Tränen für Jesus und Applaus für Gott – Besuch bei der Momentum Church in Aarau

Am Check-In

Die Momentum Church Aarau befindet sich in einem attraktiven Neubau mit Flughafen-Flair. Im Eingang traf ich auf zwei Check-In-Schalter, wo Eltern ihre Kinder einchecken mussten. Jedes Kind erhielt eine Nummer, um bei Bedarf während des Gottesdienstes die Eltern aufrufen zu können. Der Gottesdienst selbst fand in einem Konzertsaal mit Empore statt. Um nicht zu sehr aufzufallen setzte ich mich ganz hinten neben einen Pfosten. Es waren viele Familien und ältere Leute in der Kirche und begrüssten sich herzlich. Zwei Kameramänner waren bereit für ihren Einsatz, als sich der Saal gemächlich füllte. So waren noch viele Plätze frei, als die Band auf die Bühne trat und der Pastor uns begrüsste. Egal was bei uns los sei, meinte er, wir sollten alle zuerst Gott fragen und ihm danken.

Die Tücher schwingende Tänzerin

«No other name but the name of Jesus…» so begann die Band mit ihrem ersten Song. Zum Mitsingen gab es die Texte auf der Leinwand. Die Menge klatschte aufgeregt mit, einige warfen die Hände in die Luft und wieder andere tanzten voller Freude. «… no other name is wonderful.» Nahtlos ging es zum zweiten Lied über, diesmal auf Deutsch. «Ich will dich loben…» sang die Band und wurde dabei von einer Tänzerin mit Tüchern und Fahnen begleitet. «Jesus du bist Sieger, du allein regierst» sang die Band, anscheinend so ergriffen, dass einige sogar die Augen schlossen. Zum Lied «Würdig besch nor du – Jesus» ging ein Mann, der eine Reihe vor mir stand, auf die Knie, erhob die Hände und wiegte sich andächtig.

Tränen für Jesus

Als die letzten Zeilen von «Mer erhebed dech oise König» verklungen waren, spielte die Band nur noch sanfte Hintergrundmusik und eine der Sängerinnen begann zu sprechen. Sie sagte, wir sollen uns Gott übergeben, und dass wir jetzt hier seien, wäre ein sichtbarer Act gegenüber Gott. Ihre Stimme zitterte so sehr, als würde sie jeden Moment anfangen zu weinen, während sie davon sprach, wie viel Power in diesem Raum gerade fliessen würde. Alle die Lust hatten durften dann ihre Macht ans Kreuz bringen. Viele Menschen gingen dann zu einem Kreuz, dass rechts neben der Bühne an der Wand hing, erhoben die Hände und wiegten sich ergriffen. «Würdig besch nor du – Jesus» erklang erneut von der Band. Die Szene wirkte auf mich befremdlich: das mantraartige Wiederholen des Liedtextes, die Tänzerin mit ihrem weissen Tuch und die Menschen, die sich wiegten und teilweise schluchzten und weinten.

Das Ende des Anfangs

Das Lied «Ich gebe dir mein Herz und alles was ich bin» ging nahtlos ins nächste über «Mein ganzes Leben geb ich dir». Zwischendurch wurden immer wieder Nummern von Kindern, die ihre Eltern brauchten, auf einer kleinen Tafel über den Songtexten angezeigt. Manche Menschen hatten noch immer die Hände erhoben beim Singen, oder tanzten hin und her. Eine Frau zu meiner Linken kniete und presste die Stirn auf den Boden, die Hände ausgestreckt. «Ich lasse los und vertraue dir», das Lied wurde unterbrochen von einer Sängerin, die sagte, dass Christus in ihr lebe und er auch in uns allen leben solle. Mit «I surrender my whole life to you» endete nach gut 40 Minuten der konzertmässige Auftakt des Gottesdienstes und der Pastor betrat endlich die Bühne.

Applaus für Gott

Der Pastor zeigte ein Bild mit einem leeren Vertrag darauf, und eine Frau sprach zur Gemeinde. Gott würde uns auch ein leeres Blatt zu unterschreiben geben, wir müssten ihm jedoch vertrauen, denn er habe uns erschaffen und würde uns genau kennen. Alles müssten wir hergeben für Gott. Können wir so einen Vertrag ertragen? «Amen» erklang es da aus der Menge und einige klatschten. Die Frau sprach weiter, wir sollten uns für Gott hingeben und auch füreinander hingeben. Wir sollten nun die Augen schliessen und die Worte wirken lassen. Viele Menschen um mich herum taten wie ihnen geheissen wurde und schlossen die Augen. Die Frau auf der Bühne legte eine Hand auf ihr Herz und murmelte sichtbar ergriffen etwas vor sich hin. Als sie die Augen wieder aufschlug, dankte sie Jesus und forderte einen Applaus für Gott. Die Menschen klatschten und gingen vom Kreuz zurück auf ihre Plätze. Das war eine sehr schräge Erfahrung für mich, so bin ich doch bereits seit Kindestagen in vielen Gottesdiensten gewesen, doch noch nie hatte ich Gott applaudieren sollen.

