige Aufgaben gehabt hätte. Eine davon sei die jährliche Ankündigung des neuen Jahres gewesen. Im Gottesdienst darf er das Horn unter Vereinbarung mit dem Pastor auch spielen, was er gerne tut, wenn er vom Worship besonders spirituell bewegt wird. Trotz Androhungen der Einwohner lässt er das Horn auch zu verschiedensten Feiertagen gerne ertönen und läuft dabei durch die Stadt Olten. Er erzählt mir von einer Begegnung mit der Polizei, in der sie von ihm wissen wollten, weshalb er diesen Lärm veranstalte, woraufhin er die Bibel hervornahm, um ihnen die Stelle zu zeigen, wo diese Praxis geschrieben stand. Die Polizei sei daraufhin geflüchtet.

Transformation

Nicht nur die persönliche Art zu Glauben und Verehren wird gefördert, die Kirche lebt auch von persönlichen Geschichten. Die beliebtesten dabei sind solche über Transformationen.

Als ich die Kirche das erste Mal besuchte standen Erfahrungen von Mitgliedern, welche eine schwere Zeit durchmachten und durch den Glauben zu Gott auf den richtigen Weg kamen, im Zentrum. Diese Erzählungen oder testimonies, wie sie in der ICCI genannt werden, bildeten einen beträchtlichen Teil des Gottesdienstes. Nicht weniger als 7 testimonies wurden an diesem Gottesdienst gehalten. Eine Teilnehmerin, welche aus Uganda in die Schweiz migriert war, erzählte von ihrer Mutter, welche mit Hexerei zu tun hatte. Sie erzählte zudem, wie Alkohol einen grossen Einfluss auf ihr Leben hatte und dass sie durch Gott und den Heiligen Geist den Weg fort vom Teufel in die Freiheit und in ein gutes Leben schaffte.

Spirituelle Eltern

Auch die Pastora hat eine bewegte Transformation erlebt, welche sie bei meinem Folgebesuch in ihrer Predigt erwähnt. Diese Geschichte ist mir nicht neu. Die Pastora hat sich mir gegenüber auch im Interview vor 5 Jahren geöffnet. Dennoch bin ich erstaunt, als sie die Geschichte letzten Sonntag nochmas im Gottesdienst erzählt. Dass die Pastora offen ihre Verletzlichkeit im Gottesdienst zeigt, überrascht mich. Doch es macht Sinn, weil das Pastorenehepaar vermitteln will, dass wir alle fehlerhafte Menschen seien, welche durch den Heiligen Geist transformiert werden können. Auf diese Weise werden die Predigten und Erzählungen der Pastoren auch für die Teilnehmer*innen gut nachempfindbar.

Die Pastora erzählt von ihrer Kindheit in den Philippinen mit ihrem absent father und ihrer drogensüchtigen teen-mom. Sie berichtet von den Schwierigkeiten, welche sie dadurch gehabt hat und wie sie eines Tages einer Person begegnet ist, über welche sie zu Gott und Jesus gefunden hat. Diese Person wurde zu ihrem spiritual father. Er zeigte viel Geduld und Vergebung, bis ihr Glaube genug stark war und sie heilen konnte. Nach dieser Erfahrung sei sie nun an der Reihe für die Mitglieder dieser Kirche eine spiritual mother zu sein und sie fordert uns Teilnehmer*innen dazu auf, selbst zu versuchen, spiritual parents zu sein und Menschen zu transformieren. Menschen, die gebrochen sind, können geheilt werden. Und Menschen, die verloren sind, können gefunden werden.

Go and make disciples

In Matthäus 28,19 wird zur Missionierung aufgefordert. ICCI nimmt dies als eine der wichtigsten Aufgaben wahr. Ich verspürte das bei meinen ersten Besuchen und auch jetzt bei meinem Folgebesuch. Abgesehen davon, dass das Pastorenehepaar ausdrücklich zur Missionierung aufruft – wie auch die Aufforderung, spiritual parents zu werden, aufzeigt – ist die Teilnahme von verschiedensten Mitgliedern der Kirche ein Indiz für deren starke Missionierung. Vor 5 Jahren fanden sich Besucher aus Deutschland, Spanien, Uganda, Ghana, Monte Carlo, Brasilien und vor allem aus den Philippinen in der Kirche ein. Aus der Schweiz reisten Personen speziell für den Gottesdienst aus Graubünden, Schwyz, Rapperswil und Basel nach Olten.

Bei meinem Folgebesuch fällt mir als erstes auf, dass kaum mehr afrikanische Teilnehmer*innen im Gottesdienst sind. Dies rührt wahrscheinlich daher, dass sich im selben Gebäude die Migrationskirche „La Main de l’Éternel“, welche sich an Interessenten aus Afrika wendet, befindet[2]. Obwohl Personen aus dem afrikanischen Kontinent eine weniger stark ausgeprägte Präsenz zeigen als noch vor 5 Jahren, gibt es vermehrt Personen aus Asien. Filipinos und Filipinas sind noch immer in der Mehrzahl, doch nun finden sich auch einzelne Personen aus China, Thailand und Indonesien im Gottesdienst wieder.

