Das liebestrunkene Paradies auf Erden – 25 Tage Onlinekurs mit Christina von Dreien

Vom 01. bis zum 30. Januar 2023 fand der vom Begegnungszentrum «Die Quelle» realisierte Onlinekurs «Erinnerung ans Paradies» mit Christina von Dreien statt. Für 146.62 CHF konnte man sich den gesamten Monat lang durch insgesamt 25 Module durchklicken sowie am Ende des Kurses zusätzlich an einem einstündigen Live-Stream teilnehmen, bei welchem Christina Fragen von Zuschauer:innen beantwortete. Eine dieser Zuschauerinnen war ich.

An ihrem Aussehen und Auftreten hat sich, verglichen zu meiner Teilnahme am «Love Stream 8» vor zwei Jahren, kaum etwas verändert: Man begegnet einer scheu wirkenden Frau, die immer wieder nach den richtigen Worten sucht und peinlich berührt lacht, wenn ihr eine Aussage nicht gelingt. Für viele der Zuschauer:innen und Anhänger:innen mag ebendiese befangene, kindliche Erscheinung ansprechend sein, in mir löste sie eher Befremdung aus. Ob dies von ihr bewusst inszeniert wird, um sich als eine Art ewig jugendliche «Botschafterin» zu verkaufen, oder ob es sich dabei tatsächlich um ihre natürliche Ausdrucksweise handelt, bleibt weiterhin unklar.

Die Quelle – The Source AG

Ohne Kontext keine Bedeutung – worum handelt es sich bei «Die Quelle»? Nachdem Patric Pedrazzoli von verschiedenen spirituellen Lehrern und Heilern aus unterschiedlichen Ländern «eine breite Ausbildung erfahren durfte», gründete er am 06. Mai 2006 in Bern zusammen mit seinem Vater, Hansjörg Weyermann, sowie einem weiteren Freund das Seminarzentrum «Die Quelle». Dieses fungiert heute als Sammelbecken für spirituelle Anlässe jeglicher Art – über 3.000 Seminare, Vorträge, Ausbildungen und Konzerte soll das Zentrum allein in den letzten Jahren organisiert und durchgeführt haben.[1]

Was die dahinterstehende Vision des Seminarzentrums betrifft, so erklärt Pedrazzoli in einem kurzen YouTube-Video, dass «Die Quelle»

[e]in Zentrum [sein soll], [welches] viele Menschen dazu einlädt, die auf der Suche sind, nach dem Sinn des Lebens, nach `wer bin ich wirklich`, oder haben körperliche Probleme, geistige Themen, die sie beschäftigen, Philosophie und noch vieles, vieles mehr.

Die Vision der Quelle ist für mich so, dass wir viele Referenten und Referentinnen einladen, das ist für mich wie ein riesengrosses Orchester. Und wir holen viele Menschen daher, die an und für sich Profis sind auf ihrem Instrument, ihre Leidenschaft durch dieses Instrument zeigen können und es auch lernen, weitergeben. Dass viele Menschen hierher in die Quelle kommen können und verschiedene Instrumente spielen dürfen und herausfinden, `welches ist meines`, oder `welche zwei oder drei sind meines`.[2]

Die von Pedrazzoli angesprochenen Referent:innen sind mitunter dafür verantwortlich, dass der Plattform ein Ruf vorauseilt: Man könne sie als einen Querschnitt der esoterischen und verschwörungstheoretischen Szene der Schweiz bezeichnen. Beispielsweise findet am 27. und 28. Mai diesen Jahres der Kongress «Vision des Guten und das Manifest der Neuen Erde» statt, in dessen Rahmen nebst Christina von Dreien und ihrer Managerin Nicola Good auch Personen wie Daniele Ganser oder Ricardo Leppe auftreten sollen[3]. In linken Kreisen regte sich Protest, dass im traditionsreichen Zürcher Volkshaus ein solcher Kongress stattfinden soll. Unter dem Titel «Reclaim Volkshaus» läuft eine Petition, die zur Absage der Veranstaltung aufruft. Die 4000 angestrebten Unterschriften wurden fast erreicht.[4] Die Veranstalter reagierten auf den gesellschaftlichen Druck und luden eine der problematischsten Figuren der Veranstaltung aus: Ricardo Leppe.[5]

