Verein zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM)

älterer Name: Zürcher Schule

Umgang mit Lieblings Leben

Über Lieblings Biografie gibt es wenig gesicherte Daten. Liebling und seine engen Vertrauten haben seine Lebensgeschichte weitgehend geheim gehalten. Nach aussen drang nur, was zu Lieblings Selbstdarstellung passte. Eugen Sorg schreibt dazu: «Mit beharrlicher Konsequenz betrieb Liebling die Abschirmung seiner Vergangenheit und seiner Person. Er bestand darauf, das zu sein, was die Gruppe aus ihm machte und als was er sich selber präsentierte: der vollendete Meister, der Zarathrustra der psychologischen Kunst, geschichtslos vollkommen.» (Sorg, 1991, S. 114). Allgemein erzählte man sich, Liebling sei der Sohn eines Gutshofbesitzers gewesen, der bereits verstarb, als Friedrich noch ein kleines Kind war. Friedrich sei im altkatholischen Glauben erzogen worden, habe jedoch inmitten einer jüdischen Umwelt gelebt, weshalb er mit jüdischen Bräuchen vertraut sei. Eine der folgenreichsten Erzählungen über Lieblings Leben war sein angebliches Studium bei Alfred Adler, einem österreichischen Arzt und Psychotherapeut, der die sogenannte Individualpsychologie ins Leben rief.
Die stichhaltigsten Informationen zu Friedrich Liebling stammen aus dem Buch «Lieblings-Geschichten» von Eugen Sorg, einem ehemaligen Mitglied des VPM. Er arbeitete mit Dr. Mario König zusammen, der für die Recherche der nachfolgenden historischen Zusammenhänge verantwortlich war.

Kindheit und Jugend

Liebling wurde am 25. Oktober 1893 in Augustowka, einem Dorf der Provinz Galzien, mit dem Vornamen Salomon geboren. Galizien gehörte zu Österreich-Ungarn und lag im heutigen Süden Polens und im heutigen Westen der Ukraine. Gesprochen wurde in Lieblings Umfeld hauptsächlich Jiddisch und Polnisch, sowie von griechisch-katholisch geprägten Ukrainern (früher «Ruthenen») stammendes Russisch. Das erklärt sowohl Lieblings starken jiddischen Akzent, den er Zeit seines Lebens besass, als auch seine polnischen und russischen Sprachkenntnisse, von denen er behauptete, sie durch eine russische Kriegsgefangenschaft erhalten zu haben.
1911 starb Leib Liebling, Lieblings Vater, der wahrscheinlich kein Gutsbesitzer war, sondern mit kleineren Geschäften wie beispielsweise als Krämer den Lebensunterhalt seiner Familie erbrachte. Die Familie muss die Geschäfte ein wenig weitergeführt haben können, da viele Familienmitglieder noch einige Jahre nach seinem Tod in Augustowka lebten.

Emigration und Leben in Österreich

Liebling hingegen emigrierte bereits 1913 nach Wien und diente im Ersten Weltkrieg bis 1918 der österreichischen Armee. Seine Familie folgte ihm in den darauffolgenden Jahren teilweise nach Österreich. Im Anschluss an den Krieg unternahm Liebling den Versuch, sich von seiner jüdischen Herkunft loszusagen: Er änderte seinen Namen zu Friedrich, heiratete die aus katholischem Hause stammende Maria Ulbl und zog mit ihr in den Stadtteil Ottakring, der einen der niedrigsten jüdischen Bevölkerungsprozente der Stadt aufwies. 1921 und 1925 wurden die gemeinsamen Töchter Erna und Lillian geboren. Die Familie Liebling lebte in drei Generationen gemeinsam in der Fröbelgasse 19 in Ottakring. Er arbeitete als Kaufmann und gründete 1923 mit seinem 1921 emigrierten Bruder Wilhelm die Firma Gebrüder Liebling, einen Gemischtwarengrosshandel. Grosse Erfolge verzeichnete das Unternehmen jedoch nicht, 1927 liessen die Brüder die Firma wieder aus dem Handelsregister löschen.

