Schöpfung nach dem Sündenfall? – Bericht zur Konferenz «Wohl Gemacht» in Kehrsatz

Am 20. Oktober durfte ich den Beginn der zwei-tägigen Konferenz von «Wort + Wissen» zum Thema «Wohl gemacht» oder in den Worten vom Referenten Markus Widenmeyer «Das geplante Universum» besuchen. In den beiden Vorträgen, die ich mitangehört habe, sollte Gott als Schöpfer hinter allem auf Erden identifiziert werden.

Ich bin mit der Erwartung nach Kehrsatz angereist, dass ich in einem Seminarraum mit ca. 50 Personen sitzen werde, so ähnlich wie ich es bei der Tagung zu Verschwörungsdenken in Basel erlebt habe. Doch schon am Bahnhof Kehrsatz Nord werde ich mit dem ersten Hinweis konfrontiert, dass das eine eher grössere Veranstaltung sein könnte. Denn dort wird vor mir eine Kehrsatzerin nach mehr Parkplätzen gefragt. Auf der anderen Strassenseite stehen Personen in Leuchtwesten, die die herankommenden Autos lotsen. Als ich ums Eck des neuen Gebäudes der Neutestamentlichen Gemeinde komme, erblicke ich eine Schlange, die sich vor zwei Pavillons vor dem Eingang gebildet hat. Nun bin ich mir sicher, dass ich den Anlass völlig unterschätzt habe.

Ich werde sehr freundlich empfangen, bekomme ein Bändeli, wie ich es von Festivals kenne, und darf mich in das Gebäude begeben. Mir fällt sofort die angenehme Atmosphäre auf, die mich den Laufe des Abends begleiten wird. Im Saal sind ca. 200 Personen, ich werde von allen Seiten nett angelächelt und spüren deren Motivation für diesen Abend. Ich setze mich neben eine jüngere Frau, die, so merke ich bald, zum Organisationskomitee gehört. Der Anlass wird von der Neutestamentlichen Gemeinde Bern getragen und ist für alle Teilnehmenden kostenlos. So auch das Abendessen. Von allen Personen, welche ich diesen Abend treffen werde, schlägt mir ehrliches Interesse entgegen.

Evolution – so sicher wie die Kugelgestalt der Erde?

Als ich den Empfangsraum betreten habe und mir die Flyer angeschaut habe, ist mir dieser Titel ins Auge gestochen. Dieser Flyer von «Wort + Wissen», welcher vier «Arten von Evolutionsbeweisen» auf kreationistische Weisen kritisch beleuchten will, hat gleich den Ton des Abends angegeben: Die Kritik an der Naturwissenschaft. Doch was bedeutet für sie so sicher wie die Kugelgestalt der Erde? Ich meine, wir haben alle wahrscheinlich schon von den Flat earthers oder auf Deutsch den Flacherdler gehört. Das heisst, nicht einmal die Erde als Kugel ist ein allgemein akzeptierter Fakt.  Ich frage mich: Gibt es überhaupt noch irgendetwas, das so sicher ist, wie es uns der Titel des Flyers Weise machen will? Dadurch, dass sie mit diesem Titel die Reaktion «Ah, Fragezeichen! Heisst das, die Evolution ist nicht so sicher wie die Kugelgestalt der Erde?» hervorrufen wollen, haben sie bei mir durch ihre Titelwahl eher die Reaktion hervorgerufen, sie auf eine Wellenlinie mit den Flacherdler zu stellen.

In meinem letzten Bericht habe ich mich mit den verschiedenen Arten von Verschwörungsdenken auseinandergesetzt. Es fällt auf, dass Kreationisten einige Gemeinsamkeiten mit Verschwörungstheorien teilen. Unter anderem, dass sie oft auf intuitiven und nicht wissenschaftlichen Grundlagen stehen. Es werden rationale Zugänge gelegt, welche aber abgrenzend zu anerkannten Wissensbeständen fungieren. Zudem gehört bei Verschwörungsdenkenden oft die Haltung dazu, dass nichts durch Zufall geschieht, sondern alles seine Gründe hat und alles miteinander verbunden ist. So sind Verschwörungstheoretiker Teil eines inneren geheimen Wissens. (Aus dem Bericht Tagung zu Verschwörungsdenken, Esoterik und Conspirituality an der Universität Basel, Huber, 18. Juli 2023). Diese Gemeinsamkeiten können erklären helfen, dass manche Kreationisten eine Tendenz zu Verschwörungstheorien aufweisen, wie dies z.B. im Magazin «factum» deutlich wird, welches kreationistische und verschwörungstheoretische Texte in bunter Mischung publiziert.

