Yoga-Bewegung

Das Wort Yoga stammt von den Sanskrit-Wurzeln yuj «Konzentration» und yujir «Verbindung» ab. Im Deutschen wird das meist mit dem Wort «Joch» in Verbindung gebracht.  Wie die meisten Sanskrit Wörter hat auch Yoga verschiedene Bedeutungen und kann einen Körper, ein Kettenhemd, das Rüsten eines Heers, die Vorbereitung, das Gespann eines Wagens und vieles mehr bezeichnen. Viele Autoren übersetzten es mit dem Verb «anschirren». Damit bezieht sich die Bezeichnung auf die Schulung und das Lenken eines Pferdes durch sein Geschirr. Weiter lässt es sich auch mit «Anspannung» oder «Anjochung» übersetzten. In der Zeit der Upanishaden (ab ca. 900 v.Chr.) wurde der Begriff in Indien um eine geistige Dimension erweitert. Damit bezeichnete Yoga das Zusammenziehen aller Geisteskräfte um Ruhe und Erkenntnis zu erlangen. Das «anjochen» bezog sich damit auf Sinne und Triebe, die man beherrschen muss um so Befreiung zu erlangen.

In westlichen Ländern hat man eine klare Vorstellung davon was Yoga bedeutet. Jedoch verhält sich das in Indien anders. Wie das auch in der mannigfachen Wortbedeutung von Yoga der Fall ist so bezeichnet er in Indien verschiedene Dinge. Teilweise erscheint das Wort Yoga in der Alltagssprache mit verschiedenen Konnotationen. So kann der Ausdruck «ihn hat ein guter Yoga gepackt» eine Glückswelle bezeichnen. Anders verhält es sich beim duryoga, dem schlechten Yoga. Dabei wird Yoga als eine übersinnliche Kraft gesehen, die den Menschen beeinflusst. In der indischen Astrologie versuchte man diese Kraft rational zu erklären und entwickelt dazu 27 Yogaarten, welche Hinweise auf günstige und ungünstige Tagesabschnitte geben. Dazu zählen zum Beispiel der Ananda Yoga für den Geldgewinn, der Dhumra Yoga in Gefahren oder den Manasa Yoga für den Liebeserfolg. Noch heute spielen diese eine Rolle in Indien (besonders in ländlichen Gebieten) wenn man beispielswese eine Reise antritt oder mit einem neuen Job beginnt. 

Yoga wird im Westen als ein Überbegriff für verschiedene Methoden und Richtungen gesehen, welche körperliche und geistige Kräfte disziplinieren und vervollkommnen sollten. Im Yoga sucht man Erkenntnis und Befreiung des Selbst durch asketische Praktiken und Körpertechniken, die zur Beherrschung der Selbsttätigkeit der körperlich-geistigen Vermögen führen, sowie durch meditative Versenkung. Mit der Bezeichnung Yoga bezieht man sich meist auf die Lehren des philosophischen Systems. Heute spielt Yoga in nahezu allen spirituellen Bewegungen eine wichtige Rolle.

Einige Yogaformen sind sehr alt und enthalten vor-arische Aspekte. In seiner ältesten Form ist der Yoga eine meditativ-asketische Praxis, wobei mit Patanjalis Yoga-sutra eine philosophische Theoriebildung des Bewusstseins dazukam. In der Entstehungszeit des Hinduismus wurden Konzentrations- und Meditationsübungen im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus aufgenommen. Im Veda ist in einem Hymnus, der an «den Langhaarigen» gerichtet ist von Yoga die Rede. Die ältesten, belegten Aufzeichnungen vom Yoga finden sich jedoch in den Upanishaden. Dort  werden Atemübungen und das Zurückziehen der Sinne beschrieben. Durch die Upanishaden (insbes. Kathaka-Upanishad im 6. Jahrhundert v. Chr.) wurde Yoga zu einem Typus des praxisorientierten Heilwegs. Im Mahabharata um 300 v.Chr. hat der Yoga bereits seinen festen Platz in der hinduistischen Praxis. In älteren Puranas wird der Weise Kapila als Begründer genannt und in den jüngeren Patanjali, der das Yoga-Sutra begründete. In der Bhagavadgita nennt Krishna drei Yogawege: Erstens das Yoga des Denkens (Jnanayoga), zweitens das Yoga der Gottesliebe (Bhaktiyoga) und drittens das Yoga des selbstlosen Handelns (Karmayoga). Um die Zeit der Bhagavadgita-Entstehung forderte der Yoga, dass man der Familie, dem Heim und Freunden entsagen sollte um durch die Wiederaufnahme in das brahman eine dauerhafte Befreiung aus dem Dasein zu erhalten. Diese Auffassung ergab Spannungen und einige Autoren waren der Meinung, dass die rituelle Verehrung für die Mehrheit der Bevölkerung gelte und nur einige durch das im Yoga geforderte Entsagen Befreiung erlangen. Yoga war immer ein spiritueller Weg, der sein Ziel in der Suche nach Erleuchtung durch Meditation hat. Mit der Zeit wurden die asanas entwickelt, die Körperhaltungen, um den Körper zu kräftigen und zu mobilisieren. Damit bekamen die asanas einen immer höheren Stellenwert in der Yoga-Praxis. Als wichtigster Quellentext des Yoga gilt das Yoga-Sutra von Patanjali. 