Flucht aus Österreich in die Schweiz

Dem wachsenden Antisemitismus der 1930er Jahre und dem drohenden Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich ausgesetzt, liess sich Liebling 1937 einen Reisepass ausstellen, kündigte kurz darauf seine Wohnung und verliess Wien gemeinsam mit seiner Frau und seinen Töchtern. Allerdings kehrten sie im Februar 1938 zurück. Wo sie sich in der Zwischenzeit aufhielten, ist bis heute nicht geklärt. Am 17. August 1938 folgte dann die endgültige Abmeldung von Familie Liebling aus Wien mit dem Ziel, in die Schweiz zu gehen. Liebling selbst befand sich schon seit dem 05. August 1938 in Schaffhausen. Dort waren sie zusammen mit der Familie Rattner untergebracht, deren Sohn Josef nach der Ausreise seiner restlichen Familie nach Brasilien im Jahr 1946 zu Lieblings Ziehsohn werden sollte. Mit der harschen Schweizerischen Migrationspolitik der 1930er und 1940er Jahre konfrontiert, mussten sich die Lieblings regelmässig um neue Aufenthaltsgenehmigungen bemühen, die anfangs monatlich und später jährlich erneuert werden mussten. Friedrich und Maria war es strengstens untersagt zu arbeiten, die Töchter Erna und Lillian nahmen immer wieder kleine Tätigkeiten an. Jedoch wurden Sie – noch mehr als ihre Eltern – zur Ausreise angemahnt, bis sie Ende der 1940er Jahre in die USA emigrierten. Kurz darauf, am 31.12.1950 erhielten Friedrich und Maria Liebling eine definitive Aufenthaltsgenehmigung. Liebling verbrachte den Grossteil seiner Zeit in der Stadtbibliothek, in der er autodidaktisch psychologische und politisch-philosophische Schriften studierte. Einen Schwerpunkt bildeten Publikationen Alfred Adlers sowie sozialrevolutionäre und individualanarchistische Werke.

Gründung der Beratungsstelle

Liebling war ab 1959 im Adressbuch der Stadt Zürich als «Psychologe» geführt, zuvor als «Privatier». 1955 gründeten Liebling und Josef Rattner die «Psychologische Lehr- und Beratungsstelle» Zürich, die Basis für die spätere «Zürcher Schule».

Offiziell wurde der «Verein zur Förderung psychologischer Menschenkenntnis» (VPM) 1986 gegründet. Vorangegangen war die «Zürcher Schule» Friedrich Lieblings, aus dessen Kreisen spätere VPM-Mitglieder mehrheitlich stammten.

Entstehung

1955 gründete Friedrich Liebling zusammen mit seinem Pflegesohn Josef Rattner die «Psychologische Lehr- und Beratungsstelle Zürich».
Während es sich dabei zu Beginn um intellektuelle Gesprächszirkel mit linken und sozialanarchistischen Ideen handelte, entwickelte sich später ein Personenkreis um Friedlich Liebling, der immer mehr auf seine psychologischen Tipps angewiesen war. In der gesamten Zeit des VPM stammten seine Mitglieder hauptsächlich aus akademischen Kreisen, Personen aus den Studienfächern Psychologie, Medizin oder Gesellschaftswissenschaften bildeten den Kern der Gruppe.

«Zürcher Schule»

1967 taufte Liebling die Beratungsstelle in «Zürcher Schule» um. Alleinstellungsmerkmal dieser war die Therapie in Grossgruppen, von der behauptet wurde, in wenigen kurzen Gesprächen bisher nicht kurierbare seelische Belastungen aus dem Weg räumen zu können. Bei diesen Massentherapien konnten alle Teilnehmenden therapeutischen Rat erteilen. Am Ende kam es jedoch auf die Aussagen Lieblings an, denen sowohl von Seiten der Ratsuchenden, als auch von Seiten der Therapierenden, eine absolute Bedeutung zugeschrieben wurde.
Anhängende beschreiben die Therapie in Grossgruppen als Beichte-ähnliche Erlebnisse, welche die mit den persönlichen Problemen einhergehende Scham verringerte. Diese einschneidenden Offenbarungs-Momente lösten in einigen Ratsuchenden das Gefühl aus, akzeptiert zu sein, was sie zuvor vermisst hatten und anschliessend immer wieder hervorzurufen versuchten. Wenn Mitglieder zu diesem Zweck in der Zukunft ihre Probleme an die in der Gruppe erwünschte Weltanschauung sowie an die Regeln des Zusammenlebens anpassen mussten, nahmen es einige bereitwillig hin. Allerdings merkten viele Interessierte gleich zu Beginn, dass in der Zürcher Schule keine eigene, sondern nur die Meinung Lieblings gefragt war und blieben der Gruppe fern. Liebling selbst habe zu diesen Fällen kommentiert, dass von zehn Menschen, die kämen, nur einer in der Lage sei, zu bleiben. Der Herausforderung, sich mit Psychologie auseinanderzusetzen, sei nicht jeder gewachsen.
Der VPM bildete in diesem Sinn schon zu Zeiten Lieblings eine Gruppe, die sich mit einer exklusiven und für Kritik unempfänglichen Struktur präsentierte. Liebling galt als Meisterfigur, die verehrt und gefürchtet wurde. Sein Tod am 28. Februar 1982 stellte dementsprechend eine grosse Herausforderung für den VPM dar.