«Spinnen 8-Beinige Seidenkünstlerinnen»

Obwohl ich erwähnt habe, dass der Ton dieses Abends durch die evolutionskritische Auseinandersetzung von «Wort + Wissen» angegeben wurde, möchte ich noch einen anderen Ton erwähnen, der ab und zu erklingt, und zwar der des Lobpreisens von Gott. Die Begrüssung  wurde mit einem Halleluja quittiert: «Wenn alles klar ist … Halleluja!» Und auch in den beiden Vorträgen wird die Allmächtigkeit Gottes auf verschiedene Arten betont.

Als Harald Binder, Chemiker von Beruf, die Bühne betritt, möchte er zuerst auf einen Fehler im Titel hinweisen und wechselt ihn von Seidenkünstler zu Seidenkünstlerinnen. Nicht etwa aus gender-politischen Gründen, sondern schlichtweg deshalb, weil die meisten Spinnen weiblich sind. Um die Arachnophoben zu warnen, gibt er eine Triggerwarnung, dass in seinem Vortrag Bilder von Spinnen gezeigt werden. Gleichzeitig fordert er sie auf, diesen Abend als Chance zu sehen, diese Phobie zu überwinden. Was mich angeht: Ich bin den Spinnen grundsätzlich gleichgültig eingestellt. Doch ich muss zugeben, dass mich der Vortrag letztendlich dazu gebracht hat, eine Faszination für Spinnen zu entwickeln.

«Wort + Wissen» steht laut Binder bewusst auf diese Art und Weise. Erstens stellt das Plus gleichzeitig auch ein Kreuz dar, was auf den christlichen Glauben hinweist. Zweitens, ist die Reihenfolge – zuerst Wort und dann Wissen – auch die Absicht der Studiengemeinschaft. Denn sie wollen auf der Grundlage des «Wortes» also der Bibel, die Wissenschaft beleuchten. In dieser Prämisse werden in den beiden Vorträgen auch Naturwissenschaftler*innen vor allem immer wieder angefochten.

Harald Binder ist Chemiker, also Naturwissenschaftler, betont jedoch, dass er kein Spezialist für Spinnen ist. Als Chemiker ist er jedoch fasziniert von Spinnen und ihren verschiedenen Arten von Seidenfäden, die sie produzieren können. Die Fähigkeiten, die diverse Spinnen besitzen, werden im Vortrag anhand vieler verschiedenen Beispiele aufgezeigt, dabei kann Binder nicht anders als Gottes Hand in deren Kreation immer wieder zu loben. Doch wie er von Gott beeindruckt ist, so ist er auch von einigen naturwissenschaftlichen Befunden zu Spinnen fast angeekelt. Da diese Gottes Hand in der Erschaffung der Spinnen nicht sehen wollen.

In einem Beispiel erwähnt er die Jagdmethode der Bola Spinne, welche den Duftstoff einer weiblichen Motte aussendet, um so männliche Motten anzulocken, die dann in ihrem Netz landen. An diesem Beispiel erwähnt er, dass doch irgendjemand dieser Spinne das Geheimrezept des Duftstoffes der Motte verraten haben müsse, und verweist so auf Gott als Schöpfer hinter einem geplanten Universum. In anderen Worten, die Spinne hat nicht durch die Evolution, welche gezeigt hat, dass der Duftstoff einer weiblichen Motte als Anlockmittel funktioniert, diese Jagdmethode entwickelt, sondern sie hat diese Fähigkeit von Gott erhalten. Unter dem Vorwand einer wissenschaftlichen Betrachtung von Spinnen, möchte Binder so aufzeigen, dass Gott hinter den verschiedenen Arten von Spinnen steckt.

