Reiyuukai

Reiyuukai, zu deutsch die Gesellschaft der Freunde der Geister, ist eine neue religiöse Bewegung Japans, welche von Herrn Kakutaro Kubo (1882-1944) und Frau Kimi Kotani (1901-1971) gegründet wurde und auf dem Nichiren-Buddhismus basiert.

Kakutaro Kubo wurde im Januar 1982 in Kominato, Japan, als Kakutaro Matsutaka in eine Fischerfamilie geboren. Nachdem er mit 12 Jahren verwaiste, ging er mit 13 nach Tokyo. Dort machte er eine Ausbildung und wurde schliesslich zu einem Architekten, der sich um die Bauverträge des kaiserlichen Hofs kümmerte. Als solcher fiel er 1914 einem angesehenen Mann auf, welcher ihn mit seiner Ehefrau zusammenbrachte, von welcher er den Namen Kubo annahm. Diese beiden waren Anhänger des Nichiren-Buddhismus und liessen Kakutaro darin ausbilden. Obwohl er sich für den politischen Anteil nicht interessierte, faszinierten ihn doch die spirituellen Werte, insbesondere die Loyalität und der Respekt gegenüber den Eltern.

1919 traf er auf die Schriften Mugaku Nishidas, welche ihn stark beeinflussten. Nishida propagierte die Ahnenverehrung, welche eher typisch japanisch, shintoistisch und synkretistisch ist. Kubo übernahm Nishidas spezielle Methoden dafür, welche verlangten, dass jeder Mensch die Ahnenverehrung selbständig durchführt. Zum Beispiel sollte man selbst das Lotos-Sutra singen, anstatt einen Priester dafür zu bezahlen. Ausserdem sollte ein Todesregister der Familie zu Hause aufbewahrt werden und die Namen, welche man den Familienmitgliedern nach dem Tod gab – eine buddhistische Tradition – sollten nicht nur an die nächsten Verwandten, sondern an jeden in der Familie gehen. Auch dies sollte selbständig durchgeführt werden anstatt wie üblich von einem Priester.

Kubos Schwiegermutter soll einen zwanghaften Drang zur Sauberkeit gehabt und an Nervosität gelitten haben. Ausserdem soll sie nachts von einem Geist besessen worden sein. In diesem Zusammenhang traf Kubo in den frühen 1920ern auf Frau Chise Wakatsuki, ein Medium, welches die Schwiegermutter heilen konnte. Gemeinsam gründeten Wakatsuki und Kubo die Gemeinschaft Rei no Tomo Kai, was in etwa dasselbe bedeutet wie Reiyuukai und auch dessen Vor- läufer war. Allerdings ging Rei no Tomo Kai nach kurzer Zeit wieder ein und die Wege von Wakatsuki und Kubo trennten sich. Durch Wakatsukis Erfolg bei der Heilung seiner Schwiegermutter beeinflusst, über- redete Kubo die Ehefrau seines älteren Bruders Yasukichi Kotani, Kimi Kotani, durch strenge asketische Praktiken selbst zum Medium zu werden.

Kimi Kotani wurde 1901 in Miura, Japan, geboren. Sie wuchs in einer armen Bauernfamilie auf und musste schon früh arbeiten gehen. Mit 11 Jahren musste sie die Schule abbrechen, um sich bei ihrer Tante als Hausmädchen anstellen zu lassen. Mit 17 ging sie nach Tokyo und arbeitete dort als Kellnerin. Als sie 24 Jahre alt war, vermählte sie sich mit Yasukichi Kotani, welcher 21 Jahre älter war als sie.

Yasukichi wurde bald darauf schwer krank. Ein Versuch, ihn zu heilen, soll je nach Quelle auch der Grund gewesen sein, dass Kimi die Mühe auf sich nahm, Medium zu werden. Sie führte offenbar über einen Monat lang täglich Riten durch, wofür sie draussen in der Kälte stand, kaltes Wasser über sich goss und ihren Mann massierte, während sie wiederholt “Na-Mu Myo-Ho-Ren-Ge-Kyo” aufsagte. Tatsächlich sollen seine Schmerzen verschwunden sein, doch waren die beiden mittlerweile komplett verarmt. Nichts desto trotz wurde Kimi durch dieses Erlebnis leidenschaftliche Gläubige und gründete mit Kakutaro Kubo zusammen Reiyuukai, nachdem, je nach Quelle, ihr Ehemann doch noch verstarb. Nach anderen Quellen starb er aber erst in den folgenden Jahren.