Das Ziel der Yoga-Praxis kann sehr unterschiedlich sein. Dazu gehören Selbstzucht und Vergeistigung aber auch das Erlangen von Befreiung, was meist mit dem 1000blättrigen Lotus des Verzücken bezeichnet wird. Gemeint ist damit die Befreiung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten und die Vereinigung mit Gott und/oder Brahman. Gemäss der Yoga Lehre sollte jede Minute genutzt werden, um das Ziel zu erreichen. Dabei gibt es eine Reihe an Ablenkungen und Hindernissen. Dazu zählen: Bindung an religiöse Riten, Gelehrsamkeit, Stehlen und Lügen, Schaden, Furcht und Schmerz bei Menschen und Tieren erzeugen, ein üppiges Leben führen mit Vergnügungen, Musik und Literatur, das Anhäufen von Geld und Gut, sexueller Genuss, luxuriöse Kleidung und vieles mehr. Durch diese Ablenkungen verschwendet der Mensch gemäss der Yoga-Lehre seine Energie und verliert sein Ziel aus den Augen. Gemäss der Karmalehre hat jede Handlung eine Prägung (vasana), welche sich immer mehr auflösen, je näher ein Yogi seinem Ziel – der Befreiung – kommt. Ein Hindernis stellen auch Bedürfnisse und Wünsche wie weiterzuleben oder Befreiung zu erlangen dar. Ein Yogi muss den Zustand einer Wunschlosigkeit erreichen. Diese Ablösung von äusseren und inneren Reizen aktivieren gewisse übernatürliche Fähigkeiten (siddhis), die in jedem Mensch vorliegen. Ein befreiter Yogi lässt sich nicht von Sinnesreizen, Schmerz, Freude, Erfolg, Scheitern, Krankheit oder Unglück beeinflussen. 

Chakren bezeichnen die Energiezentren im Körper. Sie spielen im (Neo)Tantrismus, Yoga, der Esoterik (insbesondere durch Arthur Avalons Schriften) und Heilmethoden wie Reiki eine wichtige Rolle. Es stammt aus dem Sanskrit und wird wörtlich mit «Rad» oder «Kreis» übersetzt. Sieben Chakren werden an der Wirbelsäule des Menschen angeordnet. Dabei handelt es sich um Sahasrara, Ajna, Vishuddha, Anahata, Manipura, Svadhisthana und Muladhara. Die Nennung erfolgt meist von unten nach oben. Das System der Chakren tritt in verschiedenen Schriften auf, insbesondere in einigen Upanishaden und anderen Schriften des Veda. Auch in Schriften des Tantrismus ist es verankert. Der Zustand der Chakren soll die Organe, Emotionen und Psyche beeinflussen. Blockaden können sich auf dieser Ebene zeigen, wobei verschiedene Yogasysteme die Möglichkeit bieten, diese Blockaden aufzulösen. Wenn alle sieben Chakren geöffnet sind, hat das Individuum gemäss der hinduistischen und buddhistischen Lehre Erleuchtung erlangt. 

Kundalini bezeichnet in der tantrischen Lehre und dem Yoga eine Kraft, die sie am unteren Ende der Wirbelsäule befindet und symbolisch als zusammengerollte Schlange dargestellt ist. Sie kann durch yogische Praktiken erweckt werden, aufsteigen und sich mit der kosmischen Seele vereinigen, was höchstes Glück verursacht. 