Die eindrücklichste Folge dieser Missionierung offenbarte sich mir, als die Pastora mir erklärte, dass sich von Zeit zu Zeit auch Randständige, wie Obdachlose oder drogenabhängige Personen, im Gottesdienst einfänden. Obwohl diese Begegnungen meistens von kurzzeitiger Natur seien, gäben sich die Pastora und der Pastor Mühe, auch für sie spiritual parents zu sein.

Spiritual Impact

Eine weitere Frucht der Missionierung wird mir gleich zu Anfang des Gottesdienstes anvertraut. Die Pastora eröffnet mir, dass sie in Zürich und in Lausanne eine Filipino Kirche gegründet haben, wo auch Gottesdienste auf Tagalog angeboten werden. „The Great Awakening Church“[3], wie die Kirche genannt wird, sei noch in den Anfängen, aber verspreche grosses.

Wie die testimonies von Transformationen schon implizieren, möchte die Kirche spirituelle Auswirkungen haben. Dazu gibt es in der Predigt meines Folgebesuches auch noch eine Botschaft: to make a major spiritual impact receive the word and act on it“ – um eine grosse spirituelle Auswirkung zu haben solle man das Wort (Gottes) empfangen und damit handeln. Man solle sich vom Heiligen Geist leiten lassen, um einen spirituellen Einfluss auf das Umfeld zu haben.

Eine weitere Erfahrung, die ich in dieser Kirche machen durfte – dies war auch vor 5 Jahren- war die Auswirkung, welche das Beten für eine Person auf sie haben kann. Die Pastoren forderten die Mitglieder auf, nach vorne zum Altar zu kommen, wenn sie das Bedürfnis verspürten, dass mit ihnen gebetet werden sollte. In diesen 15 Minuten wurde ich Zeugin von Folgendem: Die Pastoren und Mitleiter*innen stellten sich vorne auf, woraufhin sich je ein Fürbitter oder eine Fürbitterin zu ihnen gesellte und ihnen von ihren Wünschen und Problemen berichtete. Daraufhin beteten die Pastoren oder Mitleiter*innen für sie. Auf diese Handlung hin begannen viele der Fürbitte zu weinen an. Was ich hier beobachten konnte, könnte man als spirituelle Auswirkung des Betens für eine Person sehen. Ob der Heilige Geist hier gewirkt hatte oder ob es andere Gründe für die Tränen gab, ist eine Sache der Perspektive.

Auch ich habe nach diesen Besuchen versucht herauszufinden, ob es einen spiritual impact auf mich gibt Ich empfinde die Kirche und das Pastorenehepaar als sehr positiv und erkenne die Wertschätzung ihrer Mitglieder. Doch das grösste Rätsel oder vielleicht den spiritual impact, den sie auf mich haben, bleibt die Frage nach der Wahrheit. Was ist diese Wahrheit? In der Bibelstunde erwähnte die Pastora, dass viele die Wahrheit suchen, was darauf hindeute, dass es eine Wahrheit gäbe.

Die Frage nach der Wahrheit

Mit der Betonung auf EINE Wahrheit, könnte man hiervon ausgehen, dass die Pastora von einem absoluten Wahrheitsverständnis ausgeht.  In diesem Kontext wären die ICCI-Predigten über den Heiligen Geist, Gott und Jesus unerschütterliche Lehren. Man solle den Heiligen Geist willkommen heissen und Ihn durch uns wirken lassen. Um diese Lehren treu zu folgen, bedarf es auch an einem ebenso unerschütterlichen Glauben. Das Hinterfragen dieser Lehren und dieser Absolutheit würde so unweigerlich zu einer Haltung führen, in der das verlangte Aufnehmen des Heiligen Geistes gehemmt ist. Dies würde erklären, wieso sie die zu Anfang des Berichts genannte Aussage gemacht hat.

„You’re a seeker. I hope you find the truth. I pray for you.”

Durch den Kontext des absoluten Wahrheitsverständnisses der ICCI bekomme ich eine mögliche Begründung für diese Aussage, dass ich eine Suchende bin und dass sie hoffen, ich möge die Wahrheit finden. Indem ich sie zur Kirche und zu ihrem Glauben interviewte, habe ich offensichtlich ihre Wahrheit hinterfragt und versucht, sie logisch nachzuvollziehen. Dadurch wurde ich sozusagen zu einem „seeker“, der nach der Wahrheit sucht. Da sich dieses Hinterfragen aber für jemanden, der die Wahrheit gefunden hat, ihrer Ansicht nach wahrscheinlich erübrigt, vermittelte sie mir, dass sie hoffe und bete, ich würde die Wahrheit finden – also die absolute Wahrheit der ICCI über den Heiligen Geist, Gott und Jesus.

Alysejah Huber, 17.05.2023

Quellen:

[1] https://icciswitzerland.com/

* Name wurde geändert

[2] Graf, Thomas. 2010. “Rund 15 Migrationskirchen in Olten.“ In Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Olten – Kirchen-Info (34/10). (https://www.ref-olten.ch/dok/352

[3] https://www.facebook.com/people/Great-Awakening-Church-GAC-Lausanne/100071229018535/

Lexikoneintrag ICCI