Besuch eines Gottesdienstes im Gospel Center Brugg

Jasmin Schneider, 2015

Als aktive Katholikin und ehemalige Ministrantin komme ich mir etwas seltsam vor, als ich sonntags im Industrieviertel in Brugg zum Gospel Center gehe, handelt es sich doch um eine ungewöhnliche Lage für eine Kirche. Beim Betreten des Gebäudes gelange ich gleich in die Cafeteria, wo sich etwa 150 Leute bei Kaffee und Gipfeli unterhalten. Alle sind sehr freundlich, man wird begrüsst und herzlich willkommen geheissen.

Dann ist es gleich 10 Uhr und der Countdown beginnt, die Leute begeben sich auf ihre Plätze im riesigen Saal. Die Band fängt an zu spielen: „Die gliichi Chraft, wo dech vom Tod erweckt het.“ Die Menge klatscht und singt inbrünstig mit, die Liedtexte sind auf zwei grossen Bildschirmen zu sehen. Darauf werden die Mitglieder herzlich zum Skitag der Gemeinde eingeladen, und schon beginnt der nächste Song: „Deine Liebe erfüllt mein Herz mit Dankbarkeit, mit allem was ich bin, will ich dich loben, mit meiner Stimme ruf ich aus: Du bist treu!“ Ich erwarte, dass nun jemand nach vorne tritt und etwas sagt, wie ich es aus der katholischen Kirche gewohnt bin, doch es folgen noch fünf weitere Lieder. Die Menge singt und streckt die Hände in die Höhe: „Jesus be the center of my life, from the beginning to the end, it will always be you Jesus.“ – „Ich lieb dich Herr, keiner ist wie du, anbetend neigt mein Herz dir zu“. Zwischen den Liedern spricht die Sängerin kurze Gebete, die Menschen strecken ihr die Hände zu: „Halleluja!“

Nachdem die letzten Töne der Band verstummt sind, gehen die Kinder hinaus zu ihren eigenen altersgerechten Gottesdiensten. Nun tritt die Predigerin auf die Bühne und erklärt uns, dass das heutige Thema „Gerechtigkeit“ ist. Sie betont, dass alles, was Gott gesagt hat – also alles, was in der Bibel steht – wahr ist und das der Teufel will, dass wir uns schuldig und unwürdig fühlen. Darum sollen die Menschen alles hinter sich lassen und mit Gott in eine andere Richtung gehen, dann kann man Wunder erleben. Dazu zitiert sie viele Bibelstellen aus verschiedenen Übersetzungen, was mich etwas schwierig dünkt, denn die Zitate sind komplett aus dem Zusammenhang gerissen.

Während die Pastorin predigt, machen sich einige Leute Notizen, strecken die Hände nach oben und bejahen, was gesagt wird. „Gott hat alles geschaffen, wir sind seine Kinder“, darauf antworten die Leute mit „Amen!“. um ihre Zustimmung auszudrücken. Die Predigerin will, dass jeder durch Jesus mit Gott Frieden schliesst. Dann beginnt sie, die Geschichte von Jesu Geburt nach Lukas zu erzählen. Einige schlagen diese Stelle in der Bibel nach, und immer wieder wandern Hände nach oben. Die Predigerin hebt hervor, dass jeder inneren Frieden empfangen könne, jedoch nur durch Jesus, dann sei man errettet, das würde Gott Gerechtigkeit nenne. Obwohl ich mich bemühe, genau hinzuhören, wird mir nicht ganz klar, was das genau mit Gerechtigkeit zu tun hat. Es werden dann fünf Bibelstellen dazu genannt, deren Zusammenhang mit dem Thema mir nicht immer logisch erscheint. Den Menschen im Saal aber gefällt es, und sie bejahen, was die Predigerin sagt.