Im Jahr 1928 wurde damit begonnen, den Textkanon der Gemeinschaft zu bilden. So wurde im Jahr 1930 das Werk Aoi Kyokan, das blaue Buch, herausgegeben. Es handelt sich um eine gekürzte Zusammenfassung des Lotos-Sutras.

Im selben Jahr erfolgte die offizielle Gründung der Gemeinschaft. Von da an galt Kubo als Vorsitzender, während Kotani die Ehrenpräsidentschaft antrat. Der offizielle Präsident war ein Freiherr namens Taketoshi Nagayama, allerdings nur nominell. Seine Position verhalf der Gemeinschaft zu Respekt und Schutz vor polizeilichen Eingriffen.

1944 verstarb Kubo und Kotani übernahm die alleinige Leitung von Reiyuukai. Kotani pflegte von Anfang an einen missionarischen Stil und führte in dieser Weise auch ihre Organisation, indem sie ins Ausland ging, um Ableger zu gründen.

In der Nachkriegszeit ist es zu zahlreichen Abspaltungen gekommen, darunter auch bekannte Neue Religionen wie Rissho Kosekai, was ebenfalls mit Kotanis Führungsstil zu tun gehabt haben soll. Beispielsweise soll sie Untergebene rigoros zurechtgewiesen haben, und Meinungsverschiedenheiten habe sie nicht geduldet.

Nach ihrem Tod 1971 übernahm Kubos Sohn, Tsugunari, die Leitung. Er führte die Missionsarbeiten weiter und fokussierte sich dabei besonders auf Amerika.

Wie bereits angedeutet ist für die Mitglieder von Reiyuukai die Ahnenverehrung besonders wichtig. Sie glauben, dass Karma nicht nur wie üblich durch frühere Leben und eigenes Handeln beeinflusst wird, son- dern auch von den Eltern vererbt wird. Deswegen ist es nötig, Rituale für sie durchzuführen, so dass auch ihr Karma bereinigt und sie zufrieden gestellt werden, damit kein schlechtes Karma auf einen selbst zurückfällt.

Reiyuukai setzt sich zum Ziel, zum Weltfrieden beizutragen, indem die Mitglieder sich auf ihre persönliche Entwicklung konzentrieren. Im Alltag leben sie ihren Glauben durch tägliche Rezitationen des Aoi Kyokan, durch Senzo-kuyo, die bereits angesprochenen Rituale zur Ahnenverehrung, und durch Michibiki, was das Überzeugen anderer meint. Reiyuukai verlangt nicht, dass die Mitglieder ihren vorherigen Glauben ablegen, da er mit Reiyuukai kombiniert werden könne. Allerdings sind die Gründer Gegenstand der Verehrung geworden.

Bedeutend für Reiyuukai ist ausserdem ihre Praxis der Taiken. Dabei legt ein Mitglied Zeugnis darüber ab, wie Reiyuukai ihm geholfen habe, einen gemachten Fehler zu bemerken und korrigieren, was wiederum sein Leben verbessert habe. Oft sind das Geschichten der Heilung von Krankheiten. Idealerweise werden Taiken in der Gruppe während einem Treffen durchgeführt, dass mindestens einmal im Monat besucht werden soll. Diese Zeugnisse dienen dazu, den Neulingen die Normen und Werte der Gemeinschaft näher zu bringen. Ausserdem werden die Taiken-Ablegenden in ihrem Glauben bestärkt, einerseits durch das Erzählen, andererseits weil man dafür gelobt wird, z.B. indem nach einem Taiken geklatscht wird.

