Faith Jones: Ungehorsam. Wie ich der Sekte meiner Familie entkam

Buchbesprechung von Faith Jones: Ungehorsam. Wie ich der Sekte meiner Familie entkam, HarperCollins, Hamburg 2023

Die folgende Buchbesprechung diskutiert den Erfahrungsbericht von Faith Jones aus der Gemeinschaft Children of God, später The Family International. Faith Jones hat in ihrer Kindheit und Jugend, wie jedes andere Kind, das bei den Children of God aufwuchs, massivsten Missbrauch erlebt, von dem im Folgenden auch die Rede sein wird.

Die Autorin: Faith Jones

The Family International oder auch Children of God wurden 1968 in Kalifornien gegründet von David Brandt Berg und seinen Kindern Deborah, Aaron, Faithy und Hosea. Letzterer ist Faith Jones` Vater.

Das Buch

Eine (nicht ganz so) kurze Chronik der Children of God

Faith Jones schriebt, ihr Vater sei Evangelist in der vierten Generation. Bereits dessen Urgrossvater sei Baptistenprediger, später Anführer der Disciples of Christ, gewesen und seine Grossmutter Virginia war die erste weibliche evangelikale Radiopredigerin in den USA. Virginia hatte einen schweren Unfall nach der Geburt ihres ersten Kindes Hjalmar Jr., bekannte sich zu ihrem Glauben an Gott und sei auf wundersame Weise geheilt worden. Sie und ihr Mann Hjalmar Berg predigten dies und wurden darauf von den Disciples of Christ ausgeschlossen. Virginia und Hjalmer traten der Christian and Missionary Alliance bei und bekamen zwei weitere Kinder, Virginia und am 18. Februar 1919 Faiths Grossvater David. Später ging David mit seiner Mutter Virginia auf Prediger-Tour durch die USA.

1941 wurde David in die Armee eingezogen, erkrankte aber noch während der Ausbildung schwer an einer Lungenentzündung. Die Ärzte hätten ihm keine grossen Überlebenschancen gegeben, doch David hätte Gott geschworen sein Leben in seinen Dienst zu stellen und wie seine Mutter sei er darauf sofort auf wundersame Weise geheilt worden. Wegen eines Herzleidens schied er aus dem Militärdienst aus und arbeitete wieder als Assistent seiner Mutter. Auf Tour in Kalifornien traf er Jane Miller und heiratete sie heimlich 1944. Sie bekamen ihr erstes Kind Deborah 1946 und Aaron 1948. David Berg wurde dann zum Prediger ernannt in einer Gemeinde voller Spannungen zwischen weissen Südstaatlern, Ureinwohnern und Mexikanern. David predigte einen christlichen Kommunismus, der die Probleme nur verschärfte. Daraufhin wurde David entlassen und zoig nun mit seiner Familie als Wanderprediger umher. 1949 wurde Faiths Vater Hosea geboren und auch seine Schwester Faithy. Die Familie zog zu Davids Eltern und 1951 soll David eine Offenbarung erhalten haben auf Missionierungstour zu gehen, wozu er die Jordan Missionary School besuchte. Danach eröffnete David eine Zweigstelle in Miami. Wegen seiner aggressiven Predigten hetzten ihm die anderen Kirchengemeinden irgendwann die Polizei auf den Hals und die Familie zog fort. Hosea war damals in der 8. Klasse und würde von nun an nie wieder in die Schule gehen. Zurück in Texas begannen Hosea und seine Geschwister auf Geheiss vor allem ihrer Grossmutter Virginia Hippies zu bekehren. David überzeugte viele davon, dass die Endzeit nahe sei und sie alles aufgeben sollen, um Missionare zu werden.

1968 starb Virginia Berg und David wurde noch radikaler in seinen Ansichten und Aufforderungen an seine stets wachsende Jüngerschaft. Zu dieser Zeit begann David eine Affaire mit Karen Zerby, die damals Anfang 20 war und auch zu ihm und seiner Familie in deren Wohnwagen. Wegen negativen Schlagzeilen zog die ganze Familie mit ihren Jüngern bald nach Arizona, um dort gleich wieder auf der Strasse zu missionieren. David bestimmte, dass die Leiter dieser Missionsteams verheiratete Ehepaare sein sollten und so heirate 1969 der zwanzigjährige Hosea neunzehnjährige Esther, eine der frühesten Anhängerinnen seines Vaters.
Ein Journalist nannte die Gruppe «Children of God». David gefiel der Name, übernahm ihn und nannte sich fortan Moses David, nach dem Propheten Moses. Seine Jünger sollten sich auch neue biblische Namen geben, so wurde seine Ehefrau Jane zu Eve und seine andere Frau Karen zu Maria. Auf der Suche nach einer Heimat für den wachsenden Zug von Jüngern, liess David sich 1970 auf der Ranch, der Jordan Missionary School, in Texas nieder. David sendete immer wieder Missionstrupps in ganz Amerika aus, um neue Mitglieder zu rekrutieren.