Gleichzeitig kritisiert er aber auch naturwissenschaftliche Befunde. Unter dem Folientitel «Spinnen können auch Farbe» zeigt er eine farbenfrohe Spinne aus Australien, welche ihre Farben bei der Balz nutzt. Dies solle beweisen, dass Spinnen also nicht nur hell-dunkel sehen, wie das von der Wissenschaft verbreitet wird, sondern dass zumindest diese Art von Spinne farbig sehen könne. Da ich mich nicht mit Spinnen auskenne, wurde mir durch diese Aussage impliziert, dass normalerweise also verbreitet ist, dass Spinnen vor allem hell-dunkel sehen. Doch eine kurze Googlesuche hat mich belehrt, dass schon seit einigen Jahren naturwissenschaftlich bekannt ist, dass nicht alle Spinnen farbenblind sind. Somit ist die Kritik an die Naturwissenschaftler in diesem Fall nichtig. Hier frage ich mich, ob Binder als Naturwissenschaftler eine veraltete Annahme vertritt oder ob er sich dessen bewusst ist, sie aber aus argumentativen Gründen für seinen Vortrag nicht aufnimmt. Beides wäre scharf zu kritisieren.

Naturwissenschaft diffamieren

Harald Binder erwähnt in seinem Vortrag, wie Naturwissenschaften funktionieren. Dabei benutzt er das Wort Naturwissenschaft und Wissenschaft als Synonym. In erster Linie erläutert Binder, dass der Anspruch der Objektivität in der Wissenschaft eigentlich nicht möglich ist, da man immer von einem bestimmten gewählten Standpunkt aus arbeitet. Dies sei den Naturwissenschaftler*innen zum Teil nicht immer bewusst, da sie in diese Arbeitsweisen oder im Naturalismus trainiert wurden. Die Methoden, die in der Wissenschaft benutzt werden, bringen bestimmte Konsequenzen mit sich. Obwohl er das nicht klar erläutert, glaube ich, dass er damit meint, dass man mit den Methoden der Naturwissenschaft den göttlichen Interventionen oder dem Übernatürlichen keinen Raum geben kann. Das übernatürliche Existiert dabei schlichtweg nicht. Was ja genau die Naturwissenschaft ausmacht. Oder anders gesagt: das macht ja genau das Übernatürliche aus. Empirische Herangehensweise sind auf rationale beobachtbare Grundlagen ausgerichtet.

Binder erklärt, dass Naturwissenschaften nur Regelhaftigkeiten untersuchen können, und aus der Regel fallende Beobachtungen werden als Ausnahme gekennzeichnet. Gott folgt jedoch keiner Regel. «[Naturwissenschaftliche] Hypothesen  sind im Grunde genommen einfach irgendwelche Ideen, da gibt es keine Kriterien.» Ich denke dieser Aussage würden Naturwissenschaftler*innen sicher widersprechen. Eine weitere Aussage Binders, die unter Naturwissenschaftler*innen ohne kreationistischen Hintergrund starke Reaktionen auslösen würde, ist folgende: «Das was dann in unsere Lehrbücher kommt, ob das wahr ist, das wissen wir gar nicht.»

Des weitern provoziert Binder mit zwei widersprüchlichen Aussagen, die, wie er sagt, dennoch zusammenpassen können. Erstens «Glaube ist unabhängig von den (Natur-)Wissenschaften!» und zweitens «Glaube und Naturwissenschaften gehören zusammen». Diese beiden Sätze fassen den Abend gut zusammen. Binder schliesst damit, dass er alle ermutigt, nicht «seine» Wissenschaft zu übernehmen, sondern durch seinen Vortrag näher zu Jesus zu finden. Was dem Ganzen ein Gefühl einer Predigt vermittelt.

Das Curriculum

«Was für ein wunderbares Curriculum» war der Titel der nächsten Präsentation. André Eggen möchte durch seinen Vortrag zeigen, dass wir um Gott zu begegnen und Gottes Fähigkeiten zu erleben nur die Natur beobachten müssten. Die Natur sei der Lebenslauf oder das Curriculum Vitae also CV von Gott. Seine Prämisse lautet: «Kein Design ohne Designer». So wie wir bei einem Auto nicht glauben, dass es durch Zufall entstanden sei oder dorthin gekommen sei, so sollten wir auch nicht bei der Natur davon ausgehen, dass sie zufällig entstanden sei also keinen Designer habe.

Eggen bringt in seiner Präsentation einige Beispiele, wie die Natur als Inspiration für viele Erfindungen der Menschen fungierte. Die Beispiele sind faszinierend und lassen mich nicht daran zweifeln, dass der Mensch viel von der Natur lernen kann. Die Absicht Eggens jedoch ist es unter anderem nicht einfach zu zeigen, wie inspirierende und wie klug die Natur ist, sondern zu zeigen, wie klug und kreativ Gott ist, da er ja hinter allem stecke.

