Mein Training bei Hannes «Ayura» Scholl – Warum ‚es‘ auch Ihnen passieren könnte

Anmerkung: Hannes Scholl hat seinen Namen geändert. Er nennt sich jetzt Marc Steinberg und ist im Internet unter http://www.mscoaching.com/ zu finden.

Ein weiser Mann sagte einmal:
«Das Recht der Menschen auf Stille, auf saubere Luft und reines Wasser, auf Wiesen und Wälder und auf nicht verunreinigte Lebensmittel gehört in die Verfassung aller Staaten»

Würde man noch den Tierschutz hinzufügen, und würden alle Länder ihre Verfassungen entsprechend ändern, fehlten den Sekten und Kulten ganz entscheidende Argumente.

Es gibt keine verfassungsmässige Pflicht zum Vernünftigsein. Bedauerlicherweise erfährt das Thema Sekten nicht die nötige Aufmerksamkeit in den Medien. Sie entschliessen sich immer dann zur Berichterstattung, wenn sie Sensationen und Bilder zeigen können. So geschieht es, dass die falschen Horrorvorstellungen Menschen denkbar schlecht auf eine Sekte vorbereiten, die dann mit positiven Zügen überrascht und ihre schutzlosen Opfer vereinnahmt.

Ich möchte deshalb erzählen, was Sie erwartet, wenn Sie sich einer Sekte, einem Kult oder auch irgendwelchen esoterischen Abenteuern hingeben.

Am Anfang einer Sektenbindung steht immer Begeisterung, niemals Zwang. Auf liebenswürdige Weise erwecken die Anhänger den Eindruck, Patentlösungen für alle Probleme, Sorgen und Ängste zu haben und es wird der Weg zur Mitgliedschaft vorbereitet. Keine Sekte, kein Kult und auch kein esoterischer Betrüger sagt Ihnen, dass Sie auf einen Weg in die Abhängigkeit gelockt werden, wo Sie

  • radikale Persönlichkeitsveränderungen
  • Unselbständigkeit und Kommunikationsschwierigkeiten
  • Ausstieg aus Beruf und Ausbildung
  • Auflösung von Ehe und Partnerschaft
  • Zerstörung familiärer Bindungen
  • finanzielle Schäden bis hin zur totalen Überschuldung
  • Beeinträchtigungen im psychosozialen Bereich

und vieles mehr erwarten. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin der Meinung, dass jeder denken und glauben darf, was er will, und dass sich auch jeder zu seiner Religion öffentlich bekennen darf. Es ist aber meine Überzeugung, dass es keine Religionsausübung geben darf, die Würde und Wohl Dritter verletzt und dass der Staat handeln muss, wenn es zu solchen Grundrechtsverletzungen kommt.

Religionsfreiheit muss da aufhören, wo die Freiheit auf dem Spiel steht, denn dann ist sie keine Privatsache mehr, dann haben Staat und Bürger die Pflicht, die Grundrechte der Opfer zu schützen, entschieden und ohne schlechtes Gewissen. Es ist für mich eine Horrorvorstellung, dass eine von einer Ideologie beeinflusste oder gleichgeschaltete Gesellschaft die grundgesetzliche Werteordnung und somit die darauf beruhenden rechtlichen und politischen Gewährleistungen einschränken oder beseitigen könnte.

Sie glauben, das ist nicht möglich? Ich will versuchen, Ihnen zu erklären, dass es auch für Sie die passende Sekte gibt.

Eigentlich waren wir eine ganz normale Familie. Drei Kinder, der älteste Sohn verheiratet, eine bezaubernde Schwiegertochter und zwei ebenso bezaubernde Enkelkinder. Und dann machte im Juli 1994 ein Mitglied dieser Familie einen Einkaufsbummel in Stuttgart und traf einen ehemaligen Schulfreund wieder, nach vielen Jahren.

Man beschloss, eine Tasse Kaffee zu trinken und ein bisschen zu plaudern. Eine Einladung zu einem Info-Abend schloss das Gespräch ab. Das Treffen fand am Montag statt und in den folgenden Tagen kamen tägliche Anrufe, die an diesen Info-Abend erinnerten, der auf Freitag terminiert war.

Mein Familienmitglied, nennen wir sie Maria, von Natur aus kein misstrauischer Mensch, dachte sich: Was soll schon passieren, ich schaue mir das mal an. Mit einer Freundin ging sie zu diesem Info-Abend und beide Frauen meldeten sich zum Training an.

Ich habe zwei Monate später einen solchen Info-Abend besucht und kann also aus eigener Erfahrung berichten, was da ablief. Er fand in einer Privatwohnung statt, überall Blumen und Kerzen. Kleine Sitzgruppen waren angeordnet, es gab Gebäck und alkoholfreie Getränke. Überall strahlende Menschen – freundlich, offen und, so schien es mir, sehr selbstbewusst. Eine junge Frau erzählte von Hannes Scholl und seiner ontologischen Gesellschaft in München, von einem Mann, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, anderen Menschen zu helfen. Von sehr grosser Liebe war die Rede, von Yoga und Meditation, von Erfolgen und wundervollen Erfahrungen.