Hosea lernte Faith`s Mutter Ruthie kennen, als er schon 2 Jahre mit Ester verheiratet war und bereits einen Sohn namens Nehi hatte. Ruthie`s Vater war Militärpilot und Ruthie arbeitete später als Tänzerin in New York, bevor sie anfing Drogen zu nehmen und in eine Hippie-Kommune zog. 1971 trat sie den Childern of God bei. Ruthie`s Vater, sowie andere Eltern von Neueinsteigern, waren besorgt und beschuldigten David ihre Kinder einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Daraufhin soll David gesagt haben, Amerika hätte seine Chance vertan und plante nun Missionen auf der ganzen Welt. David erklärte das Gebot keinen Sex vor der Ehe zu haben als veraltet, mit der Begründung «Liebe deinen Nächsten» sei das wichtigste Gebot und so sollen die Jünger frei mit jedem Sex haben können mit dem sie wollen. Faithy, Hosea, Esther und brachen kurz darauf zur Mission nach Europa auf und liessen Faith`s Halbbrüder Nehi und Hobo in den USA zurück. Ruthie heiratete kurz vor ihrer eigenen Entsendung nach Europa einen ihr völlig fremden Mann. Die Ehe scheiterte allerdings bereits nach 3 Monaten und Ruthie ging zu Faithy um als Sekretärin für sie zu arbeiten. Hosea und Esther holten ihre beiden Söhne Nehi und Hobo zu sich nach Paris und bekamen in den folgenden 3 Jahren die Zwillinge Josh und Caleb, sowie Aaron und zum Schluss noch Mary.

David Berg flüchtete vor den Strafverfolgungsbehörden bald aus Amerika und kommunizierte fortan schriftlich mit den meisten seiner Jünger. Er warnte, dass Amerika bald bestraft werden würde und viele seiner Jünger liessen sich in anderen Teilen der Welt nieder. Bald darauf verkündete David seinen Jüngern, dass die traditionelle Ehe egoistisch sei und die Männer ihre Ehefrauen miteinander teilen sollten. So entstand dann auch das «flirty fishing» auf Teneriffa bei dem Frauen angehalten wurden mit bevorzugt reichen Männern Sex zu haben, um sie dann von David Bergs Botschaft zu überzeugen.
Nach dem seine erste Fraue Eve (Jane) sich einen neuen Partner gesucht hatte und David Maria zu seiner offiziellen Frau nahm, gebar diese 1975 den Thronerben Davidito. Noch im selben Jahr besuchte David mit seiner Royal Family den revolutionären Oberst Muammar al-Gaddafi in Libyen. David befahl damals Ruthie nun seinen Sohn Hosea zu lieben und seine zweite Frau zu werden. Zurück in Teneriffa wurden viele Frauen wegen Prostitution verhaftet und David und Maria flüchteten nach Barcelona. Zu dieser zeit wurde Faith in Hongkong geboren und ihr Vater Hosea, seine erste Frau Esther und seine anderen sechs Kinder zogen ebenfalls dorthin. Schon 1978 zogen alle gemeinsam nach Macau. Noch im selben Jahr löste David seine Führungsriege auf und liess neue wählen. Er benannte seine Bewegung in «The Family of Love» um und lockerte die Zügel für seine Mitglieder. Durch den Verlust ihrer Vormachtstellung verliessen viele Führungsmitglieder die Gruppe, so auch Eve. Faith`s Vater und dessen Frau Esther wurden von David 1980 aus der Führungsriege ausgeschlossen, die bis dahin noch die Druckerei der Mo-Briefe geleitet hatten. Nach einer Welle der negativen Presse und Anschuldigungen wegen Prostitution zog Faith`s Familie nach Hac Sa um, einem kleinen Dorf am entlegensten Ende von Macau.

Kindheit

Das Leben in Hac Sa

Als Faith vier Jahre alt war floh ihre Familie von Macau nach Hac Sa. Ihr Vater erklärte ihr damals, dass böse Menschen sie verfolgen würden, um sie davon abzuhalten Gottes Werk zu tun. Als einzig wahre Jünger Gottes würden die Mächte des Teufels sie bedrohen. Dort lebte die ganze Familie in ärmlichen Verhältnissen, abgeschnitten von allen Annehmlichkeiten der Stadt. Faith und ihre Geschwister mussten in den ersten Wochen in Hac Sa die Vorzeigefamilie spielen, immer höflich lächeln und im Dorf Müll aufsammeln.

Als eine andere Familie der Family International zu Besuch kam, erklärte Faith, dass sie alle Erwachsenen Auntie (Tante) und Uncle (Onkel) nennen musste. Sie seien alle eine grosse Familie und so durften auch alle Erwachsenen alle Kinder züchtigen und schlagen. Damals war Faiths Leben komplett durchgeplant. Jeden Morgen nach dem Frühstück wurde für zwei Stunden eine Andacht gehalten, mit Lobliedern, Gebeten, Bibel- und Mo-Brief-Lesungen. Danach folgte die Hausarbeit, Joyful Job Time (JJT), dazu manchmal Unterricht. Gefolgt vom Mittagessen, einer Stunde Ruhezeit, der Nachmittagsarbeit, Sport und einer Dusche. Nach dem Abendessen gab es eine Stunde Familienzeit bevor alle in ihre Zimmer gehen mussten um zu Beten oder in der Bibel zu lesen.

