Vissarion

andere Namen: Kirche des Letzten Testaments, Einige Familie

älterer Name: Gemeinde des einheitlichen Glaubens

«Vissarion» oder «Wissarion» (Виссарион) ist der Geistname von Sergei Anatoljewitsch Torop (Сергей Анатольевич Тороп), dem Gründer der «Kirche des Letzten Testaments» (Церковь последнего завета), vormals «Gemeinde des einheitlichen Glaubens» (Община единой веры). Selbstbezeichnung der Gemeinschaft ist «Einige Familie» (единая семья).

Sergei Anatoljewitsch Torop, alias Vissarion oder «der Jesus von Sibirien», wurde 1961 in Krasnodar, einer Grossstadt im Südwesten von Russland, geboren. Seine Eltern waren nicht religiös und trennten sich 1968. Die Mutter zog daraufhin mit Sergei und seiner Schwester ins über viertausend Kilometer entfernte Schuschenskoje. Seine Mutter verliebte sich neu und die kleine Familie zog ins Nachbardorf Iljitschowo. 1972 kehrte Sergei im Alter von 11 Jahren, mit seiner Familie zurück nach Krasnodar. Schon 1973 zog die Familie wieder um, nach Uschur und 1975 nach Minussinsk. Dort beendete Sergei die Schule und leistete seinen Wehrdienst bei einem Bautrupp in der Mongolei ab. Danach ging er 1981 zurück nach Krasnodar, kehrte aber bereits nach einem Jahr wieder nach Minussinsk zurück. Sergei machte eine Ausbildung zum Metallarbeiter und Verkehrspolizisten und heiratete Ljuba, mit der er fünf Kinder hatte.

Immer wieder hatte Sergei Vorahnungen, dass er zu Höherem bestimmt sei. Nebenbei verdiente Sergei Geld als Maler und Zeichner und 1990 bekam er vom lokalen Kirchenvorsteher den Auftrag, die Kirche mit Malereien zu versehen. Er verdiente erneut 1991 Geld mit Heiligenbildern für eine Kirche in Abakan. Die Kirchengemeinde war jedoch unzufrieden mit den Gemälden und als sich Sergei weigerte, sie zu ändern, musste dieser das Geld zurückzahlen. Dies stürzte die Familie in finanzielle Probleme.

Ein Tag nach dieser Rückzahlung schaute Sergei sich im Fernsehen eine Dokumentation über russische Friedhöfe an und deren Schändung in der Sowjetunion. Da vernahm er Glockenklang, roch Weihrauch und hörte den Gesang himmlischer Stimmen. Das Mächtige in seinem Inneren brach hervor. Von da an nannte Sergei sich Vissarion und sah sich als Reinkarnation von Jesus Christus.

Noch im selben Jahr hielt Vissarion seine erste Rede in Minussinsk vor rund 30 Personen. Innerhalb kürzester Zeit gelang es Vissarion, Jünger um sich zu scharen und Land zu kaufen. Die Dörfer Petropawlowka, Tscheremschanka, Scharowsk und Guljajewka wurden aufgekauft und die ursprünglichen Bewohner zogen fort. Diese vier Dörfer wurden 1995 zu Vissarions «Ökopolis Tiberkul», wie er sie selbst bezeichnete. Schlichte Holzhäuser wurden errichtet und Subsistenzwirtschaft betrieben.

1994 legte Vissarion am Ufer des Sees Tiberkul den Ort für seine Modellsiedlung fest, die nach mehreren Jahren Bauzeit unter der Leitung des ehemaligen Obersts der sowjetischen Raketentruppen, Sergei Tschewalkow, fertiggestellt wurde. Die unzähligen Nadelbäume durften auf Geheiss Vissarions nur mit einfachen Sägen gefällt werden, um das Gleichgewicht der Natur nicht zu stören. Alles andere Baumaterial musste mit Pferdewagen herangeschafft werden. Die Modellsiedlung wird «Stadt der Sonne», «Wohnstätte der Morgendämmerung», «Stadt der Handwerksmeister» oder schlicht «Neues Jerusalem» genannt. Vissarion residierte in dieser inoffiziellen Hauptstadt der Gemeinschaft.

Nach der Scheidung von seiner Frau Ljuba heiratete Vissarion 2007 die 27 Jahre jüngere, damals 19jährige Sofia. Diese wohnte bereits bei seiner Familie, seit sie 7 Jahre alt war.

2020 wurde Sergei Anatoljewitsch Torop vom russischen Geheimdienst bei einem Grosseinsatz verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, psychischen und physische Gewalt auf seine Anhänger ausgeübt zu haben, er soll in Finanzbetrügereien verwickelt sein und Anhänger zu Geldzahlungen genötigt haben.

Das «Letzte Testament» sind die gesammelten Schriften, die Vissarion seit 1995 verfasst hat. Diese Werke, in mehreren Bänden, lesen seine Anhänger regelmässig, wie auch die Aufzeichnungen von Vissarions Sekretär, der alles festhält, was sein Meister von sich gibt.

Vissarion erklärt, dass der Körper der Menschen von Gott Vater erschaffen wurde, die Seele jedoch von Gottes Sohn. Die materielle Welt ist nur temporär.

Die Gläubigen sollten stehts zum Wohle Anderer handeln. Jeder Mensch muss jedoch immer die Wahl haben, der freie Wille muss unbedingt gewährleistet sein. Die Aufgabe der Gläubigen ist es, die Wahrheiten zu verbreiten und zu lehren.

