Tablighi Jamaat

Tablighi Jamaat ist Urdu und bedeutet «Missionsgesellschaft»

Die fundamentalistisch-sunnitische Frömmigkeits- und Missionsbewegung Tablighi Jamaat wurde 1926 von Maulānā Muhammad Ilyās (1885–1944) in Indien gegründet.

Hintergrund der Gründung waren die hinduistischen Missionsbewegungen der Arya-Samaj-Gemeinschaft. Im frühen 20. Jahrhundert wollte der Arya Samaj indische Bevölkerungsgruppen, die unter muslimischer Herrschaft zum Islam übergetreten waren, dazu bewegen, wieder den Hinduismus anzunehmen. Eine dieser Bevölkerungsgruppen waren die Malkana-Rajputen in Nordindien, die formell zwar muslimisch waren, jedoch noch immer hinduistische Praktiken vollzogen. Der indische muslimische Gelehrte Khwaja Hasan Nizami (1879–1955) rief daraufhin die Muslime auf, sich gegen die hinduistischen Missionsbewegungen aufzulehnen. Der Sufi Nizami schrieb dazu das Buch Dāʿī-yi Islām («Rufer zum Islam»), welches in den 1920er Jahren sehr populär war. Es einstand die sog. Deobandi-Bewegung mit der Universität Dar al-Ulum in der Stadt Deoband als Zentrum. Diese lehrte einen strikt an islamischen Quellen orientierten Glauben.

Maulānā Muhammad Ilyās wurde 1885 in einem kleinen Dorf in Utar Pradesh in Indien geboren und zog 1896 nach Gangoh zu seinem Bruder, wo er im Islam unterrichtet wurde. 1908 ging Maulānā Muhammad Ilyās an die Dar al-Ulum Universität in Deoband und studierte den Koran, die Hadithe und islamische Rechtsprechung. 1918 wurde er zum Imam der Nizam-U-Din-Moschee. Unter dem Einfluss von Nizami und der Deobandi-Bewegung begann Muhammad Ilyās die Widerstandsideen von Nizami in die Tat umzusetzen, lehnte jedoch den Sufismus prinzipiell ab. Er begann nach einer Wallfahrt nach Mekka 1926 mit seiner Missionstätigkeit unter den Meo in Mewat südlich von Delhi und gründete die Tablighi Jamaat.

Die Zahl seiner Anhänger wuchs und nach einer weiteren Wallfahrt nach Mekka 1932 rief Muhammad Ilyās seine Leute zusammen, um gegen die hinduistischen Missionsbewegungen vorzugehen. In den kommenden Jahren bis zu Muhammad Ilyās‘ Tod im Jahre 1944 gelang es ihm, seine Glaubensbewegung fest in der Meo-Gesellschaft zu etablieren. Nach dem Tod seines Vaters übernahm Mawlānā Yūsuf die Führung der Gemeinschaft und verbreitete die Bewegung in der gesamten islamischen Welt.

In der Schweiz ist Tablighi Jamaat seit ein paar Jahren aktiv, mittlerweile bestehen mehrere Zentren, so der Iman-Verein Wädi in Wädenswil, der die ehemalige türkische Moschee der TISS übernommen hat.

Ziel der Tablighi Jamaat ist der Wandel von westlichen Werten in der Gesellschaft zu einer islamischen Gesellschaftsform. Dabei lehnt die Bewegung Gewalt grundsätzlich ab und sieht sich selbst als unpolitisch. Die Tablighi Jamaat verfolgt eine streng an den schriftlichen Quellen orientierte Lehrtradition, was bedeutet, dass die Muslime ihr Leben streng nach Koran und Sunna ausrichten sollen. Die Tablighi Jamaat geht davon aus, dass sie die allein richtige Form des Islam lehren würde, indem sie einen ursprünglichen Islam wiederbelebe, der frei von fremden Einflüssen sei.

Die Tablighi Jamaat ist antiintellektualistisch, steht also theologischen Diskursen kritisch gegenüber.  In ihrer Ansicht ist die richtige Praxis entscheidend, die umgesetzt werden sollte. Der Islam sei nichts, worüber diskutiert, gelesen oder geschrieben werden müsse. Die praktische Arbeit hätte einen so hohen Stellenwert, dass die Gelehrsamkeit als Bedrohung gesehen wird. Einzig die mündliche Weitergabe der prophetischen Tradition soll als intellektuelle Tätigkeit befürwortet werden.

Der Glaube an einen einzigen Gott, die Existenz von Engel, den Glauben an Gottes Offenbarungen und an Propheten, den letzten Tag und das nächste Leben sind zentral für die Tablighi Jamaat. Mitglieder der Tablighi Jamaat dürfen ihrem eigenen Verständnis der islamischen Gesetze folgen, solange diese mit dem sunnitischen Islam vereinbar sind.