Sexualität

Schon in ihrer Kindheit war Sex für Faith allgegenwärtig. Frauen wurden dazu angehalten sich so wenig wie möglich zu kleiden, je nach dem was in den jeweiligen Ländern noch erlaubt war. «Sex ist unser Dienst an Gott. Sex zu verweigern gilt als unnachgiebig und egoistisch, dem Willen Gottes ungehorsam. Und von uns wird absoluter Gehorsam erwartet.» (Jones, 2023: 68) Schon mit drei Jahren bekam Faith Bilder von Menschen die Sex hatten zum Ausmalen. Sie bekam damals auch mit wie ihre Mutter zusammen mit anderen Frauen zum Flirty Fishing nach Macau gehen musste, um dort Männer mit Sex zu locken und sie als Gönner zu gewinnen. Frauen durften sich dem Flirty Fishing nicht verweigern, konnten sich jedoch aussuchen mit wem sie es tun wollten, wenn die Führung ihnen nicht befahl mit jemand bestimmten zu schlafen. Faith erinnerte sich daran, wie ihre Mutter manchmal weinte, wenn sie mit einem unattraktiven «Fisch» schlafen musste, denn verweigern durfte sie sich ihm nicht.

Mo behauptete ihm seien immer wieder verführerische himmlische Frauen erschienen, die ihn dazu anhielten die Welt zu missionieren und zu erretten. In den Mo-Briefen forderte er Mädchen und Frauen dazu auf aufreizend zu tanzen und Videos davon an ihn zu schicken. Faith musste mit drei Jahren das erste Mal bei so einem Video mitmachen, bedeckt nur mit durchsichtigen Tüchern. Bei der zweiten Aufnahme ist Faith sechs Jahre alt und noch zu jung um an der anschliessenden «Sharing Time» teilzunehmen. Dabei werden alle Erwachsenen und die Mädchen und Jungen ab einsetzen der Pubertät, ungefähr mit 10 Jahren, dazu angehalten miteinander freien Sex zu haben. Denn in den Mo-Briefen stand, dass der Teufel Sex hassen würde. «Im Gesetz der Liebe gibt es keine Beeinträchtigungen in Bezug auf Verwandtschaft oder Alter.» (Jones, 2023: 115)

Mit 6 Jahren musste Faith das erste Mal einem erwachsenen Mann bei der Masturbation unterstützen. Von da an versuchte sie die Männer zu meiden und sich unter den anderen Kindern vor ihnen zu verstecken, was nicht immer gelang.

Als viele der Kinder der Family International zu Teenagern wurden mussten diese Fragebögen ausfüllen und es kam heraus, dass sich diese durch Sex mit Erwachsenen traumatisiert fühlten. So wurden an alle erwachsenen Briefe verschickt, in denen sie dazu aufgefordert wurden keinen Sex mehr mit Minderjährigen zu haben. In den meisten Ländern war das 15 oder 16 Jahre. Sex unter Kindern war aber weiterhin kein Problem. Faith war 10 Jahre alt bei dieser Neuerung und erleichtert, da sie furchtbar Angst gehabt hatte mit 12 Jahren Sex mit einem erwachsenen Mann haben zu müssen. Doch schon kurz darauf wurde sie von einem erwachsenen Mann zu einem Zungenkuss gezwungen. Verweigerung war nicht möglich, so sollte sie ja Gottes Liebe zeigen. Etwa ein halbes Jahr später vergriff sich auch ein anderer Mann an ihr.

Als Faith 11 Jahre alt war gab es eine Änderung in ihrem Tagesablauf. Nun waren viele Jugendliche in ihrem Zuhause und alle Mädchen wurden einmal pro Woche einem Jungen zugeteilt mit dem sie dann Sex haben sollten. Auch Faith wurde einem Vierzehnjährigen zugeteilt, den sie mit den Händen befriedigen musste.

Bildung

Faith schrieb, dass zwar rein theoretisch Männer und Frauen einander gleichgestellt waren, die Realität jedoch ganz anders aussah. Geleitet wurde fast alles von Männern und die Frauen kümmerten sich um Haushalt und Kinder. Als sie in Hac Sa lebten kam auch ein Betreuer namens Uncle Michael dazu, der den Kindern Heimunterricht erteilte. Im Allgemeinen bekam Faith damals keine besonders gute Schulbildung, ihre Geschwister lernten Lesen, Schreiben und Rechnen, aber alles nur auf Grundschulniveau. Der Hauptteil der Bildung beruhte auf der Bibel und den Mo-Briefen.

Mehr und mehr Familien zogen nach Hac Sa und so wurde die Schule und der Unterricht für Faith und ihre Geschwister ausgebaut. Gelehrt wurde, was im Childcare Handbook stand, dem offiziellen Lehrbuch der Family. Dies beinhaltete die Schöpfungsgeschichte, Mathematik (Einmaleins, Division und etwas Geometrie für Jungen), Wissenschaft und Biologie beginnend mit der Schöpfung und einer langen Widerlegung der Evolution.

Bestrafungen

Faith erzählte von Anfang an, wie sie ihren Vater fürchtete. Sie beschreibt seine unberechenbare Art und die brutalen Strafen, die auf jeden kleinsten Ungehorsam folgten. «All das ist darauf ausgelegt, den grösstmöglichen Schmerz zuzufügen, ohne uns tatsächlich zu verletzen. Das nennt er «gottesfürchtige Kindererziehung».» (Jones, 2023: 87) Über Ohrfeigen, Schläge mit Stöcken, fieses Zwicken in Arme und Nacken berichtet Faith. Wenn sie nicht zu Hause waren in einem Restaurant, habe ihr Vater die ungehorsamen Kinder gezwungen Tabasco Sauce zu essen.
Auch Faiths Mutter bestrafte sie ab und zu selbst, indem sie ihr den Mund mit Seife auswusch. Meistens rief sie jedoch Faiths Vater zu Hilfe.