Dieser steht dem Verein «Wissen schafft Freiheit» als Präsident vor. Bereitgestellt werden dort alternativ-komplementäre Lernmethoden und -angebote. Dabei zeichnen sich Leppes Lerninhalte im Spezifischen und der Verein im Allgemeinen durch eine fehlende wissenschaftliche Grundlage, eine Hinwendung zu Verschwörungstheorien sowie zur Schetinin-Pädagogik und einer Ablehnung evidenzbasierter Medizin aus.[6] Auch andere Gäste, die bisher wie geplant auftreten sollen, wird die Verbreitung von Verschwörungstheorien nachgesagt. Dazu gehört Daniele Ganser, der insbesondere aufgrund seiner öffentlichen Anzweiflung der offiziellen Version der Terroranschlägen vom 11. September 2011 kritisiert wird. Eine solch verschwörungstheoretische Tendenz lässt sich ebenfalls in seinen Büchern finden, so zum Beispiel, wenn er die USA beschuldigt, hinter dem Putsch in der Ukraine zu stecken oder wenn er hinter dem Anschlag auf Charlie Hebdo einen Legitimationsversuch für einen Krieg gegen muslimische Länder sieht.[7]

Im virtuellen Vorlesungssaal

Christina von Dreien wird auch als Referentin bei «Die Quelle» auftreten, um eine Utopie einer friedvollen, fast schon liebestrunkenen Welt vorzustellen, die sich die Referenten wünschen. Hinter dem «Manifest der neuen Erde», welches das Überthema des Kongresses darstellt, steckt allerdings nicht nur Liebe, sondern ein Plan für eine Parallelgesellschaft. Es überrascht nicht, dass einige der Referent:innen wichtige Positionen in der Staatsform der «neuen Zeit» einnehmen sollen.

In ihrem 25 Tage langen Onlinekurs macht sie die Vision einer neuen Welt gar zu einem der Kernthemen und erklärt bereits in einem kurzen Video auf der Anmeldungsseite:

Wenn wir Menschen wieder mit unserer Liebe in Kontakt kommen, dann erschaffen wir automatisch ein Paradies auf der Erde. Und wenn Menschen eine heile Welt möchten und diesen Wunsch haben, dann kann das nur daherkommen, dass wir das schon mal erlebt haben, dass wir diese Information in unseren Zellen drin haben.

[…] die Erde selbst, die kann sich auch noch an dieses Paradies erinnern, weil sie will ja so oder so aufsteigen. Und die Frage ist einfach, welche Menschen möchten das auch. Wir sind ja multidimensional und Menschen, wenn sie die ganze DNA wieder aktiviert haben, so, wie das Mal am Anfang gewesen war, dann können sie ja eigentlich dieses reine, göttliche Bewusstsein haben. Menschen sind ja eigentlich Menschenengel. Ich bin ja hier inkarniert, weil ich ja mehr Bewusstsein hier hinbringen möchte und viele andere Menschen, die sind ja auch aus diesem Grund hier. Darum ist ja auch jeder einzelne Mensch so wichtig.

Was den Aufbau des Kurses betrifft, so erhielt man nach erfolgter Bezahlung einen Link mit Zugang zum umfangreichen Kursmaterial zugeschickt. Dieses bestand aus jeweils 10 bis 15 Minuten langen Videos, welche ab dem 01. Januar 2023 über einen Zeitraum von einem Monat täglich auf der «Quelle»-Homepage freigeschaltet wurden. Als Häppchen aufbereitet und geordnet nach Themen wie «Wir und die Anderen», «Blick ins Paradies», «Lichtkörper und geistige Heimat», «Über das Sterben und Inkarnieren» sowie «Am Ende kommt alles gut», führte Christina die Teilnehmer:innen Video für Video in ihr eigenes Weltbild ein, indem sie in einer Art Q&A-Format auf eingeblendete Fragen einging. Dass sie dabei allein in den 25 «Lektionen» zu sehen war, wunderte mich, so sah man sie in der Vergangenheit meist im Doppelpack mit Nicola Good, der eine Rolle als Christinas «Ersatzmutter» nachgesagt wird. Good nahm bei öffentlichen Auftritten und Videos die Zügel in die Hand und lenkte das Gespräch. Manchmal gab sie sogar längere eigene Ideen preis.