Nachfolge Lieblings

Die Nachfolge Lieblings wurde im VPM kontrovers diskutiert, auch weil kein Testament hinterlassen und keine definitive Nachfolge bestimmt wurde. Hierarchisch hochstehende Mitglieder stellten sich die Frage, welche Rolle die Töchter Lieblings einnehmen würden. Die in den USA wohnhaften Schwestern hatten kein Interesse, Lieblings Nachfolge zu übernehmen, kamen allerdings dem Wunsch ihres Vaters nach, die Beratungsstelle weiterzuführen und nicht zu veräussern. Es wurde eine Dreier-Spitze gegründet, zu der Antonio Cho, Ernst Frei und Annemarie Buchholz-Kaiser gehörten.

Annemarie Buchholz-Kaiser und der spätere VPM

Die führende Gestalt des Trios war Annemarie Buchholz-Kaiser, eine treue und vor allem skandalfreie Anhängerin Lieblings. Sie wurde 1939 geboren und wuchs in Dussnang, Thurgau auf, wo ihr Vater Verwalter der Dorfbank war. Nach einer kaufmännischen Lehre und einer Abendmatur in Zürich kam sie in Kontakt mit Friedrich Liebling und studierte Geschichte und im zweiten Nebenfach Psychologie. 1976 doktorierte sie mit einer Arbeit über das Gemeinschaftsgefühl bei Alfred Adler. Im Unterschied zu Liebling wirkte sie zurückhaltend. Ihr gelang es dennoch auf effiziente Weise, Kritik an ihr vorwegzunehmen, indem sie diese als Kritik an Lieblings Werk umdeutete. Etwaige Sorgen von Mitgliedern über die finanzielle Lage der Beratungsstelle wurden von ihr als eigene schlechte Geldabsichten interpretiert. Sie etablierte nach Lieblings Vorbild ein System, in dem die Bedeutungshoheit über die eigenen Gedanken immer der Leitungsfigur und ihren Untergebenen obliegt.

Politische Wende

Unter der Leitung Buchholz-Kaisers verstärkte sich so der schon früher zu beobachtende, fast grenzenlose Respekt hilfesuchender Vereinsmitglieder gegenüber der Autorität der fachlichen Leitung und die heftige Reaktion der Leitung auf Kritiken und sog. Sektenvorwürfe von Seiten aussenstehender Kritiker und ehemaliger Mitglieder. In den frühen neunziger Jahren weiteten sich die Auseinandersetzungen mit Kritikern im Raum Zürich zu einer Prozesslawine aus. In eigenartigem, aber nur den Kritikern auffallenden Gegensatz zu Friedrich Liebling begann der VPM, vor einer linken Unterwanderung des Erziehungswesens und der Gesundheitspolitik zu warnen. In Sachen Drogenpolitik entwickelte der VPM aus Perspektive der Kritiker rechtsbürgerliche Positionen. In sogenannten «Mut zur Ethik-Tagungen» verbanden sich VPM-Psychologen mit ausgeprägt konservativen Christen. Homosexualität wurde scharf verurteilt. Kritikerinnen und Kritiker erklären diese dem VPM selbst nicht bewusste Wende von den religionskritischen, anarchistischen-linkssozialistischen Anfängen zu den rechtsbürgerlichen, religiös-konservativen Positionen der späteren Zeit mit der ausgeprägten Autoritätsgläubigkeit der Zürcher Schule und des späteren VPM.