Medizin

Wenn jemand in der Familie krank wurde, durften sie nicht ins Krankenhaus gehen. Stadtessen wurde für den Kranken gebetet und er wurde gesalbt, sowie mit allerlei alternativer Medizin behandelt. Faith wurde gesagt, die Medikamente der Systemärzte würden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit töten. Als alle Kinder Madenwürmer bekamen, wurden sie gezwungen drei Tage lang nur Kokosnüsse zu essen, das sollte die Würmer abtöten. Als die Kinder danach immer noch Würmer hatten bekamen sie dann doch Medikamente aus der Apotheke und ihre Eltern waren überzeugt, dass ihr Glaube nicht stark genug gewesen sei.

Geld

Die Kinder mussten in Macau an verschiedensten Orten auftreten, singen und tanzen, um Menschen für Jesus zu begeistern und allem voran Geld zu sammeln. Faith und ihre Geschwister mussten alles geben, immer lächeln, immer freundlich, auch wenn Fremde sie umarmten oder mit ihnen auf Fotos posieren wollten. Fehltritte wurden Zuhause vom Vater hart bestraft. Allgemein war es Faith und den anderen Mitgliedern nicht erlaubt irgendeinen «System»-Job anzunehmen. Finanzieren sollten sie sich ausschliesslich von Spenden, um nur für Gott zu leben.

Kontrolle

Jeden Monat mussten Faiths Familie, wie die anderen Mitglieder, 10% ihrer Spendeneinnahmen zusammen mit einem Bericht über Mitgliederzahlen und die Missionsarbeit an sogenannte «World Services» schicken. Diese Verwaltungseinheiten wurden streng geheim gehalten und wer einen Bericht nicht abgab, der wurde exkommuniziert.

Faith spricht auch die allgemeinen Strafen für Mitglieder der Family an. Ihr Grossvater Mo, hätte alle immer augenblicklich gelobt oder öffentlich getadelt, was dazu führte, dass alle sehr bemüht waren absolut gehorsam zu sein. Jeder sollte seine Sünden stets selbst zugeben und gleich gestehen, bevor andere ihn verraten konnten. Die Mitglieder wurden auch dazu angehalten jede kleinste Sünde der anderen zu melden, sonst würden sie sich selbst versündigen.

Einmal im Jahr fand ein Treffen aller Family-Homes in der asiatisch-pazifischen Region statt, das General Area Fellowship. Dort mussten alle Mitglieder hingehen, es wurden Berichte ausgetauscht, aber auch Entscheidungen diskutiert. Eigentlich sollten Home-Schäfer gewählt werden, doch Faiths Eltern waren durch ihre Blutsverwandtschaft mit Mo, die unangefochtenen Führer. Auf Basis der Mo-Briefe legten Faiths Eltern fest, wie die Mitglieder was zu tun hatten, von Alkoholkonsum, über genehmigte Filme, bis hin zu der Art wie Kleidung zu waschen war. Alles wurde von ihnen diktiert.

«Die Home-Schäfer müssen den Gebiets-Schäfern Bericht erstatten, die wiederum den Landes- oder Regions-Schäfern berichten, und immer so weiter die Hierarchieleiter hinauf.» (Jones, 2023: 112)

Geburt

Als Faith erfuhr, dass sie bald eine kleine Schwester bekommen würde, war sie überglücklich. Diese Freude wich jedoch teilweise, als sie und ihre Geschwister bei der Geburt dabei sein mussten. Ihre Eltern wollten, dass sie alle genau zuschauten, während ihre Mutter Ruthie das kleine Geschwisterchen entband. Die neugeborene Amy war eigentlich nur Faiths Halbschwester, denn ihr Vater war der Fisch von Faiths Mutter. Solche Kinder, die durch Flirty Fishing entstanden waren, wurden «Jesus-Baby» genannt und galten als besonderen Segen für die Familie.

Bücher

Als Faith etwa 8 Jahre alt war, liebte sie die Geschichten von Heaven`s Girl, einer Superheldin aus einem Kinderbuch, geschrieben von ihrem Grossvater Mo. Es ging um eine fünfzehnjährige, in eine durchsichtige Toga gekleidet, die in der Zukunft lebte. Dort wurde sie von einer Truppe antichristlicher Soldaten gefangen genommen. Während diese sie vergewaltigten, flüsterte sie ihnen Botschaften von Jesus ins Ohr. Die Superheldin überlebt auch eine Löwengrube und bekehrt die Soldaten, die ihr dann als Jünger folgen. Es gab viele Geschichten von Heaven`s Girl in denen sie Sex nutzte, um zu überleben und dieselben Wunder wie Moses vollbrachte.

Offiziell waren nur genehmigte Bücher der Family International erlaubt. Doch eines Tages als Faith etwa 10 Jahre alt war fand sie eine Ausgabe von “Der geheime Garten”. Daraufhin ging sie zu anderen Eltern der Family und las dort noch mehr. Sie wollte sich in diesen Fantasiewelten verlieren und ihrer Realität entfliehen.