Das geplante Universum

Obwohl ich Widenmeyers Präsentation nicht beiwohnen konnte, möchte ich dennoch auf sein Buch eingehen, das den gleichen Titel trägt. Im Buch «Das geplante Universum – Wie die Wissenschaft auf Schöpfung hindeutet» geht es im Grunde genommen um die naturwissenschaftliche Präzision der Erde, welche uns ermöglicht auf ihr zu leben und dass es fast unlogisch sei, hier nicht einen «höchst intelligenten Schöpfer» hinter allem zu erkennen.

Wie Harald Binder ist auch Markus Widenmeyer Chemiker. In seinem Buch fängt er mit einer schönen Allegorie an: «Stellen Sie sich vor, Sie haben Schiffbruch erlitten und treiben in einem kleinen Schlauchboot auf dem weiten Ozean. Sie haben grosse Glück und erreichen eine kleine grüne [unbewohnte] Insel. Sie gehen an Land. Dann aber stossen Sie auf ein nettes Häuschen. Genau Ihr Geschmack.  […] In einem hübschen, dekorativen Bilderrahmen (wieder Ihr Geschmack!) lesen Sie, ziemlich verblüfft, den Schriftzug: «Willkommen, [Ihr Name]!» Auf dem Tisch steht bereits […] Ihr Lieblingsessen. Auch andere Details der Einrichtung sind persönlich auf Sie zugeschnitten. […]» Mit dieser Allegorie möchte er die Feinabstimmung, mit welcher die physikalischen Eigenschaften des Universums auf unser Leben massgeschneidert sind, aufzeigen. Das Universum (oder zumindest die Erde) sei biozentrisch eingerichtet und somit sei Leben im höchsten Grad willkommen. Doch die naturgesetzliche Ordnung unserer physikalischen Realität stelle eigentlich eine statistisch äusserst unwahrscheinliche Besonderheit dar (S.28). Es sei erstaunlich, wie alle diese Naturphänomene harmonisch zusammenwirken. Die Feinabstimmung und das harmonische Zusammenwirken der Naturphänomene können nicht durch diesen unlogischen riesigen Zufall entstanden sein, die Welt oder die Natur müsse demnach das Design eines «Star-Architekten» sein (S.53-4).

In diesem Sinne erklärt Widenmeyer dann, dass es rational sei, ausserweltliche und personale Erklärungen in Betracht zu ziehen, wenn innerweltliche Erklärungen nachhaltig prinzipiell scheitern. Ich würde hier jedoch nicht sagen, dass die innerweltlichen Erklärungen scheitern, sondern, dass sie für viele Leute wahrscheinlich einfach eher unbefriedigend sind. Dies ist jedoch subjektiv. Während «Wort + Wissen» versucht durch eigene grosse Theorien und Definitionen, welche nach ihrem Massstab auch wissenschaftlich angeschaut werden sollten, ein Dogma zu setzten, welche die Existenz Gottes hinter der Schöpfung beweist, erkennen sie nicht an, dass nach einer nach naturwissenschaftlichen Methoden abgeleiteten Erklärung, die subjektive Wahrnehmung dann entscheidet, ob eine Erklärung für einen persönlich scheitert oder nicht. Wenn jedoch eine Erklärung für mich scheitert, hat das nichts damit zu tun, dass die Naturwissenschaft gescheitert ist. Mit den naturwissenschaftlichen Methoden werden beobachtbare, fassbare und empirisch nachweisbare Naturerscheinungen thematisiert.  Viele Gläubige nehmen eine nach heutiger Kenntnis wissenschaftliche Erklärung auf und würden die Lücken, die diese Erklärung nicht decken kann, mit ihrem Glauben füllen.

Übrigens gehört die Falsifizierbarkeit als Kriterium für wissenschaftliche Methoden zur Naturwissenschaft dazu. Eine Aussage ist genau dann falsifizierbar, wenn es einen Beobachtungsansatz gibt, mit dem die Aussage widerlegt werden könnte. Dieses Kriterium macht zusätzlich aus, ob eine Aussage empirisch oder nichtempirisch ist. «Wort + Wissen» lässt diesen Aspekt der Naturwissenschaft völlig aus und spricht es in ihrer Kritik nicht an. «Wort + Wissen» behauptet zudem, die Evolution sei ein allgemein akzeptierter Fakt, der von der Naturwissenschaft nicht hinterfragt wird. Obwohl dieser «allgemein akzeptierter Fakt» die Falsifizierbarkeit beinhaltet und somit eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Naturwissenschaft in Punkto Evolution auf neue Erkenntnisse kommen wird.