Es waren ungefähr 30 Leute anwesend und, was ich erst viel später erfuhr, nur 5 davon waren Interessenten. Die anderen 25 Menschen waren alle bereits Mitglieder und offenbar nur gekommen, um uns zu überzeugen. Hatten wir eine Chance?

Maria hatte ihr Training schon eine Woche nach dem Info-Abend gemacht. Als ich sie wiedersah, war sie sehr verändert. Sie strahlte noch mehr, war noch hilfsbereiter, noch freundlicher, noch emotionaler, noch offener als vorher. Aber sie war auch perfekt geschult und es gelang ihr, die übrigen Mitglieder meiner Familie anzuwerben. Innerhalb weniger Wochen machten alle das Training und ich geriet schon fast in Zugzwang. Irgendwo war da auch ein kleines Misstrauen, ein paar Fragen, aber auf alle bekam ich Antworten.

Unser Guru Hannes Scholl war zu diesem Zeitpunkt völlig unbekannt. Wo keine negativen Aussagen sind, kann eigentlich auch nichts gefährliches sein, wurde mir suggeriert, und so liess ich mich auf das Training ein. Ausserdem wollte ich wissen, was in München lief.

Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es in meinem Universum keine Erkenntnisse über Sekten und Kulte gab. Aids und Drogen ja – aber Sekten?

Mein Training begann an einem Freitag um 17.00 Uhr. Zunächst wurden uns die Spielregeln erklärt, was wir tun durften und was nicht, wie das Training verlaufen würde usw. Natürlich gab es Fragen, und wir stellten sie auch. Aber es gab auch Antworten – logisch und ruhig wurde uns alles erklärt und irgendwann ging auch die Energie verloren, Fragen zu stellen. Gegen 1.00 Uhr wurden wir dann in unser Quartier entlassen.

Am Samstag morgen war Trainingsbeginn um 9.00 Uhr. Müde und hungrig, unsere Wirtin hatte nur Nüsse und grünen Tee im Haus und wohnte am anderen Ende der Stadt, sassen wir pünktlich im Stuhl.

Hannes Scholl erschien erstmals und sein Auftritt war perfekt inszeniert. Nach 15 Stunden reden, Übungen und ein paar Kaffeepausen wurden wir mit der Massgabe entlassen, bis zum Trainingsbeginn am Sonntag morgen um 8.00 Uhr kein Wort zu reden, nur in absoluten Notfällen.

Auch der Sonntag lief ähnlich ab und irgendwann in dieser Zeit verlor ich meine Identität. Niemand war skeptischer als ich, niemand schaute genauer hin und stellte mehr Fragen, und trotzdem – sie wenden Techniken an, denen auch ich mich nicht entziehen konnte.

Am Montag kehrte ich wieder in den Alltag zurück. Ständig hatte ich ein Grinsen im Gesicht, schwebte auf Wolken, war völlig euphorisch. Zu den vier Workshops, die dem Training jeweils Dienstags folgten, fuhr ich 250 km nach München, nur um dabei zu sein. Es war wie ein Sog. Die Gruppe war eine eingeschworene Gemeinschaft, jeder liebte jeden und alle waren glücklich.

Schon am ersten Trainingstag waren wir aufgefordert worden, uns mindestens drei Menschen mitzuteilen und sie zu Info-Abenden einzuladen. Diese Aufforderung wurde mit Nachdruck wiederholt. Wie wir Menschen dazu bringen sollten, ein Training zu machen, wurde uns an Hand eines Trainingsjournals eingeübt.

Es wurde erwartet, dass wir Trainings assistieren und weiterführende Trainings machen, natürlich gegen Bares, und Info-Abende «unterstützen». Da Scholl expandieren wollte, fanden die Info-Abende überall in Deutschland statt und es gab sogar welche in Wien. Auch die Fahrten dorthin, eventuelle Übernachtungen und Verpflegung auf eigene Kosten, versteht sich. Das wurde erwartet. Um den Anforderungen gerecht zu werden, wäre der Einsatz für Scholl ein Full-Time-Job gewesen.

Zwischendrin wurden wir dann noch zum Spenden aufgefordert, da fand sich immer ein Grund, z.B. für den geplanten Einweihungstempel, für die Renovierung einer Aussenstelle, für einen scholleigenen Kindergarten, für ein spirituelles Geschenk für den Meister usw. Da ich diesen Einsatz nicht bringen konnte und auch nicht wollte, wurde ich immer wieder darauf angesprochen und die Mitarbeiter, Assistenten und Teilnehmer versuchten, mich zu überreden.