Nun geht es weiter mit einem Thema, das man in einem katholischen Gottesdienst heutzutage kaum mehr antrifft: dem Teufel. „Alles Böse kommt vom Teufel und nur mit Jesus können wir uns aus dem Übel befreien.“ – „Satan ist der Gott dieser Welt.“ Die Predigerin sagt, dass diejenigen, die an Gott glauben, in einer anderen Welt sind. Diese Aussagen scheinen mir eher radikal. Nach einem kurzen Gebet erzählt die Predigerin von ihrer Kindheit, und dass sie schon damals wusste, dass sie ein Königskind ist. Sie betont, dass Gott auch die Anwesenden wie ein Königskind behandelt, sie müssen es sich aber abholen. Danach spricht sie über zwei Wege, die ein Mensch in seinem Leben einschlagen kann. Der schmale Weg führt in den Himmel und ist frei von Sünde, doch nur wenige beschreiten ihn. Der breite Weg führt in die ewige Verdammnis, den die meisten Menschen beschreiten würden, alle, die nicht Jesus, sondern Buddha, Muhammad usw. folgen. Alle diese anderen Religionen seien vom Teufel in die Welt gebracht worden, und dieser versuche, uns den wahren Glauben zu stehlen, damit wir kraftlos sind! Dies scheint mir eine ziemlich radikale Verkündigung zu sein, die mich als Aussenstehende stutzig macht.

Laut der Predigerin ist die beste Waffe gegen den Teufel die Wahrheit der Bibel. Die eigenen Erfahrungen und Meinungen dürfen nicht über das Wort Gottes gestellt werden. Die Predigerin zitiert aus Johannes 8, 43f. und sagt damit, dass die Juden nicht auf Jesus gehört haben, weil sie den Teufel zum Vater hätten. Meiner Meinung nach wäre im Umgang mit solchen Bibelstellen nach den schrecklichen Geschehnissen in der jüdisch-christlichen Geschichte mehr Vorsicht angebracht. Aber die Menschen im Saal scheint das nicht zu stören.

Nach einigen weiteren Bibelzitaten kommt die Band wieder auf die Bühne und die Menschen singen wieder voller Begeisterung mit: „Keiner liebt mich so wie du, du gehst vor mir her, deine Herrlichkeit ist hier.“ Danach fordert die Predigerin alle auf, die Augen zu schliessen. Diejenigen, die mit Gott gehen wollten, sollen die Hand heben. Nur wenige tun dies, die anderen gehen ja schon mit Gott. Anschliessend kann man die Hand heben, wenn man den Heiligen Geist empfangen will, worauf für einen gebetet wird, doch auch dafür heben sich nur wenige Hände.

Dann kommt ein Mann auf die Bühne und stellt das Opfer vor, wobei er betont, dass Gott alle Menschen liebt, auch diejenigen, die in die Hölle kommen. Gottes Liebe ist auch nicht davon abhängig, ob man nun gibt oder nicht. Mit einer Spende hilft man mit, Gottes Reich zu errichten. Also sollte man spenden, um Gott noch mehr zu gefallen. Die Spendenkörbe stehen bei der Bühne, doch nicht alle gehen nach vorne, um etwas zu spenden.

Kaum haben sich die Menschen wieder gesetzt, ertönt schon das „Halleluja“ der Sängerin, und die Gemeinde gibt noch einmal ihr Bestes: „Your love makes me sing, Lord, you make me sing, Halleluja!“ Die Predigerin geht nochmals auf die Bühne und sagt, dass wir nach Gottes Reich trachten und immer mit einem Gebet aufwachen sollen. Man soll mit Fremden ins Gespräch kommen, über Jesus reden, um die Menschheit zu erretten. Jeder neue Christ sei eine Huldigung an Gott. „Halleluja, your love makes me sing“, ertönt es noch einmal aus den Lautsprechern, und als schon alle langsam aufstehen wollen, kommt noch eine Aufforderung, für die Kranken zu beten. Einige gehen dann schnell nach Hause, während andere noch gemütlich zusammen sitzen und Kaffee trinken.

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