Besuch beim Zweig Bonstetten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage

Dafina Gash, August 2020

Im Gemeindehaus in Bonstetten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (HLT) finden nebst Abendmahlversammlungen auch unterschiedliche Versammlungen für verschiedene Altersgruppen statt. Die Genealogische Forschungsstelle kann gegen eine Voranmeldung besucht werden. Daneben bietet die Kirche noch weitere Veranstaltungen in der Umgebung oder Fahrten zum Tempel in Zollikofen im Kanton Bern an. Die Abendmahlversammlung am Sonntag wurde von relinfo besucht.

Im August 2020 besuchte ich die Abendmahlversammlung der HLT in Bonstetten im Kanton Zürich. Das Gemeindehaus liegt sehr nahe am Bahnhof und fällt durch die Architektur, die HLT-Tempeln ähnelt, auf. Aus Respekt gegenüber den Mitgliedern und um mich nicht von der Masse abzuheben, passte ich mich dem Dresscode an und wählte einen typischen Salt Lake City Look mit einem langen, bedruckten Kleid.

Im Gemeindehaus angekommen, wurde ich etwas stutzig, aber sehr freundlich, begrüsst und gefragt, ob ich von einer anderen Gemeinde komme. Ich stellte mich vor und erklärte, dass mich im Januar zwei Missionare besucht hatten, sowie, dass mich die Kirche allgemein interessiert und ich den Gottesdienst mal anschauen möchte – dies war nicht gelogen! Der Mann freute sich und stellte sich als Christian und Bischof der Gemeinde vor. Eine kurze Recherche ergibt, dass Christian Gräub neben den Tätigkeiten als Bischof auch Vizepräsident der FDP Wettswil und Geschäftsführer einer Baufirma ist. Ich wurde informiert, dass der Gottesdienst in einer halben Stunde im oberen Stockwerk stattfindet und, dass ich mich in der Zwischenzeit gerne umsehen darf.

Die Räume unten schienen eher simpel und dienen wahrscheinlich unterschiedlichen Versammlungen der Gemeinde. In der oberen Etage waren bereits ein paar Leute eingetroffen und begaben sich in den Gottesdienstraum. Ich schaute mir ein paar ausgestellte Bücher im Vorraum an und der Bischof gab mir das Informationsblatt „Der Herold“, in dem die Gemeinde über Aktuelles berichtet. Des Weiteren stellte er mir die neuen Missionare vor, die mich begleiten konnten und bei Fragen zur Verfügung standen. Mit den Missionaren kam ich sehr schnell ins Gespräch und stellte mich und mein Interesse an der Kirche vor. Ich unterhielt mich besonders mit Elder Meier*, der ursprünglich aus Südamerika ist, aber in Spanien geboren war und nun seit ein paar Monaten auf Mission in der Schweiz ist. Er erzählte mir in einwandfreiem Deutsch, dass seine Eltern die Kirche für sich entdeckt hatten und er im Glauben aufgewachsen ist. Wir unterhielten uns immer noch im Vorraum und alle Besucher/-innen, die eintrafen, begrüssten Elder Meier* und stellten sich mir sehr freundlich vor. Ich wurde oft auf meine Herkunft angesprochen und die Mitglieder freuten sich und bemühten sich, meinen Namen richtig auszusprechen.

Wir traten langsam in den Gottesdienstraum ein. Der Raum war mittelmässig gross, mit Stühlen besetzt und hatte zuvorderst eine Tribüne mit Rednerpult. Die Wände waren mit Holzfassaden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eingebaute Soundanlagen hatten, verziert. Wegen der aktuellen Covid-Situation sollten die Mitglieder versetzt sitzen und eine Voranmeldung sei nötig. Ich durfte mich nachträglich manuell eintragen und musste meine Telefonnummer angeben.

Der Bischof bot an, dass ich mich neben seiner Familie setzten darf. Ich lehnte jedoch dankend ab und wollte lieber im Hintergrund bleiben. Elder Meier* wollte sich eigentlich zu mir setzten und mich während der Abendmahlversammlung begleiten. Eine nette Dame kam ihm jedoch zuvor und so kam ich in ein interessantes Gespräch. Die Frau stellte sich mir vor und war überrascht ein unbekanntes Gesicht zu sehen. Sie kam ursprünglich vom Glauben der Orthodoxen Kirche erhielt jedoch ein Zeugnis von Gott und schloss sich der HLT an, die die wahre Kirche sei. Mir wurde gesagt, dass unter den Mitgliedern vereinzelte einen Migrationshintergrund hatten. Das Publikum bestand aus Familien mit jungen Kindern und älteren Paaren. Gemäss den Gesprächen, die ich führte, kamen die meisten Mitglieder aus der Umgebung oder Zürich. Es waren circa 60 Mitglieder vor Ort.