Die Endzeit

Faith wurde beigebracht, dass die Endzeit bereits 1986 begonnen hatte. Ihr Grossvater Mo prophezeite, dass Jesus 1993 wiederkehren würde. Deshalb sei auch Geld, Besitz oder Altersvorsorge komplett unnötig. Es gab viele Spekulationen über den Antichristen und seit Beginn der “Trübsal” trafen immer mehr Mo-Briefe ein die auf Ereignisse in den Medien hinwiesen, welche die Herrschaft des Antichristen zeigen würden. Faith und alle anderen Mitglieder waren immer bereit für das Ende, für Naturkatastrophen und Krieg, der unweigerlich bald kommen würde, wenn der Antichrist sich offenbarte und die Weltherrschaft an sich riss. So hatten sie alle eine Fluchttasche immer bereit und übten manchmal mitten in der Nacht die Flucht.

Teenagerjahre

Teen Home

Als Faith 10 Jahre alt war wurde aus ihrem Zuhause in Hac Sa ein Teen Home gemacht und Jugendliche untergebracht, die zuvor in den Philippinen gelebt hatten. Das hiess, dass nun viele ”Sexgelage” stattfanden, sowie Talentabende bei dem die jugendlichen Mädchen Striptease vorführten. Mit der Ankunft von Faiths Tante Faithy änderten sich dann auch die Regeln und alle, auch Faith, bekamen einen Buddy zugeteilt, dem sie niemals von der Seite weichen durften. So mussten sie sich gegenseitig überwachen und Verstösse sofort melden.

Thailand

Faith bekam einen kleinen Bruder namens Jondy als sie gerade 11 Jahre alt war und musste sich von da an um ihn kümmern. Ihr Vater wurde zu dieser Zeit mit ihren beiden ältesten Brüdern nach Japan geschickt. Kurz darauf wird auch ihre Mutter versetzt und Faith bleibt mit Jondy zurück, blieb aber nur wenige Monate weg. Danach zog Faith mit ihrer Mutter, sowie Amy uns Jondy nach Thailand. Dort herrschte eine militärische Atmosphäre und Faith wurde zu den Kindern geschickt, nicht mehr wie in Macau zu den Teens. Als Faith dagegen protestierte wurde sie zu einem Monat Schweigen verurteilt, das nur kurz für ihren Zwölften Geburtstag ausgesetzt wurde.

Faiths Mutter ging es in Thailand immer schlechter und eines Tages nahm sie Faith und ihre Geschwister und rannte einfach davon. Sie hatte grosse Angst, dass die Family ihr Faith, Amy und Jondy wegnehmen würden. Doch weil sie kein Geld hatten kehrten sie dann doch zum Home zurück. Bald darauf zogen die drei nach Amerika um dort in einem Trailer zu leben und zu missionieren.

USA

Die Ankunft in den USA war nicht gerade erfreulich für Faith, ihre Mutter und ihre Geschwister. Niemand war so wirklich informiert, dass sie kommen würden und es gab einiges Chaos, bis sie schliesslich nach Atlanta kamen und auch Faith´s Grossmutter mütterlicherseits besuchen konnten. Faith mochte ihre Tante Madeline auf Anhieb, auch wenn diese ihrer Mutter vorwarf in einer Sekte zu sein und den Kindern ein normales Leben vorzuenthalten. Richtig begeistert war Faith jedoch von der Geschirrspülmaschine ihrer Tante, etwas, dass sie in den Family Homes nie kennengelernt hatte. Doch schon bald zog Faith mit Mutter und Geschwistern in einem alten Camper los, um zu missionieren. Doch die Eindrücke, die Faith in einem “Systemleben” bei ihrem Grossvater sammeln konnte, liessen sie nicht ganz los. Über Winter blieben sie in Atlanta, aber fest aufnehmen wollte kein einziges Family Home die kleine Familie, alle wiesen sie ab. Wegen neuen Regeln wurden Faith und ihre Familie zu Mitgliedern zweiter Klasse herabgestuft, zu “Unterstützern”, weil sie nicht in einem Home lebten. Nun musste Faith auf der Strasse betteln gehen, indem sie vorgab Geld für gemeinnützige Projekte zu sammeln. Um nicht zu verhungern schlossen sie sich einer anderen Familie an, die herumreist. Doch der Vater zwang Faith´s Mutter mit ihm Sex zu haben und kontrolliert sie alle. Weshalb die kleine Familie sich von den anderen trennte und wieder zu Faith´s Grossmutter ging.

Das Leben im «System»

Faith`s Mutter musste sich einen Job suchen und die Kinder nun in die Schule gehen. Schnell konnte Faith sich damit arrangieren, schrieb gute Noten und verschlang so viele Bücher wie sie nur konnte. Doch schon nach einem halben Jahr kam ihr Vater unerwartet in die USA und nahm Faith wieder mit nach Macau zur Family.

Hac Sa und doch ist alles anders

Wieder zurück in Macau war nichts mehr wie es war. Alle vertrauten Menschen waren weg, fast alle Tiere verkauft und das Haus verwahrlost. Schnell brachte die fünfköpfige Familie alles wieder in Ordnung und verdienten ihr Geld von da an mit Reitunterricht. Doch durch die Erlebnisse war der Glauben der ganzen Familie an die Family gebrochen und Faith`s Eltern wollten nicht mehr einfach alles von der Führungsriege akzeptieren. Bücher konnte Faith trotz ihres Umzugs noch lesen, da ihre Grossmutter immer wieder Pakete schickte. Auch ihr Vater hatte sich verändert und als Faith 14 Jahre alt war lebten sie ein ruhiges Leben in Macau, die Regeln der Family nur halb befolgend. Ihr Vater war während seines Aufenthalts in Japan 2 Jahre lang isoliert und gebrochen worden, was ihn zu einem anderen Menschen gemacht hatte, der ruhig und gelassen war und seine Kinder nicht mit Gewalt bestrafte. Auch Faiths Mutter hatte sich verändert und wollt nie mehr komplett von der Family abhängig sein, so wollte sie selbst einen College-Abschluss machen und erlaubte Faith einen High School-Abschluss anzustreben.