Auflösung

Der VPM wurde offiziell am 03. März 2002 aufgelöst, wobei in den Jahren zuvor bereits mehrere verwandte Organisationen zu Tage getreten sind, im Rahmen derer ehemalige Mitglieder noch weiterwirkten. Inwieweit heute solche ehemaligen VPM-Mitglieder Einfluss nehmen, ist fraglich. Nach der Auflösung sollen sich ehemalige Mitglieder gehäuft in die Region Wil-Hinterthurgau zurückgezogen haben.
2014 stirbt Annemarie Buchholz-Kaiser im Alter von 74 Jahren.

Aus der für den VPM charakteristischen Autoritätsgläubigkeit resultierte für die Mitglieder immer diejenige Weltanschauung, die mit jener der Leitungsperson weitgehend übereinstimmt.

Weltanschauung von Friedrich Liebling

Friedlich Liebling bediente sich seiner Zeit an Konzepten von Alfred Adlers Individualpsychologie, im Besonderen betonte er die Bedeutung von Gemeinschaftsgefühl, Minderwertigkeitsgefühl und -komplex sowie Psychoedukation von Eltern und anderen Erziehenden. Letzterem schrieb Liebling eine besondere Rolle zu, da er im Diskurs rund um Umwelt vs. Gene der Umwelt eine eindeutig überlegene Rolle zuordnete und Menschen vorwiegend als Produkt von Milieu und Erziehung sah. Diese Ansicht bildet einen Kontrast zu Lieblings Glaubenssatz «Der Mensch ist gut.», der Menschen wesentliche moralische Kompetenzen zuschreibt, sowie einen Wesenskern, der nicht ausschliesslich marionettenhaft von Erziehenden und Therapeutinnen und Therapeuten hergestellt wird. Liebling glaubte, der Mensch müsse von jeglicher institutionellen Macht befreit werden. Besonders Religion und Kirche stellten für ihn in diesem Sinne Feindbilder dar. Ausschlaggebend für die Entwicklung des VPM war Lieblings Überzeugung, dass es eine wahre Psychologie gebe, deren Erkennung zu Freiheit und Glück führe. Dieser jeglicher Wissenschaftlichkeit gegenüberstehende Glaube legte den Grundstein für die Folgsamkeit seiner Anhängerschaft, so gab es zu jeder Zeit eine utopische Vorstellung, zu der man nur durch Lieblings Wissen gelangen zu können schien.

Weltanschauung von Annemarie Buchholz-Kaiser

Buchholz-Kaiser sah sich in der Verantwortung, die Beratungsstelle weiterzuführen und glich Liebling insofern, als dass auch sie Psychologie als Heilsprogramm verwendete. Die von ihr verbreitete «wahre» Psychologie wurde allerdings im Vergleich zu Liebling mit fast gegensätzlichen politischen Werten unterfüttert. Sie nahm eine ultrakonservative Position ein, die sich beispielsweise in der Diskriminierung Homosexueller äusserte. Im Vordergrund stand für Buchholz-Kaiser die Angst vor einer linken Verschwörung, die sich für sie in etablierten Strukturen wie dem Erziehungswesen offenbarte.

Die Weltanschauung innerhalb des VPM machte von aussen betrachtet eine schwer zu erklärende Kehrtwende durch. Gleich blieb jedoch das Gefühl der Anhängerschaft, wegen ihres wahren Wissens unverstanden und zu Unrecht in den Hintergrund gerückt zu sein. Der Elitarismus der Gruppe blieb von dem politischen Wandel unangetastet und bildet ein zeitübergreifendes Merkmal.

Führungskult

Der VPM funktionierte sowohl zu Zeiten Lieblings, als auch später unter der Leitung von Annemarie Buchholz-Kaiser als strenge Hierarchie, an deren Spitze eine von jeglicher Kritik ausgenommene Figur stand. Liebling wurde von seiner Anhängerschaft in einem Personenkult verehrt, der sonst aus radikalen religiösen Gruppierungen bekannt ist, wenn sich die Leitungsperson als gottähnliches Wesen feiern lässt. Seine Nachfolgerin verwendete diese Dynamik, um sich, wenn auch weniger charismatisch veranlagt, in eine ähnliche Position befördern zu lassen.