Das Programm der Abendmahlversammlung war der barmherzige Samariter. Geleitet wurde die Versammlung von Paul Johnson, dem Ersten Ratgeber. Er sprach mit erkennbarem englischen Akzent und begrüsste die Besucher/-innen. Leider war er etwas schwer verständlich, eventuell auch, da das Mikrofon mit einem kleinen Plastikbeutel überdeckt war, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Es wurde die Bestimmung eines Missionars und eine andere Kirchenfunktion, die ich nicht richtig verstanden hatte, durch die Gemeinde gefordert. Die Mitglieder stimmten allen Abstimmungen mit erhobener Hand zu. Seiner Ansprache folgte ein Lied aus dem Gesangbuch der Kirche. Insgesamt wurden vier Lieder im Verlaufe der Abendmahlversammlung gesungen.

Weiter im Programmpunkt standen Ansprachen vom Präsidenten und Ersten Ratgeber des Pfahls St. Gallen, Thomas Ottiker. Der Pfahl St. Gallen liegt in der Kirchenhierarchie über den verschiedenen Gemeinden. Ottiker scheint neben dieser Position auch Vorsitzender der Geschäftsleitung des Forensischen Instituts des Kantons Zürich zu sein. Er leitete das Abendmahl ein und nahm seien Platz auf der Tribüne ein. Neben ihm sassen der Bischof, Erster und Zweiter Ratgeber.

Für das Verteilen des Brots und Wassers waren junge Knaben zuständig. Alle waren im Anzug gekleidet und verteilten das Abendmahl auf Tablaren. Zwischen den Redner/-innen wurde ständig das Pult desinfiziert und der Plastikbeutel am Mikrofon gewechselt. Die nächste Rednerin erzählte von der biblischen Geschichte des Samariters und wie wir alle unseren Mitmenschen helfen können. Auf diese Rede knüpfte Thomas Ottiker in seiner Zweiten Ansprache an und betonte, dass wir durch das Meistern der Herausforderungen auf der Erde, Gott näher kommen.

Die Predigten waren, nach meiner subjektiven Meinung, inhaltlich nicht sehr fesselnd und es fiel mir schwer aufmerksam zu folgen. Ähnlich erging es vielen Kleinkindern, die quengelten oder sich in einem Spielecken beschäftigen.

Nach der Abendmahlversammlung wurde ich von meiner Sitznachbarin und Elder Meier* gefragt, ob mir der Gottesdienst gefallen hat. Ich antwortet mit einem Lächeln und sagte, es wäre „okay“ gewesen. Sein Missionarsfreund gab mir die Visitenkarte mit einer Direktwahl und sie meinten, ich kann sie jederzeit kontaktieren und wieder kommen. Meine Sitznachbarin war etwas aufdringlicher und gab mit Ihr Telefon um meine Telefonnummer einzutragen, ich war etwas wiederwillig und ignorierte sie zuerst doch gab schlussendlich nach. Sie sagte mir, dass sie mich und ein paar Missionare sehr gerne zum Essen einladen möchte. Ich war etwas perplex und sagte ihr, dass ich das nicht will. Sie reagierte sehr freundlich und verständlich. Ich fragte sie noch, welche Positionen die Männer auf der Tribüne in der Kirche hatten. Die Frage wurde jedoch falsch verstanden und mir wurde erklärt, dass viele Mitglieder erfolgreiche Geschäftsmänner oder Staatsangestellte sind und ich mit der Zeit auch alle kennenlernen werde. Daraufhin verabschiedete ich mich von meiner Sitznachbarin und Elder Meier* und verliess das Gebäude. Die anderen Besucher/-innen waren alle in Gespräche verwickelt und ich fiel nicht gross auf.

Die HLT ist bekannt dafür, dass Missionare offen und freundlich sind und so begegnete ich auch die anderen Mitglieder der Gemeinde. Es hiessen mich alle sehr willkommen und wollten mich so gut als möglich integrieren. Mir ist jedoch nicht bewusst, wie viele Mitglieder sich offen mit der Geschichte und Kontroversen der Kirche befasst haben oder diese kennen. In meinem Ersten Gespräch mit Missionaren, die bei mir zu Hause geklingelt und mich ursprünglich in die Kirche eingeladen hatten, wurden angesprochene Kontroversen ignoriert und ich wurde auf ein neues und von der Kirche veröffentlichtes Buch verwiesen.

*Name geändert

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