Und dann war da noch eine Frage, die ich mir stellte: Woher sollte ich die Zeit nehmen, um all dieses Geld zu verdienen, das ich als folgsame und willige Anhängerin benötigte?

Es dauerte Wochen, bis es mir gelang, mich selbst wieder aus diesem Sumpf herauszuziehen. Dass mir das gelang, habe ich dem mahnenden Zeigefinger meines Mannes zu verdanken und den negativen Veränderungen, die ich bei meinen Kindern beobachtete.

Endlich versuchte ich auch, Informationen über Hannes Scholl zu bekommen. Niemand kannte Scholl und niemand war imstande, mir auf Grund meiner Schilderungen klar zu machen, dass wir in eine Sekte geraten sein könnten. So kaufte ich mir Bücher, verschlang jede kleinste Information, Ich schickte Bücher, Kassetten und Dokumente von Scholl an einen Experten, um endlich eine Beurteilung zu bekommen und die Bestätigung, dass ich richtig handelte, wenn ich mich gegen Scholl wandte.

In Sekten und Kulten werden die Menschen missbraucht, sie bluten emotional aus, werden zu leeren Hüllen. An jedem Tag passieren Verletzungen, mit denen die Anhänger einmal leben müssen.

Wenn der Autorität eines Menschen Magie zugrunde liegt, wie das bei Scholl der Fall war, dann sind die Betroffenen, wie hoch ihr Bildungsstand auch sein mag, auf den möglicherweise ältesten Trick autoritärer Gedankenkontrolle hereingefallen. Deshalb können auch Menschen, die hochintelligent sind, in die Situation kommen, so ziemlich alles zu glauben, zu tun oder zu rechtfertigen.

Nach 1 ½ Jahren gelang es mir mit Hilfe eines Ausstiegsberaters, meine Kinder aus diesem Kult zu lösen. Für alle gab es danach nichts wichtigeres auf der Welt, als so viele Menschen wie möglich ebenfalls «herauszuholen». Wir haben sie ein Stück begleitet, ihre Ängste geteilt, ihnen geholfen in schwierigen Situationen und hoffentlich dazu beigetragen, sie wieder zu lebensfrohen Menschen zu machen. Um jeden Einzelnen, den wir zurücklassen mussten, weinen wir noch heute.

In dieser Zeit habe ich erfahren, wie Menschen die man liebt zu Fremden werden können, sie einem entgleiten, zu leeren Hüllen werden. Während Ihrer Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe passieren an jedem Tag Verletzungen, mit denen sie später einmal leben müssen.

Wenn man einen Menschen so verliert, ist es ein bisschen wie sterben. Man sieht die radikalen Veränderungen und kann nichts tun, kann ihn nicht davon abhalten.

Auch vom Staat und von unserem Rechtssystem kann man keine Hilfe in dieser Situation erwarten. Unser Staat, der im Extremfall sogar Ladendiebe mit Gefängnis bestraft, lässt die Führer solcher Gruppen schalten und walten, er ist machtlos oder unterschätzt die Gefahr.

Ich stelle nicht in Abrede, dass mystische Erfahrungen eine Form menschlicher Erlebnisweite sein können. Ich stelle aber die Frage, ob es notwendig ist, dass ein Mensch zu mystischem Erleben gedrängt wird, und das unabhängig von seiner geistig-seelischen Reife und Entwicklung. Die Folgen sind nicht abzusehen, wenn die Abwehr des ICH gebrochen wird.

Richtig, geht! Er muss gehen, nichts und niemand kann ihm diese Entscheidung abnehmen und keine Gewalt.

Nach monatelangen Interventionen, Einbindung von Familie und Freundeskreis, und mit Unterstützung unseres Ausstiegsberaters kam Ende Januar der erlösende Anruf: «Ich bin am zusammenpacken, kann ich kommen?»

«Willkommen im Leben», antwortete ich. Aber da war die Warnung meines Beraters und er behielt recht, es war noch lange nicht überstanden.

C. wog noch 48 kg, sie war so zart, so zerbrechlich, so verletzt. Sie zweifelte an ihrem Verstand, hatte Angst, verrückt zu sein. Sie war nicht fähig, an ihre Gefühle zu kommen – keine Träne, keine Regung.

Gemeinsam sahen wir uns die tragischsten Liebesfilme und die dümmsten Komödien an, sie lernte wieder zu weinen und zu lachen. Sie schlief sehr viel, versteckte sich. Menschenansammlungen ertrug sie nicht. Es kam die Wut auf den Guru, die Angst vor ihm, vor seinen übersinnlichen Fähigkeiten, seiner Magie.

Ich habe sehr viel gewusst und konnte auch einiges tun, aber hätte ich meinen Ausstiegsberater nicht gehabt… Ich denke ich verdanke ihm die psychische Freiheit meiner Kinder – vielleicht sogar das Leben von C.

Und? Glauben Sie immer noch, dass Ihnen d a s nicht passieren kann?

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