Das erste Mal und ab nach Japan

Als Faith 15 Jahre alt war, zogen zwei Mädchen im selben Alter zu ihr nach Hac Sa. Gemeinsam schlichen sie sich nachts aus dem Haus um Jungen zu treffen. Faith erlebte ihren ersten Sex mit einem 20 Jahre alten Jungen. Gut waren ihre Erfahrungen nicht, es tat einfach nur weh. Danach erzählte ihr ihre Mutter, wie sie früher vergewaltigt worden war. Faith fühlte sich unwohl, musste aber schon bald entscheiden, ob sie exkommuniziert werden wollte oder nach Japan umziehen.
Als sie 16 war reiste sie in ein Teen Home in Japan. Dort tat Faith sich schwer wieder ein braves Mitglied der Family zu sein, vermisste sie doch ihre Freiheiten. Sie konnte nun nicht mehr über ihr Leben bestimmen, jedoch fand sie eine neue Freundin namens Joy, durch die sie sich nicht ganz verloren fühlte.

Nachdem sie von Joy verraten wurde stürzte sich Faith ins Bibelstudium, doch wenn sie zu viele Fragen stellte wurde ihr vorgeworfen an Gott zu zweifeln. Immerhin hatte Faith in Japan die Möglichkeit einige ihrer Geschwister wiederzusehen und als sie 17 war durfte sie mit ihren Eltern in die USA, machte dort sogar ihren High School Abschluss.

Erwachsen

Ein Prinz in Russland

Als Faiths Grossvater Mo starb übernahm Maria die Leitung der Family, was nicht allen passte. Faith war vor allem wütend, dass ihr Grossvater sie ihr ganzes Leben lang ignoriert hatte. Nun sollte sie sich einen guten Mann suchen, wie die anderen Teenager. Aber Faith konnte nichts und niemanden mehr lieben und zwang sich mit einem Jungen zu gehen. Von ihr wurde bald erwartet sich zu verloben, doch fand sie einen Ausweg und begab sich auf eine neue Mission in Russland. Dort traf Faith auf ihre Brüder Nehi und Caleb, die dort mit ihren Familien lebten. Ganz unverhofft begegnete sie in Moskau auch Davidito, der ungefähr gleich alt war wie sie selbst. Ihr Leben lang hatte sie ihn für seine Vorrangstellung in der Family beneidet, doch nun hatte sie Mitleid mit ihm. Er war ein trauriger junger Mann, dem es nur selten erlaubt war mit gleichaltrigen in Kontakt zu treten.

Kasachstan

Faith musste wegen des Ablaufenden Visum von Russland nach Kasachstan umziehen. Dort wurde sie mit der bitteren Kälte und der Armut in dem ehemaligen Sowjetstaat konfrontiert. Dort wurde sie gezwungen mit einem jungen Mann zu schlafen, nachdem sie bestraft worden war, weil sie sich ihm nicht freiwillig hingeben wollte. Später verliebte sie sich in einen anderen Mann, der jedoch bald darauf nach Moskau geschickt wurde und wieder mit seiner Exfreundin zusammengekommen war. Faith wollte nur noch weg aus Kasachstan und bald bot sich ihr die Gelegenheit für eine Mission in China.

China – Freiheit und Leid

In China konnte Faith wieder mehr Freiheiten geniessen und lebte dort mit ihren Eltern und anderen, die sie bereits aus ihrer Kindheit in Hac Sa kannte. Da Missionsarbeit in China verboten war mussten sie verdeckt operieren. Faiths Mutter arbeitete als Englischlehrerin und Faith selbst, zusammen mit ihren Kindheitsfreunden Patrick, Ching-Ching und Sophia, durfte die Universität besuchen. Als Faith 21 war, rief ihre Grossmutter überraschend an und nahm ihre Enkelin mit auf eine Reise durch Europa. Die letzte Nacht verbrachte sie alleine in einem Family Home in England, wo ein junger Mann sie vergewaltigte. Aus Angst bestraft zu werden behielt sie alles für sich, doch innerlich war sie gebrochen und allein. Mit 22 führ sie dann mit einer Gruppe junger Leute nach Peking, wo sie einen Freund von der Uni wiedertraf. Nach einem Kuss fühlte sie sich jedoch so schuldig, dass sie sich selbst an die Gebietsschäfer verpetzte. Diese schickten sie zur Rehabilitierung nach Taiwan, wo ihr Bruder Josh sie abholte.