Keine Zeit für Jesus

Nun stellte uns der Pastor einen jungen Mann vor, der uns seine Geschichte erzählte. Vor etwa drei Monaten habe er angefangen, gegen sein Burnout anzukämpfen, und hätte Jesus gefragt, was denn los sei. Er sei zum Psychologen gegangen, hätte Therapien gemacht, aber sich immer noch gefragt wo Jesus sei. Er hätte wie durch ein Feuer laufen müssen, doch alleine konnte er es nicht. Dann hätte Jesus ihn auf den Arm genommen und durchs Feuer getragen. Vor dem Burnout hätte er so viel zu tun gehabt, dass er Jesus keine Zeit mehr gewidmet habe. Jetzt wisse er wieder, dass er sich auf Jesus fokussieren müsse. Ohne ihn gäbe es zu viele Sorgen und Ängste.

Die Jesus-Erscheinung

Er sei Musiker und hätte gerade ein Lied aufgenommen, als das passierte, doch Jesus sagte ihm, er solle weitermachen. Seit seiner Kindheit hatte er grosse Angst vor Wasser, doch im Musikvideo sollte er sich ins Wasser fallen lassen. Dank Jesus konnte er das und als er unter Wasser war und nach oben blickte, habe er Jesus gesehen und Frieden erlebt. Das Publikum klatschte und rief begeistert, als es diese unglaubliche Geschichte hörte. Der junge Mann erzählte weiter, dass er das Lied veröffentlicht hatte, und genau dann habe sein Therapeut ihm gesagt, er sei nun geheilt. Dankbarkeit gegenüber Gott sei der Schlüssel für alles. Wir müssten uns alle auf Jesus fokussieren und von ihm führen lassen. Von ihm würde alles kommen was wir brauchten. Nach dem «Amen» folgte grosse Zustimmung von der Gemeinde.

Livemusik für Jesus

Nun trat der Pastor wieder auf die Bühne und forderte die Menge auf, sich zu erheben für die «Proklamation». Um mich herum begannen alle mit «Jesus du besch alles…» und endeten mit «Halleluja». Danach sang der junge Mann von vorhin eines seiner Lieder auf Spanisch, in dem es darum ging, dass die Liebe von Jesus niemals enden würde. Er hatte eine schöne helle Stimme, doch leider war das Musikvideo auf dem Bildschirm nicht ganz synchron mit der Livemusik.

Ein Prophet in der Psychiatrie

Ein anderer Pastor trat nun auf: Es handelte sich um Matthias Truttmann, den Leitenden Pastor der Momentum Church. Truttmann hielt nun eine Predigt aus seiner Predigtserie zu Hesekiel. Hesekiel sei nämlich ein grosser Prophet und kurioser Typ gewesen. Als junger Mann sei er in die Verbannung nach Babylon gegangen und hätte dort in der Fremde Gottes Gegenwart vernommen. Dort hätte er die Chance gehabt, die Herzen der Babylonier mit Gottes Botschaft zu erreichen. Das hätte nur leider nicht funktioniert, da ihre Herzen verhärtet gewesen seien. Hesekiel sei dann als Strassenprediger aufgetreten. Heutzutage in Aarau wäre Hesekiel damit wahrscheinlich in der psychiatrischen Klinik in Königsfelden gelandet. Aber Gott wolle auch heute die Herzen der Menschen erreichen, damit sie Gott wieder repräsentieren würden.

Der Feind

Wir alle müssten gemäss Hesekiel 33, 7-9 das Evangelium zu den Menschen bringen, oder wir würden uns selbst schuldig machen. Hesekiel selbst sei ein Wächter für sein Volk gewesen. Der Feind würde nämlich die Menschen hassen, weil sie das Ebenbild Gottes seien. Um Gottes Platz einnehmen zu können, würde der Feind danach gieren, die Menschen zu vernichten. Doch jeder Mensch könne ein Kind Gottes sein, wenn er mit Jesus verbunden wäre, dann seien wir wahrlich ein Volk von Priestern und Wächtern wie Hesekiel. Diese Aufrufe zum Missionieren kannte ich bereits von anderen Gemeinden, trotzdem sind sie für mich immer etwas schräg.

