Erlebnisbericht vom Vater einer Scientologin

Aufgewachsen ist meine Tochter auf dem Lande in normal bürgerlichen Verhältnissen mit einigen Geschwistern. Besuch der Primar- und Sekundarschule. Anschliessend Lehre in einem Transportunternehmen als Betriebsassistentin. Nach der Lehre Aushilfen in verschiedenen Betrieben dieses Unternehmens. Zur Weiterbildung Sprachaufenthalt in einer Sprachschule in England.

Findet nach ihrer Rückkehr keine Arbeit im angestammten Betrieb, findet aber sogleich Arbeit im Büro einer grösseren Autovermietungsfirma auf dem Flughafen.

Nach einiger Zeit lässt sie sich ausbilden als Reisehostess in einem grösseren Reiseunternehmen.

Mit Freude erzählt sie uns Eltern – sie selbst ist inzwischen 25 Jahre alt geworden – dass sie ins Ausland fliegen werde für die Sommersaison.

In dieser Zeit ging Ihre Beziehung mit ihrem Freund zu Ende, ohne dass er einen Grund angab. Das hat sie enorm beschäftigt.

Auf dem Weg zur Arbeit wurde ihr ein Zettel in die Hand gedrückt für eine „kostenlose Persönlichkeitsanalyse mit IQ-Test“ und ein Gutschein, um einen Film anzuschauen im Scientology-Testcenter. Nach den ersten Kontakten entschloss sie sich, einen Reinigungskurs zu besuchen. In dieser Zeit kam sie oft erst morgens gegen drei bis fünf Uhr nach Hause.

Zehn bis vierzehn Tage vor ihrem Abflug ins Ausland erklärte sie uns, dass sie nicht ins Ausland gehe, trotz gültigem Arbeitsvertrag, und sie sagte uns auch, dass sie in Zukunft bei den Scientologen arbeite. Wir Eltern fielen aus allen Wolken. Auf unseren Einwand, sie habe doch einen Arbeitsvertrag, den sie erfüllen müsse, erklärte sie uns, die Scientologen würden für alle Kosten aufkommen, die aus dieser Ablösung entstünden.

Da in der Zeitung gerade etwas stand von einem Aufklärungsabend über Sekten, den eine Pfarrersfrau gehalten hatte, orientierten wir uns über die verschiedenen Sekten.

Wir unterhielten uns mit unserer Tochter über alle Folgen, aber sie war wie auf einem anderen Planeten. Sie war für uns wie verändert und nicht mehr voll ansprechbar.

Auf den Druck unsererseits entschloss sie sich dann, doch die Stelle im Ausland bei dem Reiseunternehmen anzutreten. Sie trat aber mit der Frage an uns heran, was wir danach dazu sagen würden.

Wir erklärten, sie sei im Grunde alt genug, um über ihr Leben zu entscheiden.

Für ihre Reise ins Ausland füllte sie einen Koffer mit Kassetten und Büchern der Dianetik, zum Beispiel den „Leitfaden für den menschlichen Verstand“ (wo ist dieser beschrieben).

Im Spätherbst kam sie zurück, war zwei bis drei Wochen daheim, dann ‘adieu und fort’ war sie nach Zürich, ins Scientology-Zentrum.

Es war für uns eine schreckliche Leidenszeit. Sie telefonierte mit Zürich immer, wenn sie irgendwelche Probleme mit ihrem Umfeld hatte. Auch nachts schrillte das Telefon des öfteren, manchmal gar um zwölf bis zwei Uhr morgens: Ein Scientologe fragte dann jeweils nach unserer Tochter, die gar nicht mehr bei uns wohnte. Wir mussten um fünf Uhr wieder aufstehen und diese Telefone brachten uns um den Schlaf. Dazu kam, dass unser Sohn in dieser Zeit durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen war. Wenn das Telefon spät nachts klingelte, hatten wir Angst, es sei wieder etwas schlimmes geschehen. Unsere Nerven lagen vielfach blank.