Die unvernünftige Logik hinter «Wort + Wissen»

Widenmeyer schreibt: «Unsere Vernunft verlangt für hochspezifische, statistisch unwahrscheinliche Muster eine klare, systematische Erklärung. Denn es ist sehr unwahrscheinlich, dass Ordnung zufällig, «einfach so», ohne einen speziellen Grund vorhanden ist. Und je spezifischer und komplexer die Ordnung ist, je geringer die mit ihr verbundene statistische Wahrscheinlichkeit, desto dringlicher ist der Erklärungsbedarf.» (S.103)

Ich denke, das Buch fasst gut zusammen, worum es während der zweitägigen Konferenz eigentlich ging: Gottes Wirken hinter der Natur aufzuzeigen und die Absurdität aufzuführen, dass das Dogma des Naturalismus verhindert einen übernatürlichen Schöpfer hinter der Existenz alles Weltlichen anzuerkennen. Ich würde hier jedoch die Absurdität entgegenstellen, dass «Wort + Wissen» in einer Wissenschaft, in der die Existenz Gottes mit ihren Methoden nicht bewiesen werden kann, dennoch versucht Gott und die Naturwissenschaft miteinander zu verflechten und diese Wissenschaft dann abwertet, weil sie das nicht zulassen will oder kann. In den Naturwissenschaften ist heute klar, dass Gott mit den naturwissenschaftlichen Methoden weder beweisbar noch widerlegbar ist.

Auf der anderen Seite würde «Wort + Wissen» interessante Predigten anbieten, wenn sie sich darauf beschränken würden, Predigten durchzuführen, in denen Gottes Werk anhand der Natur gelobt wird. Doch ihr Anspruch begrenzt sich eben nicht nur darauf. Sie wollen vor allem Kritik an der Naturwissenschaft üben, dass diese nicht zulässt, die Existenz Gottes hinter der Natur zu erfassen. Was an und für sich eigentlich eine unlogische Kritik ist, da die Methoden ja genau die Naturwissenschaft ausmachen. Wie das Stichwort «übernatürlich» vom vorigen Abschnitt eigentlich schon impliziert, kann die NATURwissenschaft nicht ÜBERnatürliche Phänomene erfassen. 

Podiumsdiskussion

Bei der Podiumsdiskussion wird sehr stark sichtbar, wie männerdominiert «Wort + Wissen» ist. Am Anfang wurde erwähnt, dass über 70 Männer und Frauen an der Organisation des Abends beteiligt gewesen waren und auch die Besucher würde ich sagen sind etwa 50/50 Männer und Frauen. Das heisst, das Interesse ist bei beiden Geschlechtern vertreten. Deswegen ist mir sehr stark aufgefallen, dass das Podium aus 7 Männern, alle ca. um die 50, eher darüber, und einem jungen männlichen Moderator besteht. Bei «Wort + Wissen» gibt es nur im wissenschaftlichen Beirat eine Frau und bei «Bible et Science», wo André Eggen tätig ist, gibt es auch nur von einer Frau einen veröffentlichten Artikel. Auch wenn ich jetzt davon ausgehen würde, dass «Wort + Wissen» oder «Bible et Science» zwei Organisationen sind, die ich vertreten könnte, finde ich, dass eine fast rein männliche Belegschaft heutzutage einfach nicht mehr tragbar ist.

Nun zur Diskussion selbst. Die NTG hat den Besuchern ermöglicht während den zwei Konferenztagen ihre Fragen über einen QR-Code an das Team weiterzuleiten. Davon wurden ca. fünf Fragen behandelt. Leider konnten aus zeitlichen Gründen nicht mehr Fragen an das Podium gestellt werden.

Eine Frage ist in Bezug zu der 6-Tage Schöpfung. Waren das 6 Tage oder könnten das auch 6 Epochen gewesen sein? Roger Schönthal argumentiert so, dass, wenn in der Bibel normalerweise von Tagen die Rede ist, dann wird das auch als Tag verstanden, wieso sollten die Tage in der Schöpfungsgeschichte also plötzlich als Epochen oder Zeitintervalle angesehen werden? Eggen möchte noch eine andere Perspektive reinbringen, die mir ein bisschen trotzig vorkommt. Und zwar argumentiert er damit, dass wenn die Wissenschaft nun erklären würde, dass die Erde sehr jung sei, würde ihnen dann auch diese Frage gestellt werden? Weiter meint er, dass es nicht sein darf, dass gewisse Leute ihnen Fragen stellen, die nicht sein sollten. In dieser Antwort sehe ich eine Müdigkeit, die ihn hinsichtlich dieser Frage überkommen hat. Obwohl doch genau diese Frage, da sie ja am klarsten die Unterschiede der naturwissenschaftlichen Erklärung und der biblischen Erklärung zur Entstehung der Erde aufzeigt, für «aufgeklärte» offene Christen spannend ist.