Taiwan – Depression und neue Hoffnung

Nach einiger Zeit in einem Family Home ging Faith aushilfsweise zur Familie ihres Bruders, wo sie eines der schlimmsten Erdbeben Tawians miterleben musst. Nach den Aufräumarbeiten konnte sie in ein Home für junge Erwachsene ziehen, wo sie wieder mit Männern Sex haben musste, mit denen sie nicht wollte. Sie begann immer mehr die Family und ihre Taten zu hinterfragen, ihr ganzes Leben kam ihre so sinnlos vor. Zum ersten Mal überlegte Faith sich ernsthaft die Family zu verlassen. Immer mehr wuchs ihre Sehnsucht zu studieren, weswegen sie furchtbare Schuldgefühle plagen, neben einer schlimmen Depression. Doch irgendwann wollte sie einfach nicht mehr im Elend gefangen sein.
«Ich fasse endlich einen Entschluss. Ich. Bin. Durch.
Ich werde mein Leben selbst in die Hand nehmen.
Nur wenige Minuten zuvor hat sich das noch wie ein unmöglicher Schritt angefühlt, aber sobald ich die Entscheidung getroffen habe, die Family zu verlassen und zu studieren, verfliegt die Depression.
Zum ersten Mal in meinem Leben handle ich nach meinen eigenen Wünschen und Vorstellungen.» (Jones, 2023: 367)

Ein beschissener Abschied aus der Family

Faith teilte ihren Entschluss die Family zu verlassen den Schäfern und auch ihrem Vater mit. Ihre Eltern waren mittlerweile getrennt, konnten ihr finanziell aber nicht helfen. Ihr Vater half ihre einen Job in Macau zu bekommen und so flog sie dorthin. Bevor sie jedoch zum Flughafen kam wurde sie zum Abschied aus Tawain und der Family ein weiteres Mal von einem älteren Mann der Family vergewaltigt. «Der körperliche und seelische Schmerz macht mir eines klar: Ich komme nie mehr wieder zurück.» (Jones, 2023: 374)

Frei von der Family?

Von Macau nach Kalifornien

Faith erreichte Macau im Jahr 2000 und konnte dank der Kontakte ihres Vaters in einem Casino als Englischlehrerin arbeiten und bei einer Witwe ein Zimmer mieten. Das Leben alleine ausserhalb der Family war für Faith nicht leicht, als sie krank war kümmerte sich niemand um sie und als sie sich einen Ventilator ihrer Vermieterin lieh wurde sie als Diebin beschimpft.
Nach einem heissen Sommer in Macau hatte Faith genug Geld zusammen und flog in die USA. Dort besuchte sie der Reihe nach ihre Verwandten und kam schlussendliche bei ihrer Tante mütterlicherseits in Kalifornien unter. Da ihr Heimunterricht von den Universitäten nicht anerkannt wurde, musste Faith zuerst ans Community College und nebenbei als Barkeeperin arbeiten. Nun musste sie sich damit beschäftigen wer sie eigentlich war, was sie mit ihrem Leben machen wollte und an was sie glauben möchte. Langsam wurden ihr all die Ungerechtigkeiten mit denen sie in der Family aufgewachsen war bewusst. Faith wollte alles aufholen, was sie bisher verpasst hatte. Ehrgeizig arbeitete sie auf ihre Ziele hin und wurde bald Managerin eines Bistro und zog mit einer Freundin zusammen. Nach einem Jahr zahlte sich ihre harte Arbeit aus und Faith wurde an der Georgetown University in Washington D.C. angenommen.

Studentenleben

In der Universität lernt Faith eine ganz neue Seite von Amerika kennen, dass ihr Leben lang als «Hure Babylon» bezeichnet wurde. Sie traf viele junge, idealistische Menschen, welche die Welt wirklich zu einem besseren Ort machen wollten. Ausserdem lernte Faith, dass es nicht immer eine einzige Wahrheit gibt oder eine Autorität, die diese Wahrheit vermittelt. Sie musste auch lernen, dass die Bibel nicht so fehlerfrei war, wie die Family ihr weismachen wollte. Faith arbeitete hart und unablässig, um im Studium mitzuhalten und nebenbei genug Geld zum leben zu verdienen. Ihr wurde bewusst, dass trotz all der Strapazen in ihrem Leben, sie doch dadurch gelernt hatte hart zu arbeiten, zielstrebig zu sein und beharrlich.

Die Entdeckung eines Traumas

Auf der Universität lernte Faith Rob kennen. Er war beim Militär und arbeitete beim Justizministerium. Durch ihn lernte sie, dass Sex nicht weh tun sollte und sie konnte ihren eigenen Körper besser verstehen. Irgendwann erzählte sie ihm die ganze Geschichte über die Family und ihre Erlebnisse. Rob war schockiert und wütend. Erst jetzt erkannte Faith wie schrecklich ihre Erlebnisse in der Family wirklich waren und wie weit entfernt von allem was richtig ist. Doch auch von Rob musste sie sich irgendwann lösen, so war er doch ebenfalls ein autoritärer Gläubiger der Siebenten-Tags-Adventisten.

Daviditos Ende

Es war überall in den Medien. Davidito, der Prinz der Family, hatte seine Nanny erstochen und sich danach selbst erschossen. In einem Video veröffentlichte er harte Anschuldigungen gegen seine Eltern und die ganze Family, erzählte von seinem lebenslangen Missbrauch. Das war für Faith schockierend und erleuchtend zugleich. Nun wurde ihr erst richtig bewusst wie sie seit ihrer Geburt vergewaltigt und missbraucht wurde, ihrer Kindheit beraubt. Sie konnte nicht verstehen, wie ihre Eltern ihr das hatten antun können. Faith war innerlich aufgewühlt und trotzdem schaffte sie den Abschluss an der Universität mit summa cum laude.