Moksha (auch mukti) leitet sich vom Wort «sich befreien» ab und bezeichnet die Vorstellung, dass sich Individuen aus dem Kreislauf der Wiedergeburten (samsara) lösen können und damit nicht mehr wiedergeboren werden. Dies stellt das letzte Ziel im menschlichen Leben dar. Im Hinduismus gibt es unterschiedliche Wege um moksha zu erlangen. Einige davon finden sich in der Yoga-Praxis. 

Asanas lässt sich mit «der Sitz» übersetzten und bezeichnet die Körperstellungen im Yoga. In der Yogapraxis ist es dabei wichtig, die asanas richtig auszuführen, zu halten und auch zu lösen- Dabei sind Stabilität und Wohlbefinden wichtig. Im Yoga kennt man eine grosse Zahl an Yogastellungen – asanas- mit diversen Variationen. Berühmte Beispiele sind der herabschauende Hund (Adhomukha Shvanasana), der Baum (Vrikshasana) oder die Heuschrecke (Shalabhasana). 

Mudra lässt sich mit «Siegel» übersetzten und bezeichnet die symbolische Handgeste im Hinduismus und Buddhismus. Sie können dabei zum Beispiel Furchtlosigkeit, Weisheit, Versenkung und vieles mehr anzeigen. In einigen Yoga-Richtungen haben die Mudras die Funktion auf den Organismus zu wirken. Dabei werden Mudras in die Yoga-Praxis integriert. 

Patanjali, ein indischer Gelehrter, hat im 2. Jh.v.Chr. eine Systematisierung des Yoga vorgenommen. Seine 194 Yoga-Sutras (Yoga-Verse) lehren Techniken aber nicht die damit verbundenen Einsichten und Erkenntnisse. Die Merksätze des Yoga-sutras erklären die Beruhigung des Geistes. Da Patanjalis stark vom Buddhismus (bzw. Samkhyaphilosophie) beeinflusst war, anerkannte er die Gottesidee nicht direkt, sondern sah Gott vielmehr als Meister/Vorbild (Guru) oder als Ishvara («Herr») in Form des grossen Yogis, der mit der Silbe OM angerufen wird. Patanjali definierte Yoga als Kontrolle und Beherrschung aller geistiger Aktivitäten (wahre und irrtümliche Erkenntnis, die Vorstellung, die Einbildung, die Erfindung, das Schlafbewusstsein und die Erinnerung). Mit seiner Anschauung hat Patanjali eine yogische Lebensweise erschaffen, der einen Weg der geistigen Transformation beschreibt. 

Patanjali unterscheidet acht Stufen der Yogapraxis: 

  1. Die Selbstbeherrschung als äussere Disziplin, Yama genannt. Diese besteht darin, dass man keinem Lebewesen Leid zufügen darf, Gedanken, Worte und Werke wahrhaftig sein sollen, man nicht stehlen darf und enthaltsam lebt sowie auf Besitz verzichtet.
  1. Die Zucht als innere Disziplin, Niyama genannt. Sie besteht in der innerlichen und äusserlichen Reinheit in den Gedanken, Worten und Werken, in der Zufriedenheit, Genügsamkeit, dem Studium der Schrift und der intensiven Gottesverehrung durch Erfahrung von Gnade.
  1. Die Sitzhaltung, auch asanas genannt. Das geistige Sammeln und konzentrieren kann nur erlangt werden, wenn der Körper in einer entspannten Stellung verharren kann. Unterschiedliche Haltungen haben auch unterschiedliche Wirkungen zur Folge und können nur von einem Guru erlernt werden. In den Asanas sind Wirbelsäule, Hals und Kopf immer aufrecht, die Augen geschlossen. Wichtig dabei ist die Beharrlichkeit. Die Yoga-Asanas des Hatha-Yoga gehen dabei nicht auf das Yoga-Sutra zurück, sondern sind im durch ihren therapeutischen Wert von Patanjalis spirituellen Asanas abzugrenzen.
  1. Die Atemkontrolle, auch pranayama genannt, ist deshalb zentral, weil der Atem die Lebensenergie verkörpert. Der Atem soll in der Yogapraxis verlangsamt werden, um die Atmung zu verringern um damit Bewusstseinsveränderungen hervorzurufen. Dazu soll das ein- vom Ausatmen getrennt und dazu Pausen eingelegt werden. Durch die Kontrolle der Atmung wird der Geist unter Kontrolle gebracht. 
  1. Die Sinneskontrolle, Pratyahara genannt, bezeichnet den Abzug der Sinne von den Sinnesobjekten. Dadurch soll man die Sinne beherrschen können. 
  1. Die Konzentration, auch dharana genannt. Dabei konzentriert sich der gesamte Geist auf eine bestimmte Stelle (z.B. gewissen Chakras) und auch auf ein Gottesbild, das vor einem hängt. Das soll den Prozess der Erleuchtung beschleunigen. 
  1. Die Meditation, dhyana, findet dann statt, wenn man alle Erfahrungen und Eindrücke, die sinnlich wahrnehmbar sind, ausblendet. 
  1. Die Versenkung, samadhi, erreicht man durch die vollständige physiologische und psychische Kontrolle. Sie bildet das eigentliche Ziel. Durch die Konzentration und Meditation erlangt der Yogi Klarheit. In diesem Stadium erwirbt der Yogi spezielle Kräfte (siddhi). Die siddhis sind vielfältig und umfassen die Möglichkeiten wie Telepathie, Verschwinden von Hunger und Durst, Astralreisen und vieles mehr. 