Missionierung und Verkündigung des Islams sind die wichtigsten Pflichten für die Tablighi Jamaat. Dabei beziehen sie sich auf das Gebot des Guten und das Verbot des Bösen. Bei ihren Predigten stützen sich die Tablighi Jamaat auf ihre sechs Attribute (Sifāt), welche sie aus den Leben der Gefährten Muhammads abgeleitet haben:

  1. Kalimah: Es gibt keinen Gott ausser Allah und der Prophet Muhammad ist sein Gesanter.
  2. Salah (Namaz): Die fünf vorgeschriebenen täglichen Gebete.
  3. Ilm / Zirk: Wissen und Gedenken an Allah, welches gemeinsame Sitzungen umfasst. Dort sollen die Mitglieder die Predigt des Amir (dem Führer) zuhören, Gebete verrichten, den          Koran rezitieren und gemeinsam speisen.
  4. Ikram al-Muslim: Ehrung und Respekt gegenüber Mitmuslimen.
  5. Ikhlas-i-Niyyah: Das eigene Leben in der Anrufung Allahs reformieren, indem man jede menschliche Handlung um Allahs willen und mit dem Ziel der Selbstveränderung ausführt.
  6. Dawah / Tabligh: Das eigene Leben auf den Grundlagen des Glaubens führen und dem         Vorbild Muhammads und seiner Botschaft folgen, sowie diese von Tür zu Tür zu tragen.

Mitglieder der Tablighi Jamaat sind verpflichtet, regelmässig missionarisch tätig zu sein. Sie sollen damit zum einen den Glauben verbreiten, aber auch selbst mehr Frömmigkeit erlangen durch die Tätigkeit als Predigende. Empfohlen wird, jeden Monat mindestens drei Tage Missionsarbeit in der eigenen Umgebung und zusätzlich 40 Tage im Jahr im In- und Ausland zu absolvieren. Einmal im Leben sollen alle Mitglieder zu einer Fortbildung nach Bangladesch, Indien und Pakistan reisen. Auf dieser viermonatigen Missionsreise sollen die Mitglieder die Quellen der Bewegung kennenlernen. Ausserdem gibt es ein jährliches Mitgliedertreffen der Tablighi Jamaat in Bangladesch.

Da es der Tablighi Jamaat wichtig ist, dem Weg Muhammads und seiner Gefährten möglichst genau zu folgen, wird empfohlen, traditionelle islamische Kleidung zu tragen und als Mann den Bart wachsen zu lassen. Beides soll Ausdruck einer Identität der Abwendung von der westlichen Moderne sein. Generell ist dei Tablighi Jamaat gegenüber Nichtmuslimen eher abweisend und schliesst sie aus.

Frauen nehmen zwar auch an der Missionsarbeit teil, werden jedoch dazu ermutigt, zuhause zu bleiben. Die Trennung von Mann und Frau wird als sehr wichtig angesehen. In Begleitung eines engen männlichen Verwandten können die Frauen unter anderen Frauen oder Familienmitgliedern arbeiten, solange sie die Regeln der Bescheidenheit und Geschlechtertrennung beachten. Es wird von Frauen in der Tablighi Jamaat erwartet, strenge Verschleierungsvorschriften zu befolgen und auch Gesicht und Hände zu bedecken.
Auf der Führungsebene der Bewegung spielen Frauen kaum eine Rolle.

Bei ihrer Missionsarbeit predigen die Mitglieder der Tablighi Jamaat in Moscheen, gehen von Tür zu Tür und führen Einzelgespräche mit Interessierten. Dabei versuchen sie in der Regel säkulare muslimische Jugendliche dazu zu bewegen, öfter in die Moschee zu gehen. Um Mission bei Nichtmuslime geht es der Tablighi Jamaat nach eigenen Angaben nicht. In der Schweiz kommt es in der Praxis aber immer wieder zur Anwerbung von Nichtmuslimen.

Auch in der Schweiz gibt es einige Moscheen der Tablighi Jamaat und Missionsanstrengungen.

In Neu-Delhi in Basti Hazrat Nizamuddin befindet sich das Weltzentrum der Tablighi Jamaat. Die Ältesten der Bewegung leben dort, wie auch die Führung der Tablighi Jamaat. Seit dem Tod des dritten Führers Inʿām al-Hasan 1995 wird die Bewegung von einem dreiköpfigen Konsultativgremium geführt.

Die europäische Zentrale befindet sich in Dewsbury (Grossbritannien). Dort werden junge Muslime zu Islamgelehrten im Sinne der Lehren der Tablighi Jamaat ausgebildet.

Daneben bestehen zahlreiche weitere Zentren in verschiedenen Ländern, die Markaz genannt werden. Sie werden von den Mitgliedern meist selbst gegründet und koordinieren die Missionsarbeit.