Die Erzählung des Taiken ist oft in sieben Schritte aufgeteilt. Der erste Schritt beschreibt einen engen Kon- takt mit einer Führungsperson, das kann ein anderes Mitglied sein, in Zeiten einer persönlichen Krise, und die Entscheidung des Bezeugenden, sich von dieser Person helfen zu lassen. Dabei muss das Mitglied, oder in manchen Fällen zu jenem Zeitpunkt vielleicht noch nicht Mitglied, diese Person als Autorität anerkennen.

Beim zweiten Schritt verbringt das Mitglied viel Zeit mit dieser Führungsperson, wodurch unter Umständen auch ein verminderter Kontakt mit Aussenstehenden einhergeht, da dafür weniger Zeit bleibt.

Als drittes akzeptiert das Mitglied, dass es aufgrund der Karmavererbung für das Karma und somit das Schicksal der eigenen Kinder verantwortlich ist.

Im vierten Schritt nimmt das Mitglied die Schuld an der Krise an, sei das Armut, Krankheit oder Eheprobleme, da sie aus einem Fehler des Mitglieds selbst entstanden sei. Dabei wird auch eine Schuld gegenüber Reiyuukai oder dem jeweiligen Mitglied in der Führungsrolle anerkannt, dafür, dass das Mitglied von der Führungsperson auf den Fehler aufmerksam gemacht wurde.

Als Fünftes folgt Reue und Entschuldigung in Form von öffentlicher Selbsterniedrigung und Unterordnung in der Gruppe.

Schritt Nummer sechs meint das Beenden von Handlungen, die nicht mit den Normen und Werten der Gruppe übereinstimmen.

Als siebter und letzter Schritt nimmt das Mitglied eine Führungsrolle an, wodurch das Taiken immer und im- mer wieder erzählt und dafür wiederum Anerkennung geerntet wird.

Derzeit ist Masaharu Sueyoshi der fünfte Präsident von Reiyuukai. Er übernahm diese Aufgabe am 8. April 2013.

Reiyuukai hat heute über fünf Millionen Anhänger, unterhält Wohltätigkeitsorganisationen, hat vor allem auch im Zusammenhang mit dem Roten Kreuz gearbeitet und führt eigene Schulen.

In Europa gibt es zwei Ableger: In Frankreich (Nantes) und in Italien (Milano). Ausserdem ist Reiyuukai Frankreich seit 1997 Mitglied der European Buddhist Union (EBU).

Reiyuukai Amerika verlangt einen jährlichen Mitgliederbeitrag von $30, bei Reiyuukai Frankreich sind es €6.50 pro Monat, Spenden werden aber nicht akzeptiert; es lässt sich vermuten, dass wahrscheinlich auch andere Abteilungen sich auf diese Weise finanzieren.

Reiyuukai hat in den 1970er-Jahren ausgesprochen konservative Ansichten vertreten. Die Rollenteilung nach Geschlechtern war ausgeprägt. Frauen mussten sich den Männern unterordnen und sich um den Haushalt und die Kindererziehung kümmern, während Männer arbeiten gehen und Geld verdienen sollten. Ging eine verheiratete Frau arbeiten, verschlechterte sie damit das Karma der ganzen Familie und es wurde ihr davon abgeraten, obschon in Japan zu der Zeit viele Familien finanziell davon abhängig waren.

Das Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau wurde spirituell begründet. Frauen seien befleckt durch ihre Sexualität, Menstruation, das Gebären, das Versorgen der Kinder und durch den Schmutz, der bei der Hausarbeit vorkommt, während Männer im Gegensatz dazu rein und sauber seien. Hinzu komme, dass Frauen durch die Aufgaben, die sie aufgrund ihres Geschlechts auszuführen hätten, schlechtes Karma anhäuften. Interessanterweise wurden Frauen aber grössere spirituelle Fähigkeiten angerechnet.

Allerdings wurden solche konservativen Sichtweisen damals von der Gesellschaft im Allgemeinen vertreten, und können somit Reiyuukai im Einzelnen wohl kaum vorgehalten werden.

Leider lassen sich keine aktuelleren Quellen zu diesem Thema finden, daher lässt sich von aussen nicht beurteilen, ob sich an diesen Positionen bis heute etwas geändert hat.

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