Diese Stufen werden erleichtert durch bestimmte mudras und die bandhas (schwierige Muskelkontraktionen) sowie die sechs inneren Reinigungen. Das Modell mit den acht Stufen kann auf die beiden Yoga-Systeme des Hathayoga (Punkt 1-5 bei Patanjali) und dem Raja-Yoga (Punkt 6-8 bei Patanjali) angewendet werden.

Hatha-Yoga
Hatha Yoga hat eine Wiedervereinigung durch Stärke zum Ziel. Es umfasst eine physische Schulung, durch die der Körper und die Energie auf einen Höhepunkt gebracht werden, da nur durch körperliche und geistige Gesundheit die Yoga-Praxis fruchtbar ist. Gemäss Patanjali gibt es acht Stufen des Hatha-Yoga: Enthaltsamkeit, Einhaltung von Vorschriften, Körperhaltung, Atemkontrolle (pranayama), Rückzug des Geistes von äusseren Reizen, Konzentration, Kontemplation und Identifikation oder Vereinigung mit Gott. Durch mudras (symbolische Handgesten) und bandhas (schwierige Muskelkontraktionen) und die sechs inneren Reinigungen werden diese Stufen erreicht. Die Asanas, die Körperhaltungen, sind in dieser Yogaform zentral, da geistige Sammlung nur erreicht werden kann, wenn der Körper mindestens drei Stunden ohne Ermüdung und Verkrampfung in einer Stellung verharren kann. Jedes asana hat dabei eine bestimmte Wirkung. Sie können nur von einem Guru gelehrt werden. Egal in welchem asana, müssen Wirbelsäule, Hals und Kopf aufrecht sein und die Augen geschlossen oder auf einen Punkt konzentriert sein. Auch die Atemkontrolle ist im Hatha-Yoga zentral. Der Atem symbolisiert dabei die Lebensenergie, die unter Kontrolle gebracht wird. Der Atem wird verlangsamt, um die Atmung zu verringern und dabei einen bestimmten Bewusstseinszustand erfährt. Nachdem ein Yogi alle Hindernisse – seelische wie körperliche – überwunden hat, beginnt sein Weg zur Vereinigung mit Gott. Diese führt über die tiefe Konzentration und Meditation. Letztere teilt sich in drei Stufen. Die erste umfasst die Konzentration des Geistes auf ein Bild einer Gottheit oder auf den persönlichen Guru. Als zweites wird die luminose Meditation genannt, die sich auf die Erfahrung der Wirklichkeit des Göttlichen konzentriert. Die dritte ist eine subtile Meditation, welche beinhaltet, dass sich der Geist auf den Punkt konzentriert, wo das Gestaltlose Gestalt annimmt. Dadurch soll sich die Dualität auflösen und der Meditierende und das meditierte Objekt verschmelzen. Dann geht der Geist in diesem nicht-dualen Prinzip, dem brahman, auf.