Die Festungen des Feindes

2. Korinther 10, 4-5: «Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. Absichten zerstören wir und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alles Denken in den Gehorsam gegen Christus.» So eine Festung könne Gutes schützen aber auch Angst oder Scham. Wie Paulus seien wir in der Lage, mit Hilfe des Heiligen Geistes Festungen des Feindes niederzureissen. Erst wenn wir den menschlichen Hochmut vernichtet hätten, würden wir sehen, was dahinter ist. Das sei nicht immer einfach, die Festungen könnten getarnt sein wie Schweizer Bunker, die als Ställe gestaltet sind. Durch Hesekiel würden wir sehen, wo Festungen im Herzen seien, um diese niederzureissen, und auch in einem Sturm Jesus repräsentieren zu können.

Matthias Truttmann sprach immer wieder vom «Feind», ohne genauer zu sagen, was gemeint war. Anscheinend spielt wohl Satan eine doch sehr präsente Rolle in der Verkündigung der Momentum Church.

Beerdigungen – ein Ort, um Kinder zu missionieren?

Der Heilige Geist sei eine mächtige Waffe. Auch wenn Menschen unsere frohe Nachricht ablehnen, das Evangelium ablehnen, würde doch der Heilige Geist in ihnen wirken und sie die Wahrheit sehen lassen. Es sei unsere eigentliche Aufgabe, auf dieser Welt den Menschen das Evangelium zu bringen, damit sie Jesus kennenlernen könnten. Truttmann erzählte, dass er erst vor kurzem eine junge Mutter hatte beerdigen müssen, und ein Grossteil der Schulklassen ihrer Kinder seien bei der Feier gewesen. Das sei genau der richtige Moment gewesen, all diese Kinder zu erreichen und ihnen Jesus Botschaft näher zu bringen. Dies schien mir ein Missbrauch der Situation und respektlos gegenüber den Hinterbliebenen zu sein? Und wie konnte er es wagen, einfach Kinder zu missionieren, die ja wohl ohne ihre Eltern dagewesen waren? Das ist für mich ein massiver Eingriff ins elterliche Recht auf religiöse Erziehung. 
Zum Abschluss der Predigt las Truttmann einige Bibelstellen vor, in denen es darum ging, was die Menschen füreinander tun sollten. Wir sollten nur zuhören und Gottes Worte wirken lassen.

Traum oder Vision

«God I look to you» spielte nun die Band ,und die Menschen wiegten sich hin und her. «Halleluja our God reigns» sangen die Menschen ergriffen, während die Tänzerin mit einem violetten Tuch über die Bühne hüpfte. Danach bedankte sich der Pastor bei allen Mitwirkenden und beim Heiligen Geist. Die Sängerin, die bereits einmal gesprochen hatte, klang erneu, als würde sie gleich weinen, als sie von einem Traum erzählte. Sie hätte von einem Wachturm geträumt mit Gewittern um die Spitze und von einer Plattform mit vielen Menschen darauf. Dies wäre der Leib Christi gewesen und seine Kirche. Dann hätte sie eine dröhnende Stimme vernommen die fragte: «Seid ihr meine Anbeter?» All die Menschen auf der Plattform hätten «Ja» geschrien und zu jedem von ihnen kam ein goldener Stab. Es war die neue Kraft und die Gegenwart Gottes für all seine Anbeter. Darauf sei die Frau aufgewacht, habe aberimmer noch Gottes Gegenwart gespürt. Sie selbst und auch die Gemeinde schienen ergriffen und ihren Traum als Vision zu deuten. Ich selbst fand jedoch, dass sie dem viel zu viel Bedeutung zumassen. So weiss ich aus eigener Erfahrung, dass man Träume beeinflussen kann und manchmal nur das sieht, was man sehen will.

Ende

Nach letzten Ankündigungen für ein Anbetungs-Treffen am Freitagabend, den sie «Ort der Hingabe» getauft hatten, war der Gottesdienst zu Ende. Die Gemeinde klatschte und ging nach draussen, um gemeinsam zu Mittag zu essen oder nach Hause zu gehen. Letzteres tat ich dann auch und machte mich durch den Kinder-Check-In auf den Weg zum Bahnhof.

Jasmin Schneider, 15. September 2023