Ausserirdische als Schöpfer der Menschheit

Meine Kursteilnahme begann also damit, dass ich mich in meinem stillen Kämmerchen durch ungefähr fünf Stunden Videomaterial durchklickte, wobei es mir aufgrund Christinas Sprechtempo um einiges länger vorgekommen ist. Es folgen einige nennenswerte Ausschnitte:

Gestützt auf die Reptiloiden-Verschwörungstheorie des Briten David Icke, behauptet Christina im sechsten Modul «Wir und die anderen», dass sich seit mehreren tausend Jahren Ausserirdische auf der Welt inkarniert hätten. Diese liessen sich nach «Rasse» (Aussehen) sowie «feinstofflicher» oder physischer Manifestation voneinander unterscheiden. Zwar gebe es auch solche, die zur Beobachtung der Menschen den Planeten in Raumschiffen umkreisen oder sich anderswo in unserem Sonnensystem aufhalten, die allermeisten «ausserirdischen Rassen» befänden sich jedoch aus diversen Gründen auf oder unter der Erdoberfläche in einem «Hohlraum». An dieser Stelle des Moduls kommt Christina auf die Evolutionstheorie zu sprechen und erzählt den Teilnehmer:innen, in der Schule habe sie ebendieses Thema immer zum Lachen gebracht. Schliesslich seien die Menschen nicht «aus dem Meer gekommen», sondern in Wahrheit von den ausserirdischen Wesen erschaffen worden.

Liebe als Allheilmittel

Doch die Entstehungsgeschichte des Menschen ist nicht die einzige Theorie, von der Christina nichts hält. Das Modul «Blick ins Paradies» thematisiert die «kollektive Erschaffung des Paradieses auf Erden». Um ein Paradies auf Erden zu etablieren, sieht Christina es generell als notwendig an, dass die Menschen nicht nach Theorien oder Gesetzen handeln, sondern nach Gefühlen: «Um das Paradies zu schaffen und alle momentanen Probleme zu lösen, brauchen wir keinen ausgetüftelten Lösungsplan, sondern wir müssen einfach in Liebe handeln und uns immer wieder bewusst machen, welches Ziel wir verfolgen».

Wie genau ihre Vision des irdischen Paradieses aussieht, konnte Christina dabei nicht sagen. Nicht nur gäbe es dafür keine Worte – die Menschen seien auch zu sehr an den «momentanen Zustand der Erde» und entsprechend zu wenig an die «Schwingungen» eines solchen Paradieses gewöhnt. Deshalb sei es gar unmöglich, das Paradies zu erfassen. Das Einzige, so Christina weiter, über was sie sich diesbezüglich sicher sei, ist das kommende harmonische Zusammenleben von Menschen, Tieren und Pflanzen. Denn angesichts dessen, dass Liebe «das Gefühl ist, welches das Leben schön macht und fördert und nicht etwas ist, das Leben zerstört», würde es für den liebenden Menschen keinen Grund für Krieg, Fleischkonsum oder die Ausbeutung der Natur geben. Schuld am Übel der Welt seien andere, die Christina wechselnd benannt werden.

Der Live-Stream

Dann, am 30. Januar diesen Jahres um 19.00 Uhr, fand die Zoom-Sitzung als Abschluss des Kurses statt, an dem insgesamt 238 Teilnehmer:innen aus der Schweiz, Österreich, Deutschland, Spanien und Thailand dabei waren. Unter Berücksichtigung der teilweise ausgeschalteten Kameras, schätze ich die Altersspanne der Partizipierenden auf Mitte 20 bis 60, wobei auch vereinzelt Familien mit Kleinkindern zu sehen waren. Genau wie in den 25 «Lektionen», war Nicola Good auch an diesem Event nicht anwesend, dafür wurde die Session von Joelle Hodler von «Die Quelle» moderiert. Sie las die im Vorhinein eingereichten oder dann während der Sitzung im Chat gestellten Fragen vor und forderte Christina bei unklaren Antworten zu weiteren Erläuterungen auf.