Erzeugung von Abhängigkeit

Liebling hatte ein System etabliert, in dem nur er Zugang zu einem psychologischen Allwissen zu haben schien und seine schwankende Bereitschaft, dieses vermeintliche Wissen zu teilen, machte seine Anhängerschaft von ihm abhängig. Der Umstand, dass die als solche bezeichneten Therapien nicht terminiert waren, erschwerte diese Wirkung. Für Liebling und Buchholz-Kaiser ergab sich daraus die Situation, ihren Mitgliedern einerseits die Hoffnung zu lassen, irgendwann gesund zu werden und zu diesem Zweck immer auf das geheime Wissen angewiesen zu sein, das andererseits nie erfasst werden würde. Bei denjenigen Mitgliedern, bei denen sich jeder Spagat erfolgreich halten liess, erzeugten sie eine intensive Abhängigkeit.

Exklusivität und Elitarismus

Ein ähnliches Spannungsfeld entstand durch den Anspruch, eine psychologische Elite herauszubilden, die über allen anderen Schulen und über wissenschaftlichen Ansätzen stand. Auf der einen Seite wurde gelehrt, dass man nur durch den VPM wahrlich gesund werden und das wahre Wissen erhalten kann, auf der anderen Seite kann dieses Ziel nie wirklich bei der Leitung zur Debatte gestanden haben. Eine Emanzipation der Mitglieder wäre die Folge gewesen. Das Feindbild, das die Gruppe zur Stärkung ihres eigenen Überlegenheitsgefühls errichtete, veränderte sich von Religion und Staat zu linker Politik und liberalen Werten. Die starke Abgrenzung nach aussen wurde sicherlich durch die von Liebling vorgegebene Unterscheidung in gute und schlechte Gefühle befeuert. Die zum Scheitern verurteilte Praxis der Unterdrückung eigener Gefühle und Gedanken führte dazu, dass die Aggression, die ursprünglich durch die Ungerechtigkeiten innerhalb der Gruppe entstanden waren, nach aussen gerichtet wurde.

Kritikverbot

Aus der Meisterverehrung und dem absoluten Anspruch auf eine wahre Weltanschauung ergab sich ein Kritikverbot gegenüber der Leitung. Liebling und Buchholz-Kaiser verstanden es beide auf ihre Art und Weise, Kritik als offenbarte Unzulänglichkeit der Anhängerschaft oder Aussenstehender darzustellen. Bewegte man sich innerhalb der Logik des VPM, ergab das einen gewissen Sinn: Dem absoluten Wahrheitsanspruch Lieblings folgend, müssen alle Abweichungen von ihm zwangsläufig als falsch bewertet werden. Übertragen auf psychologische Gesundheit bedeutet das, dass andere Meinungen eine psychische Unvollkommenheit zu Tage treten lassen, was wiederrum beim VPM eine niedrigere Stellung innerhalb der Gruppe zur Folge hatte. So waren die Mitglieder im Sinn einer angeblichen Genesung und eines Aufstiegs in der Gemeinschaft darauf angewiesen, eigene Meinungen von vorneherein umzudeuten, was nicht bei wenigen zu Identitätskrisen führte.

Intransparenz und Geheimniskrämerei

Beim VPM wurde kaum zwischen denen unterschieden, die andere zu therapieren versuchten und denen, die in Behandlung waren. Meistens waren bei Mitgliedern beide Rollen erfüllt, was eine untragbare Vermischung von verschiedenen Machtgefällen bedeutete. Diskussionen um Machtwechsel und Finanzen waren einfachen Mitgliedern trotz ihrer aufopferungsvollen Teilnahme am Geschehen des VPM meist verwehrt. Zu Zeiten Lieblings sollen zum Schutz der Gruppe sogar sogenannte Doppelbibliotheken geführt worden sein, um mögliche Kontroversen vorwegzunehmen. Später engagierte man sich im Gegensatz dazu auf konfrontative Weise, in dem man sich in den verschiedenen politischen Aktionen des VPM und in den zahlreichen Prozessen einsetzte.

Einmischung in Privates

Die Einflussnahme des VPM auf seine Mitglieder gipfelte im Versuch, ihr Privatleben so zu beeinflussen, dass es so weit wie möglich den gruppeninternen Vorstellungen entsprach. Es wurde proklamiert, was angebrachte Sexualpraktiken seien, wer wohl für eine Partnerschaft geeignet wäre (und wer nicht) und wie die Familienplanung auszusehen habe. Das unausgesprochene Gebot, kinderlos zu bleiben, führte bei zahlreichen Männern zu Vasektomien, die im Nachhinein teilweise bereut worden sind.