Karma-Yoga
Beim Karma-Yoga geht es um die Vereinigung mit Gott durch rechtes Handeln, gute Taten und rechtes Leben. Er wird als die leichteste Schulung angesehen und daher auch von den meisten Hindus geübt. Die Handlungen sollen selbstlos ausgeführt werden. Durch höchste Präzision vorschriftgemäss vollzogene Feueropfer (yajas), Gottesdienste (pujas), beschwerliche Pilgerreisen oder das Baden in heiligen Flüssen erhofft sich Praktizierende Gott zu erreichen. In der Bhagavadgita wird dazu die Geschichte von Krishna und Arjuna erzählt, wo Arjuna, der er Kriegerkase angehört den Mut nicht hat, gegen seine Verwandten und Freund zu kämpfen. Da meint Krishna zu ihm, das rechtes Handeln ohne Rücksicht auf die Folgen vollzogen werden.

Jnana-Yoga: 
Der Jnana-Yoga will die Vereinigung mit Gott durch intensives Studium, Kenntnis und Meditation der heiligen Schriften erreichen. Dadurch soll der Yogi metaphysisches Wissen der letzten Wirklichkeit erhalten. Der Jnana-Yoga kennt verschiedene Stufen: Unterscheidung zwischen dem Dauernden und dem Vergänglichen, Nachdenken über die Lehre des Gurus, regelmässige Meditation, Eintritt in das Gestaltlose, im Wissen, das alles Brahman ist. Die erkenntnismässige Suche nach Gott ist z.B. im Monismus des Philosophen Shankara oder der Samkhya-Schule der Philosophie vertreten, wobei in beiden Meditation und Philosophie eine wichtige Rolle spielen.

Bhakti-Yoga: 
Der Bhakti-Yoga ist der Weg der emotionalen Bindung an Gott. Man sieht Gott als die Mutter, Vater, Sohn, Tochter oder Geliebten und gibt sich ihm anheim. Das Ziel ist, durch Liebe Gott so nahe wie möglich zu kommen, seine Nähe (sannidhya) zu erleben aber nicht eins mit ihm zu werden (also ohne eigene Identität verlieren). Die Hingabe an eine erwählte Gottheit veranschaulicht, dass was man liebt, dem auch mit Freuden dient. Je grösser diese Liebe ist, desto vollständiger ist die Hingabe bis zur endgültigen Verschmelzung. 

Mantra-Yoga
Das Mantra-Yoga will den Bewusstseinszustand durch rhythmische Wiederholungen der göttlichen Namen verändern. Das höchste Mantra bildet dabei die Silbe Om (Aum), welche aus den beiden Vokalen a und u die zu o werden und dem resonanten Nasallaut m. Om soll die. Vielfalt des Daseins darstellen und die ihr zugrunde liegende Einheit. Om durchdringt als Laut der letzten Wirklichkeit alles. Indem man Om immer wieder wiederholt, kann man seine Bedeutung erfassen und Befreiung erlangen. Weiter wird im Mantra-Yoga auch das Mantra Gayatri gebraucht, welche die ewige Weisheit der Veden anzeigt. Gemäss den Gesetzten des Manu sollen Mantra-Wiederholungen zehnmal wirksamer als andere Rurale sein. Insgesamt umfasst der Mantra-Yoga sechzehn Stufen, welche in der Erfahrung der Bedeutung des Mantra gipfelt. Hierbei löst sich der Geist des Yogi in der Gottheit auf, welche im Mantra verkörpert ist. 

Laya-Yoga
Der Laya-Yoga soll durch die Verschmelzung mit dem allumfassenden Wesen zur Vereinigung mit Gott führen. Das individuelle und das allumfassende Wesen sollen dabei eins sein. Alles Existierende muss in jedem Wesen existieren und um diese Einheit zu erfahren, muss die kosmische Energie geweckt werden. Auch der Laya-Yoga hat verschiedene Stufen und findet seinen Höhepunkt im Hören eines inneren Tons, welcher alle anderen Töne auslöscht. Dieser Ton soll dem Klang von Glocken, Flöten, Lauten oder dem Summen von Bienen ähneln. Während der Meditation verschmilzt der Yogi und sein Geist mit dem Klang. 