Heidnische Bräuche und Naturheilkunde werden von Vissarion als positiv gesehen, denn die heilige Erdmutter wird als lebendiges Wesen angesehen. Heidnische Bräuche seien wichtig, um mit der Erde in einen Dialog zu treten. Naturheilkunde wird zwar bevorzugt, jedoch gibt es in Pertopawlowka auch ein modernes medizinisches Zentrum.

Der Lebensgeist und die Lebensenergie (Prana) erhalten die materielle Welt aufrecht. Wichtig ist es für die Menschen auf Harmonie, Vernunft, Karma, Zweckmässigkeit und Zusammenarbeit zu achten. Um das natürliche Gleichgewicht der Welt zu erhalten müssen die Gläubigen die von Menschen zugefügten Verletzungen der Erdmutter heilen, indem sie mit ehrlicher Handarbeit Liebe und Licht verbreiten.

Alles, was einem Menschen in seinem Leben widerfährt, hat dieser selbst verschuldet, es kommt nichts von Aussen.

Zeil von Vissarion und seiner Gemeinschaft ist es, eine einheitliche Weltreligion zu schaffen. Als Zentrum der Lehren sieht er die Theosophie, die davon ausgeht, dass in allen existierenden Religionen ein gemeinsamer heiliger Kern steckt.

Die Gläubigen halten nichts von Geld und Macht. Ihnen soll ein einfaches Leben, ohne Alkohol, ohne Drogen genügen. Selbstversorger zu sein spielt dabei auch eine wichtige Rolle.

Die Apokalypse steht, laut Vissarion, kurz bevor und die meisten Menschen merken es nicht einmal. Am Ende können nur die Menschen überleben, die schon den Glauben in sich tragen und mithelfen, die neue Welt zu bauen. Aber auch diejenigen, die dann sterben, werden irgendwann wiedergeboren werden.

In der Mitte des «Neuen Jerusalem» steht eine grosse hölzerne Engelsfigur. Jeden Sonntag gibt es von dort aus eine Prozession auf einen nahe gelegenen Berg. Dort befindet sich ein Pavillon mit Zweibeltürmen. Daneben befindet sich das Haus des Segens, ein Rundbau mit flacher Kuppel, dass für Treffen mit Vissarion genutzt wird. Darin befindet sich ein Glockenspiel, das die Gläubigen alle drei Stunden zur Andacht ruft. Normalerweise beten die Gläubigen fünfmal am Tag.

Vissarion hat einen neuen Kalender eingeführt, der mit seiner Geburt 1961 beginnt. Dieser gilt für die jetzt herrschende «Ära der Morgenröte». Dazu wird am Geburtstag Vissarions, am 14. Januar, das Neujahrsfest gefeiert. Vor dem Frühlingsfest am 14. April fasten die Gläubigen eine Woche lang. Am 18. August feiern die Gläubigen das Sommerfest zur Erinnerung an Vissarions erste Predigt. Dieses Fest gilt als das höchste der Kirche. Die Gläubigen versuchen, die Energie von Vissarion aufnehmen.

Jeden Morgen gibt es eine Morgenversammlung mit Gebet. Liturgien zu Ehren des Himmlischen Vaters und der Erdmutter werden zweimal wöchentlich abgehalten. Dabei wird vor allem gesungen, Loblieder an Gott, Mutter Erde und Vissarion.

Es gibt eine klare Geschlechterverteilung, in der die Frau dem Manne dienen soll. Ehefrauen sollen stehts ihrem Mann folgen und sich unterordnen, sie soll sich ums Haus und die Familie kümmern. Ausserhalb des Hauses agieren nur die Männer.

Homosexualität ist nicht erlaubt.

Mit der Begründung, dass mehr Frauen als Männer in Ökopolis leben, erlaubt die Gemeinschaft Polygamie. Diese Dreiecksfamilien werden toleriert, weil die Leute glauben, dass Frauen ohne Mann sich nicht verwirklichen können.

Vissarion wird von seinen Jüngern als Reinkarnation Jesu Christi verehrt. Die Gläubigen müssen ihrem Führer ein angenehmes Leben schaffen, um eine Chance auf Erlösung zu erhalten.

Diejenigen Mitglieder die Geld verdienen, geben 10% des Einkommens an die Kirche und 18% an die Dorfgemeinschaft ab.

Alle Entscheide werden in der Dorfgemeinschaft getroffen, diesen müssen sich alle Mitglieder unterwerfen. Wer Mitglied sein will, muss sich den Regeln fügen. Es gibt kaum Selbstbestimmung.

Die Mitglieder lehnen Konsum und Geld ab, besitzen jedoch auch Geld, Autos, Telefon und weitere «Luxusgüter».

Die Apokalypse wurde schon mehrfach angekündigt und wieder verschoben.

Ca. 4000 Mitglieder

Ca. 100 Familien

Dem Vernehmen nach befinden sich unter den Mitgliedern im «Neuen Jerusalem» auch Personen  aus der Schweiz.

Tserkov Poslednego Zaveta (Kirche des Letzten Testaments)
Kolkhoznaya Str. 9
662925 Petropavlovka
RUSSIA

Inernationale Website:
https://vissarion.org/

Deutschsprachige Website:
http://www.vissarion.info/

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