Mit meiner Drohung, das Telefon überwachen zu lassen, um die Anrufer eruieren zu können, nahm der Terror ein Ende.

Nach geraumer Zeit kam sie um die Mittagszeit nach Hause und sagte, sie müsse noch einiges erledigen. Auf die Frage, ob sie hier übernachte, kam die Antwort: „Nein, mein Zug fährt in einer Stunde in Zürich ab.“ „ja, wohin?“ war unsere Frage. „Nach Kopenhagen“ die Antwort.

Nach einem halben bis dreiviertel Jahr Stillschweigen, kein Briefkontakt und Telefon, erkundigten wir uns nach der Telefonnummer der Scientology-Organisation in Kopenhagen.

Auf unsere telefonische Anfrage in Kopenhagen lautete die Antwort, dass unsere Tochter schon lange in den USA (in Los Angeles) weile, und wir sollten sie vergessen, sie komme nie wieder zurück.

Wir haben dann die Adresse trotz allen Widrigkeiten erhalten, haben Kontakt aufgenommen und diesen telefonisch und brieflich aufrechterhalten.

Sie versprach, uns immer wieder zu besuchen, aber die Monate verstrichen, bis sie plötzlich anrief und sagte, sie sei bei ihrer Schwester in der Nordwestschweiz. Wir haben hinterher erfahren, dass sie zurückkam, um den Pass zu erneuern.

Die Mutter ging mit ihr neue Kleider und Schuhe kaufen, weil ihre Kleider teils zerrissen waren und die Schuhe Löcher hatten. Sie arbeitete dann in Zürich und Umgebung und wohnte bei einem Scientologen.

Eine wirkliche Auskunft über ihre Tätigkeit gab sie uns nicht. Als der Pass erneuert war, sagte sie uns, sie müsse noch etwas erledigen in Los Angeles.

Einige Monate nach ihrer Abreise lud sie uns in die USA ein zu ihrer Hochzeit, was aber zeitlich und finanziell nicht drin lag. Die Hochzeit war aber keine standesamtliche. Diese Bestätigung erhielt ich vom Zivilstandsamt.

Unsere Tochter hat immer wieder versucht, uns und ihre Geschwister zu überzeugen, dass sie das einzig richtige mache. Um mich in dieser Materie „Scientology“ besser orientieren zu können, besuchte ich einen Vortrag im Zentrum in Zürich, und ich habe auch die Bücher unserer Tochter durchgesehen.

In der Zwischenzeit hat unsere Tochter in Los Angeles zunächst im Büro gearbeitet, zwischendurch einmal in der Kantine – vermutlich zurückversetzt – und heute macht sie Übersetzungen.

Was früher bei ihr verpönt war, macht sie jetzt tagtäglich: arbeiten die ganze Woche, inklusive Samstag und Sonntag. Freizeit kennen die kaum, weil sie glauben, etwas Gutes zu tun, für diese verrückte Welt.

Den letzten Anruf erhielten wir von unserer Tochter im Frühjahr. Sie wollte, dass wir unsere Mitgliedschaft bei der SADK (Schweizerische Arbeitsgemeinschaft gegen destruktive Kulte) aufgeben, denn sie könne mit ihren Kursen nicht weitermachen, wenn wir Mitglied sind und sie wolle mit dieser Hass- und Hetzgruppe nichts mehr zu tun haben.

Aus einem Deal, dass wir aus der SADK austreten und sie dafür aus Scientology, wurde nichts. Seither kam keine Antwort auf unsere Postkarten und Briefe.

Das, was Scientology betreibt, ist Nötigung – was bei uns grundsätzlich von Amtes wegen strafbar wäre. Auch alle Machenschaften der Scientology in den zwischenmenschlichen Beziehungen sind eher kriminell und haben mit Religion überhaupt nichts zu tun.

Das Traurige an der ganzen Sache ist, dass viele Mitglieder Opfer und Täter dieses Systems zugleich sind.

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