Kundalini-Yoga
Der Kundalini-Yoga soll zu einer Vereinigung führen, wenn die kosmische Energie erweckt ist. Kundalini wird oft mit Shakti, der göttlichen kosmischen Energie gleichgesetzt, die in allen Wesen existiert und die Welt in Gang hält. Sie ist unbegrenzt und bleibt für die meisten Menschen unsichtbar. Mithilfe eines Gurus kann ein Schüler, der bereits im Hatha-Yoga geübt ist zur Erweckung seiner innern Kraft geführt werden. Beim Kundalini-Yoga ist die Atemkontrolle zentral. Die Erweckung der inneren Kraft soll dazu führen, dass sie alle Hindernisse wegräumt und damit Befreiung erreicht wird. Symbolisch wird Kundalini mit einem Feuer oder einer zusammengerollten Schlange dargestellt. Manchmal umschlingt die Schlange auch Shiva. Sie verkörpert die Auflösung der Welt. Wird sie von einem Meister erweckt, steigt sie durch die Chakren, die Energiezentren entlang der Wirbelsäule, bis zum Scheitelpunkt (auch Brahmas Spalte genannt) durch den der Geist dann in die Befreiung entweicht. 

Tantra-Yoga oder Taktischer Yoga
Der tantrische Yoga ist ein ritueller Yoga, in dem die Natur überwunden werden soll und der Körper geschult wird. Der Yogi soll dabei die weltlichen Zerstreuungen, welche zwischen ihm und dem Absoluten stehen zu überwinden und zu beherrschen. Dafür soll er diese Zerstreuungen nutzen um den Wunsch nach ständig neuen Erfahrungen zu zerstören. Auch die Durchführung von religiösen Riten können dabei als Hindernisse gelten, wenn sie zu viel Platz einnehmen. Im Westen wird diese Yoga-Art häufig als enthemmte Sexualität missverstanden. Jedoch ist es zentral zu verstehen, dass Sinnlichkeit und Selbstsucht einem auf dem Weg der Befreiung hemmt. Das tantrische Ziel ist ein Zustand der Nicht-Dualität, in dem das Göttliche erfahren wird. 

Raja-Yoga
Der Raja-Yoga, auch Rajadhiraja-Yoga ist der Yoga der Königin und des Königs. Er soll zur göttlichen Vereinigung führen. Der Name bezieht sich auch einen Beinamen Shivas und beschreibt damit den Einfluss des Shivanismus im klassischen Yoga. Shiva wird als der grosse Yogi gesehen und gilt dabei als der herrschende Gott der Yogis, der Herr des Schlafes und er verkörpert auch die Auflösung der Individualität. Der Raja-Yoga ist gemäss hinduistischer Überlieferungen die höchste Form des Yoga, der allen anderen Yoga-Systemen übergeordnet ist. Der Intellekt soll im Raja-Yoga den Körper unter Kontrolle halten und damit innere Erregungen bekämpfen. Der Praktizierende soll nach einiger Zeit Visionen haben, in denen er die allumfassende Einheit erkennt. Der Raja-Yoga umfasst acht oder fünfzehn Stufen, die man auf dem Weg zur Erlangung der siddhis, der übernatürlichen Kräfte, durchlaufen muss. Die Stufen umfassen: die Kontrolle der Sinne durch das Wissen, dass alles brahman ist, die Meditation, die Nichtbeachtung der Unterschiede, die Erfahrung der Vergänglichkeit der Welt, samadhi als Höhepunkt (die Identifikation mit dem Göttlichen als nicht-dualer Zustand).