Traumabewältigung

Nach ihrem Abschluss ging Faith nach Kalifornien an die Berkley School of Law. Das Jurastudium war eine rein rationale Entscheidung, trotzdem fand Faith gefallen daran. Nach dem Abschluss bekam sie einen gut bezahlten Job in Los Angeles und nach einiger Zeit wurde sie nach Hongkong versetzt. Faith wechselte 2012 zu einer kleinen Kanzlei in Kalifornien und machte sich 2018 im Gesellschaftsrecht selbständig. So begann Faith sich intensiver mit sich selbst zu beschäftigen und erkannte die emotionalen Mauern, die sie durch die Traumata in ihrem Leben errichtet hatte. Ihr wurde bewusst, dass sie sich öffnen musste um zu heilen. 10 Jahre nach dem Austritt aus der Family sahen auch ihre Eltern ihre Fehler ein und entschuldigten sich bei ihren Kindern für das, was sie ihnen angetan hatten. Faith und ihre Mutter kamen sich nach langer Zeit wieder näher und begannen miteinander über ihre Traumata zu sprechen und ihre Taktiken zur Heilung. Die Family zerfiel langsam und einige von Faiths Geschwistern traten aus, andere blieben. Faith wusste nun, wie wichtig es war seine eigenen Wertvorstellungen zu hinterfragen und sich bewusst zu entscheiden aus ihrem Trauma etwas Gutes zu machen.

«Ich gehöre mir»

20 Jahre nach ihrem Austritt aus der Family, mit 41 Jahren, war Faith bereit ihre Geschichte in der Öffentlichkeit zu erzählen. Sie hatte sich intensiv mit den Mechanismen der Family und den Manipulationen auseinander gesetzt und wollte ihre Erkenntnisse teilen. Sie war nun davon überzeugt, dass der Körper eines Menschen dessen Eigentum war und dieses Recht konnte ihm niemals angesprochen werden. Diebstahl bleibt Diebstahl und genau so bleibt Vergewaltigung auch Vergewaltigung und es gibt keine Entschuldigung dafür. Der Kern von Faiths Erkenntnissen war «individuelle Freiheit, ohne die anderen zu missachten». (Jones, 2023: 439) Jeder Mensch hat das Recht auf seinen Körper, seine Arbeit, seine Ideen. Niemals sollte eine Person dazu gezwungen werden, ob durch Gewalt, durch Manipulation oder Druck, eine seiner individuellen Freiheiten aufzugeben.

Kommentar

Bereits im ersten Kapitel war eine gewisse Angst der Kinder ihrem Vater Hosea gegenüber spürbar. Die Kinder konnten niemandem vertrauen, weder einander noch den erwachsenen, nichteinmal den eigenen Eltern. Die Angst ist in Faiths Erzählungen fast immer präsent, die Angst vor dem Ende der Welt und der Verfolgung durch das System, aber auch die Angst vor Bestrafung und vor sexuellem Missbrauch. Faith beschreibt teilweise auch den einigermassen normalen Familienalltag, die Beziehungen zu ihren Geschwistern, Spass mit Freunden und auch liebevolle Momente. Das alles wird jedoch überschattet von immer mal wieder Vorkommenden für Kinder vollkommen unangemessener Literatur oder auch sexuellen Übergriffen und brutalen Strafen.

Sex war in Faiths Kindheit überall gegenwärtig und sie selbst spielte auch damit als sie erst vier Jahre alt war. Sie beschreibt wie Frauen in The Family sexualisiert wurden und sich dabei niemals einem Mann der Sex mit ihnen wollte verweigern durfte. Denn das wäre gegen Gottes Wille gewesen. Doch klar handelt es sich bei all dem um Vergewaltigung und Missbrauch.

Es ist auch von den Vorwürfen des Kindesmissbrauchs der Family von Seiten der Behörden die Rede und davon, dass Faith glaubte das seien alles Lügen. Sie dachte Kinder zu vernachlässigen, ihnen die Knochen zu brechen oder sie halb verhungern zu lassen sei Kindesmissbrauch, nicht jedoch was sie erfahren hatte. Die Menschen in der Family waren so manipuliert worden, dass sie glaubten, sie würden das richtige tun. Dabei bleiben erzwungene sexuelle Handlungen immer Vergewaltigungen und somit eine Straftat.

Faith beschreibt auch wie ihre Mutter ihr erzählte, wie sie vergewaltigt wurde. Die Family hätte Vergewaltigung nie als besonders schlimm angesehen und Frauen sollten es einfach über sich ergehen lassen, sich fügen, dann wäre es ja gar nicht so schlimm. Eine komplett unangebrachte, gewaltverherrlichende, frauenfeindliche Ansicht!

Selbst zu denken war offenbar in der Family International unerwünscht und wurde den Mitgliedern auf brutalste Weise ausgetrieben. Faith wurde körperlich und seelisch von Geburt an missbraucht und gebrochen. Zu Recht gilt die Family International als eine der schlimmsten Religionsgemeinschaften die in der Schweiz zu finden sind.

Literaturverzeichnis
Jones, Faith (2023): Ungehorsam. Wie ich der Sekte meiner Familie entkam, HarperCollins: Hamburg.

Jasmin Schneider 2023

Lexikoneintrag The Family International