Diskriminierung

Während unter Lieblings Leitung grosse Institutionen scharf kritisiert worden sind, wurden später Minderheiten zum Feindbild erklärt und mindestens ebenso rigoros verurteilt. Die Bezeichnung Homosexueller als «psychisch irritiert» und deren Diffamierung im Rahmen des vom VPM inszenierten Kampf gegen HIV waren Teil ihrer neuen politischen und weltanschaulichen Ausrichtung.

Kontrollmechanismen

Umstritten war die Praxis den VPM, persönliche Gespräche und Gruppentherapien aufzunehmen und die Tonaufzeichnungen anderen Mitgliedern auszuleihen, wenn Interesse bekundet wurde. Das Erpressungspotenzial, das sich aus dem Besitz dieser sensiblen Daten ergab, wurde vielfach kritisiert und teilweise als Instrument gedeutet, Kritikerinnen und Kritiker mundtot zu machen.

Institut für Personale Humanwissenschaften und Gesellschaftsfragen (https://iphg.ch/)

Hippokratische Gesellschaft Schweiz (HGS) (https://hippokrates.ch/)

Forum Naturrecht und Humanismus (https://naturrecht.ch/)

Verein Jugendberatung (https://www.verein-jugendberatung.ch/)

Personale Psychologie und Pädagogik (Zeitschrift)

Genossenschaft «Zeit-Fragen» und die gleichnamige Zeitung (https://www.zeit-fragen.ch/)

Forschungsinstitut direkte Demokratie (https://www.fidd.ch/Home.html)

Arbeitsgemeinschaft «Mut zur Ethik» (https://mut-zur-ethik.ch/)

Nachfolgeorganisationen oder Einzelpersonen aus dem VPM-Kreis fallen immer wieder durch ihre Beteilung an politischen Diskussionen auf, meistens an solchen, die mit dem Erziehungswesen in Zusammenhang stehen.

Bei der Einführung des Lehrplans 21 fanden sich im Kreis der kritischen Stimmen Bezüge zu ehemaligen VPM-Mitgliedern. Teil des Initiativkomitees war beispielsweise der Präsident der Genossenschaft «Zeit-Fragen», welche die gleichnamige, VPM-nahe Zeitung herausgibt. In einem Komitee war auch Judith Barben, eine ehemalige VPM-Anhängerin, die 2018 eine Kampfschrift gegen den Lehrplan 21 veröffentlichte und in Corona-Protest-Bewegungen auftrat. Die Verschwörungstheorie einer linken Unterwanderung von Medien und Erziehung wurde in den Post-Corona-Bewegungen rezipiert und bildet ein Verbindungsglied zu ehemaligen VPM-Mitgliedern.

Auffällig ist, dass die bewusste Verschleierung der eigenen VPM-Vergangenheit sowie die Konsequenzen der Aufdeckung einer solchen in den letzten Jahren abzunehmen scheinen. So wurde 2016 die Mitgliedschaft Karen Nestors bei der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz sowie ihre ehemalige Mitgliedschaft beim VPM im Rahmen ihrer Stelle als Oberärztin im Kantonsspital St. Gallen bekannt. Der mediale Aufschrei führte wider Erwarten nicht zu einem Einbruch ihrer Karriere und die 2024 angetretene Stelle zur Chefärztin zog keinerlei negative mediale Reaktionen nach sich.

Allgemein wurden Diskussionen um die Finanzierung des VPM von einfachen Mitgliedern vermieden, da sie Ächtung zu befürchten hatten. Zudem hatten nur wenige Mitglieder überhaupt Einsicht in die Finanzierung der Gruppe, es herrschten intransparente Verhältnisse zur Frage danach, wer für seine Therapie-Leistungen bezahlt wurde und wer nicht.

Am 11. Juni 1974 wurde die Beratungsstelle in eine Stiftung umgewandelt, der im Lauf der Jahre fünf Immobilien am Zürichberg überschrieben worden sind. Im Verlauf der Prozellwelle in den 1990er Jahren wurden die finanziellen Mittel des VPM geringer. Kritische Stimmen vermuten, dass dies einen Mitgrund für die Auflösung im Jahr 2002 darstellte.

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