In der Gegenwart haben sich eine grosse Menge an neuen Yoga-Stilen etabliert, die ist ohne spirituelles Interesse praktiziert werden. Im Fokus stehen Körperübungen. Viele beinhalten dabei Teilaspekte der oben genannten Systeme oder kombinieren mehrere. Dazu zählt beispielsweise das Yin Yoga, eine meditative Praxis, in der man mithilfe von Atemkontrolle die Asanas über längere Zeit halten soll. Der Ashtanga Yoga ist körperlich sehr herausfordernd. Dazu werden Asanas aus dem Hatha-Yoga mit dem Atemfluss kombiniert. Ähnlich verhält es sich beim sogenannten Vinyasa-Yoga, das ebenfalls die Bewegung mit der Atmung verbindet, jedoch keine klaren Vorgaben in der Abfolge der Asanas aufweist. Ebenfalls keine Vorgabe in der Abfolge gibt es im Power Yoga, der von dem US-amerikanischen Yogalehrer Bryan West massgeblich geprägt wurde. Hier spielt Spiritualität keine wichtige Rolle, es gibt keine Meditation, Atemübungen, Mantren usw. Im Aerial Yoga wir mithilfe eines Tuches, das von der Decke hängt auch Pilates-, Ballett- und Gymnastikelemente muteinbezogen. Dabei hängt man freischwebend über dem Boden. Für den Bikram Yoga begibt man sich in Raumtemperaturen von ca. 40 Grad, wobei anspruchsvolle Abfolgen von 24 Asanas und zwei Atemübungen verbunden werden. Im Iyengar Yoga übt man die Asanas mit Hilfsmittel wie Blöcken, Gurten oder Stühlen und lernt so Präzision und Kontrolle. Diese Yogaform soll Beschwerden im Nacken- und Schulterbereich lindern. Der Jivamukti Yoga wurde 1984 in den USA von Sharon Gannon und David Life entwickelt, wobei die Übungen von Musik begleitet werden und der Lehrer den Schüler in der Asanas korrigiert. Dazu rezitieren die Yogalehrer altindische Schriften und sprechen über Philosophen. Dieser Yogastil bezieht auch Mantren und Meditation mit ein und plädiert für einen veganen Lebensstil. Spezialformen bilden das Lach-Yoga, bei dem grundloses Lachen im Vordergrund steht oder das Hormon Yoga, welches als therapeutische Yogarichtung beschrieben wird, die den hormonellen Haushalt der Frauen wieder ausgleichen soll (PMS, unerfüllter Kinderwunsch, Wechseljahre usw.)

Die unterschiedlichen Techniken des Yoga haben sich weit über den indischen Subkontinent verbreitet. Im Aufstieg des Tantrismus im 6. Und 7. Jahrhundert beeinflusste beispielsweise der Yoga des tibetischen Buddhismus den nordasiatischen und sibirischen Schamanismus. Auch in der Mongolei, in China und Japan breitete sich der Hinduismus aus. Insbesondere durch das Yoga wurde die indische Spiritualität im Westen bekannt und verbreitet. 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Yoga insbesondere durch den Inder Svami Vivekananda (1863-1902) am Weltkongress der Religionen 1893 in Chicago und durch die Theosophische Gesellschaft mit Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891) und Annie Besant (1847-1933) in den Westen. Zu Beginn lag der Fokus auf den Konzentrationsübungen und der Meditation und war stark theosophisch beeinflusst. Später, gegen Ende der 1930er Jahre wurden Yoga-Schulen gegründet, die eine neue Ära des Yoga im Westen einläuteten. Die Yoga-Schulen standen allen Kreisen der Gesellschaft offen und unterschieden sich damit von den geschlossenen Zirkeln in der Anfangsphase. Dazu kam eine stärkere Ausrichtung auf das psycho-physische Geschehen der Übungen. In dieser Zeit gab es zudem erste medizinische und psychologische Studien, die die Wirkungsweisen einzelner Übungen bestätigten.

Das Hatha Yoga, die körperliche orientierte Praxis des Yogas kam erst in den 1920er Jahren im Westen auf. Mit der wachsenden Popularität der New Age Bewegungen in den 1960er Jahren verstärkte sich auch das Interesse an Körperübungen. Zu Beginn hatte Yoga dabei einen spirituellen Charakter, wurde aber die US-amerikanische Yogaformen beeinflusst und wies daraufhin einen stärkeren «Fitness-Charakter» auf. 

Das westliche Angebot von Yoga-Kursen ist heute meist abgelöst vom ursprünglichen, religiösen Yoga. Im Zentrum stehen vor allem körperliche Ziele wie Entspannung, Bewegung, Beitrag zur persönlichen Entwicklung und Regeneration. Die meisten westlichen Yoga-Kurse werden nicht von Gurus angeboten, wie das im traditionellen Yoga verlangt wird, sondern von Yogalehrerinnen und -lehrer. Einige Autoren sprechen daher auch von einer Säkularisierung des Yoga. Wenn in Indien sie Sprache von Körperstellungen ist, die bei Gelenkschmerzen, Migräne und ähnliches helfen sollen, wird von Yogasanas gesprochen.  

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