Die Tablighi Jamaat und Terrorismus

Die Tablighi Jamaat ist keine terroristische oder gewaltbereite Organisation. Sie vertritt aber eine fundamentalistische Glaubensauffassung, der zum Teil auch radikalere Personen angehören. Es besteht dadurch eine Gefahr, dass in Einzelfällen Personen durch das Umfeld der Tablighi Jamaat in Kontakt mit terroristischen Strukturen kommen könnten. Fakt ist, dass in diversen Terrorismusverfahren in den letzten 20 Jahren die Tablighi Jamaat immer wieder aufgetaucht ist.

Der Imam der Dar-Assalam-Moschee in Kriens LU

In der Dar-Assalam-Moschee der Islamischen Gemeinde Luzern (IGL) in Kriens LU wurde dem Imam der Moschee vorgeworfen, er habe in der Freitagspredigt vom Recht der Männer gesprochen, die Ehefrau mit leichten Schlägen zu disziplinieren, wenn sie widerspenstig sei oder ohne Erlaubnis des Mannes das Haus verlassen wolle. Die Staatsanwaltschaft Luzern hatte darauf ein Strafverfahren gegen den Imam eingeleitet wegen Verdachts, er hätte öffentlich zu Verbrechen oder Gewalttaten aufgerufen. Die Islamische Gemeinde Luzern distanzierte sich öffentlich von Predigten, die zu Verbrechen und Gewalttaten aufrufen würden. Zudem wurde der betroffene Imam entlassen. Die Aussagen des Imams wurden von der IGL jedoch nicht explizit verurteilt und der Vorstand des Moscheevereins trat lediglich als anonymes Gremium in Erscheinung. Kritik hagelte es gegen die Islamische Gemeinde Luzern, da dieses Gremium sich nicht die Mühe machte, eine zeitgemässe Interpretation der entsprechenden Koranverse zu liefern. Weitere Kritik kam wegen der Tatsache, dass die Verantwortlichen nie namentlich erwähnt wurden. Belegt war jedoch, dass Vertreter der Tablighi Jamaat in der betroffenen Moschee ein und aus gingen.(https://www.tagesanzeiger.ch/eine-explizite-verurteilung-toent-anders-697523371651)

Anschläge in London 2005

Nach islamistischen Terroranschlägen in London 2005 stand die Tablighi Jamaat unter Verdacht: Die Selbstmordattentäter hätten eine Moschee in Dewsbury Grossbritanien frequentiert, die bekanntermassen das Hauptquartier der Tablighi Jamaat in Europa war. Dass die Tablighi Jamaat jedoch direkt an den Anschlägen beteiligt war, wurde nie bestätigt.

Fatwa über Tablighi Jamaat

In einer Fatwa hat Schaykh ‚Abdul-‚Azīz Ibn Bāz (1912-1999) festgelegt, dass man der Tablighi Jamaat nicht beitreten solle. Begründung dafür sei, dass sie von der Lehre abgewichen sei, Neuerungen angenommen hätte (Bidah) und Vielgötterei (Schirk) begehen würde. Sie besässe kein fundiertes Wissen und könnte so auch nicht die Wahrheit lehren.

Sheikh Assim Al Hakeem sagte 2019 etwas sehr Ähnliches über die Tablighi Jamaat. Die Gruppe hätte zwar gute Ansätze, wäre aber von den Lehren des Islams abgewichen. Sie würde Wissenschaft prinzipiell ablehnen und hätte auch theologisch keine Ahnung.

Der Deutsche Verfassungsschutz

In Deutschland stand die Tablighi Jamaat unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Der Organisation wurde vorgeworfen, eine weltweite Islamierung anzustreben. Ausserdem könne «ihre intensiven Missionsbemühungen sowie das vermittelte rigide Islamverständnis … eine desintegrative und radikalisierende Wirkung entfalten», befürchtete der Verfassungsschutz.

Basel 2009

Die Tablighi Jamaat hat diverse Ableger in der Schweiz, ihre grösste Gemeinde soll in Basel sein. Diese verkehrte in der Arrahma Moschee, wo der Imam Ridha Ammari 2009 Schlagzeilen machte. Er soll während einer Predigt gesagt haben, dass alle Menschen, welche Allah nichr anerkennen würden, niederer seien als Tiere.

Weltweit sollen ca. 20 Millionen Menschen zur Tablighi Jamaat gehören, was sie zu einer der grössten muslimischen Organisationen macht.

Zentren sollen in 200 Ländern bestehen.

Für die Schweiz sind keine Zahlen bekannt, gerechnet wird mit ein paar hundert Mitgliedern.

Iman-Verein Wädi
Florhofstrasse 7
8820 Wädenswil
https://iman-verein.ch/

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