Dauerbrenner Corona

Vor dem Hintergrund aktuell verbreiteter Annahmen in der Esoterikszene war es kaum verwunderlich, dass sich viele der Anliegen um das Thema Covid-19 drehten. So wurde von einem Teilnehmer die folgende Frage gestellt: «Können Impfstoffe von einer Person auf andere übertragen werden durch bspw. die Benutzung desselben Geschirrs oder auch von geimpften Tieren auf Menschen durch bspw. den Verzehr des Fleisches?». Christina bejahte und merkte an, dass es «auf der physischen Ebene Dinge gibt, die man machen und nehmen kann», um die Wirkstoffe der Impfung wieder zu neutralisieren. Auf der «feinstofflichen Ebene» wiederum, müsse man «energetisch an sich arbeiten» und sich «wiederholt bewusst mit der eigenen Seele verbinden», um die durch die Impfung entstandenen «energetischen Blockaden» wieder lösen zu können.

Die obengenannte Frage basiert auf der Annahme des sogenannten «Sheddings», eine wissenschaftlich nicht haltbare Behauptung über das Coronavirus und die angewendeten Impfstoffe – mit angeblich gefährlichen Konsequenzen. Dabei hegen besonders Impfskeptiker:innen die Angst, in der Nähe von bereits geimpften Personen Krankheitssymptome zu entwickeln. Laut der Falschbehauptung würden Letztere nämlich in den ersten Wochen nach der Impfung «virale Spike-Proteine» produzieren, welche dann über Hautkontakt, Ausatmen oder Husten an ungeimpfte Personen weitergegeben werden und genannte Symptome wie Kopfschmerzen, Ausschläge oder Übelkeit verursachen.[8]

Eine gemeinsame Basis

Mit den allermeisten Fragen vonseiten des Publikums sowie Christinas Antworten konnte ich nichts anfangen. Als aber jemand gegen Ende anmerkte, bei Christinas Ausführungen häufiger in einen schläfrigen Zustand zu verfallen, fühlte ich mich dann doch verstanden und klinkte ich mich mit einem Schmunzeln aus dem Zoom-Meeting aus.

Asia Petrino, 17.05.2023

Fussnoten:

[1] Schmuck, Peter (2022): Die Quelle in Bern – Europas Seminarzentrum für Potentialentfaltung und Spiritualität, Zukunftskommunen, online: https://zukunftskommunen.de/blog/die-quelle-in-bern-europas-seminarzentrum-fuer-potentialentfaltung-und-spiritualitaet/, [16.02.2023]

[2] Patric Pedrazzoli (2019): Was ist die Vision der Quelle, Die Quelle, YouTube, online: https://www.youtube.com/watch?v=SifVuK16kMo&t=1s, [16.02.2023]

[3] Die Quelle (o.V.) (o.D.): Kongress «Vision des Guten und das Manifest der Neuen Erde», online: https://die-quelle.ch/tc-events/kongress-die-vision-des-guten-zusammen-fuer-eine-bessere-welt/, [16.02.2023]

[4] 3350 Stimmen. Stand: 17.05.2023. https://act.campax.org/petitions/reclaimvolkshaus-keine-buhne-fur-antisemit-innen-kein-geschaft-mit-braunen-esoteriker-innen

[5] Tagesanzeiger. «Umstrittener Redner darf nicht in Zürich auftreten». https://www.tagesanzeiger.ch/umstrittener-redner-darf-nicht-in-zuerich-auftreten-143292514622

[6] Relinfo (o.V.) (o.D.): Wissen schafft Freiheit, online: https://www.relinfo.ch/lexikon/theosophie-und-esoterik/esoterik/wissen-schafft-freiheit/, [16.02.2023]

[7] Relinfo (o.V.) (o.D.): Daniele Ganser, online: https://www.relinfo.ch/lexikon/themen/verschwoerungstheorien/daniele-ganser/, [16.02.2023]

[8] Heigl, Jana (2021): «Impfstoff-Shedding»: Die Angst vor dem Kontakt zu Geimpften, online: https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/fr-f-impfstoff-shedding-die-angst-vor-dem-kontakt-zu-geimpften,SdE76lT, [15.05.2023]