«Die Schöpfung ist perfekt, wunderbar und einzigartig. Warum dient sie dennoch dazu andere zu fressen um selbst zu überleben? In der Tierwelt gilt oft fressen oder gefressen werden. Warum hat Gott nicht alle Tiere als Vegetarier kreiert?» Ich denke, mit dieser Frage oder einer Art davon haben die Referenten von «Wort + Wissen» sicher einige Erfahrung. Harald Binder liefert hier eine Erklärung, die wie ich behaupte mit seinem Referat über Spinnen im Widerspruch steht. Und zwar betont er nochmal, dass die Schöpfung nach biblischer Information nach 6 Tagen beendet war: «Und er sah, dass es gut war!» Diese Worte würden die Schöpfung auch als fehlerfrei darstellen. Die Schöpfung war also beendet und fehlerfrei. Nun geschah jedoch der Sündenfall, der erst den Tod und die Vergänglichkeit in die Welt brachte. Nun wurde in Binders Vortrag über Spinnen jedoch immer wieder betont, dass Gott in der Schöpfung der Spinnen eine zentrale Rolle innehatte. Beispielsweise, hat Gott der Bola Spinne den Duftstoff der weiblichen Motte eingegeben, damit sie männliche Motten im Netz einfangen kann und diese fressen kann. Hat Gott also nach seiner 6-tägigen Schöpfung und nach dem Sündenfall die Schöpfung nochmal in die Hände genommen? Und nicht nur das, hat Gott einigen Tieren verraten, wie man andere Tiere töten kann und sie somit bevorzugt? Davon würde nichts in der Bibel stehen…glaube ich.

«Für gewisse Dinge», sagt Binder, «gibt es keine Erklärungen und wir Christen sollen ehrlich sein und dies auch akzeptieren können.» Dies in Bezug zu biblischen Widersprüchen oder auch zu Widersprüchen mit ihren «naturwissenschaftlichen» Vorträgen zuzugeben, ist das eine. Doch, dass Gott im naturwissenschaftlichen Kontext genauso nicht erklärbar ist, ist das andere und das hat er nicht akzeptiert. Dies wiederum stellt die «Wort + Wissen»-Wissenschaftler in einen Widerspruch mit sich selbst.

Fazit

Obwohl der Abend bei mir oft ein ungutes Gefühl hervorbrachte – dies vor allem in Bezug auf die Kritik an die Naturwissenschaft, die ich, um es kurz zu halten mit den Stichworten «Falsifizierbarkeit» und «übernatürlich», eben nicht einsehen kann – habe ich mich durch die Atmosphäre, vor allem die Gutmütigkeit und das ehrliche Interesse der Leute an mir und meiner Arbeit, sehr wohlgefühlt. Gerne möchte ich Harald Binders Worte nochmal hervorheben, dass Christen sich selber und anderen das Leben schwerer machen als es sein müsste, weil sie glauben, dass sie jetzt die richtige Idee gefunden haben und es zu ihrem Glaubensansatz erheben. Wir sollten den Mut haben gewisse Sachen auch offen zu lassen (Podiumsdiskussion). Wie Binder das den Besuchenden nahelegen möchte, so könnte man das auch der Studiengemeinschaft «Wort und Wissen» nahelegen.

Alysejah Huber, November 2023

Links

https://www.wohl-gemacht.ch/

Alle Referate und die Podiumsdiskussion: https://www.youtube.com/@WohlGemacht/featured

Widenmeyer, Markus. 2021. Das geplante Universum – Wie die Wissenschaft auf Schöpfung hindeutet. Holzgerlingen: SCM Hänssler.

Lexikoneintrag Wort und Wissen: Studiengemeinschaft Wort und Wissen – Relinfo.ch

Lexikoneintrag NTG: Neutestamentliche Gemeinde Bern (NTG) – Relinfo.ch