Reflektionen

Dreimal pro Woche in die Kirche; zusätzlich im Kirchenchor, im Grabchor, im Dirigentenkurs, in der Putzkolonne, im Betagten-Fahr-Dienst usw. Das war ich. Damals vor vielen Jahren. Ein treuer Glaubensbruder und (damals) Priestersohn.
Dann…

1989 Der Fall der Mauer…

1991 Der Untergang der Sowjetunion
Auch in meinem Denken fielen Mauern.
Ich begann kritischer und reflektiver zu DENKEN:

  • NAK eine exklusive Entzeitgruppierung? Das Leben ist doch so schön!
  • Warum ist die Welt zum Tode verurteilt? Warum verdient sie ein Ende?
  • Dunkle Drohbotschaften? Warum nicht aufgestellte Frohbotschaften?
  • Warum so autoritär? Warum nicht lockerer?
  • Warum habe ich Angst, wenn ich einen Gottesdienst verpasse?
  • Warum fragen mich dann Brüder/Schwestern wo ich war?
  • Muss ich hier unbedingt Rechenschaft ablegen?
  • Warum ‚Verdienen‘ Apostel so viel Geld? Ist das rechtens?
  • Wieviel Geld opfert mein Vater? Ist das OK?
  • Wann darf ich endlich frei sein und selber entscheiden?
  • Ist das ‚Unsere Familie‘ ein Reise-Photoalbum der Apostel?
  • Wo steht was von ’Entschlafen‘-Gottesdiensten in der Bibel?
  • Ist Gott so kompliziert – und so an Rituale gebunden?
  • Was hat die NAK mit SED und Nazis zu tun? Quellen?
  • ‚Hausbesuche‘ muss das sein? Schon als Kind befand ich mich unter Druck und fürchtete die schwarz gekleideten Männer mehr als den St. Nickolaus.
  • Und warum geht meine Freundin dauernd fremd, wenn ich im W.K. bin?

Fragen über Fragen. Seelisch gings bachab mit mir. Etwas musste geschehen…

1991 ein sonniger Sonntag-Morgen in der Kirche. ‚Einfach so‘ bin ich aufgestanden und langsam hinausgegangen. Für immer. Die Beziehung mit meiner Freundin (ebenfalls neuapostolisch) ging in die Brüche. Die Beziehung zu meinen Eltern wurde schwerer (ich zog von zu Hause aus). Und die Beziehung zu mir selber wurde gefährlich: Als ich nicht mehr in die NAK ging, habe ich sozusagen mein ganzes soziales Umfeld verloren. Ich befand mich quasi in einem sozialen Vakuum.

Allen meinen (Kirchen-(!)) -Freunden hatte ich Karten von meinem Wohnungswechsel geschickt. Niemand hat mir weder zurückgeschrieben noch telefoniert. Niemand!

Auch meine damalige Freundin hat nicht und nie um mich gekämpft. Sie hat sich bald mit zahlreichen ausserneuapostolischen Affären getröstet. (Später hat sie dann einen neuapostolischen (Segen!) Glaubensbruder ergattert und geheiratet)

Was hat das Leben noch für einen Sinn? Für die Uni hatte ich keine Energie mehr. Bald fand ich jedoch Arbeit und ging mit dem verdienten Geld auf weite Reisen.

‚Hilf Dir selbst, dann hilft dir Gott‘;das stimmt!
Reisen bildet; das stimmt auch; Zeit zum Reflektieren…
und Zeit um Entzugssymtome zu mildern wie:

  • Liebesentzug
  • Einsamkeitsgefühle
  • grauenhafte Angstzustände
  • krasse Konzentrationsstörungen
  • geringes Selbstbewusstsein (‚Erröten‘)
  • konfliktscheu und v.a. wenig reflektiert
  • Orientierungslosigkeit/Verunsicherung/Aggressivität

Und wie siehts heute bei mir aus? Ein glücklich verheirateter Mittfünfziger. Meine Frau und meine Kinder sind mein grosses Glück. Ich liebe sie alle. Wir gehen allesamt in keine Kirche und sind (trotzdem!!) glücklich und zufrieden.

Mein Vater ist ein hoher Amtsträger. Damals als er Priester wurde hatte er schon bald sein Lachen verloren. Die schwarze Kleidung gefiel mir nie an ihm. Man konnte als Kind/Jugendlicher nicht mehr so viel Spass und Unsinn mit ihm machen. Das war traurig. In der Kirche erhält er bis heute viel Lob für seine Arbeit. Er meint es gut – sicherlich. – Meine Mutter musste sehr viel auf ihn verzichten. Er war früher nach der Arbeit dauernd unterwegs. Hobbies hat mein Vater keine. Freunde – ausser die Kirche auch keine. Meine Mutter hat ein paar Freundinnen.

Meinen Eltern gehts nicht gut: Trotz vieler Auslandaufenthalte scheinen sie sich nie recht erholen zu können. Ausser wenn sie mich und meine Familie besuchen – da können sie auftanken. Das gibt ihnen Energie. – Die NAK nimmt (Lebens-) Energie.

Ich wünschte mir, meine Eltern wären von Anfang an konfessionslos geblieben.

Vieles wäre vielleicht anders gekommen oder wäre leichter zu ertragen gewesen.

Heute ist wieder ein sonniger Sonntagmorgen. Ich gehe raus und spiele mit meinen Kindern im Schnee. Sie gehen einen anderen Weg als ich – zum Glück!

Zurück zu Neuapostolische Kirche (NAK)