Interview mit Wilhelm Haas

Interview ursprünglich durchgeführt von Laura Rufer im Jahr 2016, freundlicherweise von Wilhelm Haas im Sommer 2019 aktualisiert.

Hexe bedeutet für mich zwischen die Welten wandern. In andere Realitäten abtauchen und sich dort bewegen. Das progressiv habe ich absichtlich hinzugenommen, weil ich aus meiner persönlichen Sicht das Klischee von Hexentum mit Liebeszaubern und Flüchen einfach nicht so vertrete.

Das progressive Hexentum ist inzwischen ein Begriff, der sich weiterverbreitet hat. Das heisst nicht stehen bleiben, auch mal mit den Meinungen anecken, auch mal Sichtweisen vertreten, die nicht der Norm innerhalb des Hexentums entsprechen. Ich habe überhaupt keine Hemmschwelle mich mit Wissenschaft auseinanderzusetzten, zum Beispiel. Ich liebe Wissenschaft. Ich liebe Fortschritt. Ich finde es cool in der Jetzt-Zeit zu leben, etwas an die Zukunft zu denken und mich nicht irgendwo an eine Vergangenheit zu klammern, die so sowieso nicht mehr existiert.

Es gibt eben im Wicca- und im Hexentum auch Leute, die am liebsten „back to the roots“ und in die Vergangenheit zurückwollen. Nur alte Rituale machen, ja nichts Neues rein und die auch zu Magie und Kartenlegen eine traditionelle Einstellung haben (Stichwort «Wahrsagen»). Ich sehe meine Einstellung recht modern und deswegen progressiv. Ich mag mich selbst nicht irgendwo «schubladisieren» und will mich auch nicht in eine Schublade stecken lassen. Und progressive Hexe passt da am besten. Das heisst, man bleibt am Ball, respektiert und ehrt die Wurzeln, aber schafft trotzdem etwas Neues.

Wir haben uns schon vier Jahre gekannt, der Coven bestand seit zwei Jahren, da haben wir uns im Laufe der Zeit etwas auseinanderentwickelt. Es gab ein Mitglied im Zirkel, dass die ganze Zeit lästerte. Ich war damals Vegetarier, inzwischen bin ich Veganer, und die Person lästerte immer über Bio, Veganer und so weiter. Da fühlt man sich nicht mehr respektiert.

Die spezielle Person hat Wicca gelebt wie Katholizismus, einfach auf Wicca übertragen. Also quasi wir feiern unsere Rituale, da singen wir oh Göttin, oh Gott, aber in der Alltagsphilosophie hat sich nichts niedergeschlagen. Wir merkten irgendwann einfach, dass es nicht mehr passte, sind aber immer noch befreundet. Jeder lebt seinen Weg auf seine eigene, ganz persönliche Art. Eine Kollegin von mir, hat auch ein kleines Ritualgrüppchen, in dem ich vor kurzem Litha mitfeiern konnte.

Das hatte ich. Es war ein sehr unkonventioneller Coven. Ich war zwar offiziell der High Priest, aber ich sah und sehe mich gar nicht so und mein Ziel ist es seit jeher gewesen die Menschen für ihre eigene «Priesterschaft» zu sensibilisieren. Ich bin kein Fan mehr von Hierarchien, auch wenn Priesterschaft natürlich bedeutet, dass man etwas gelernt hat, das man vermitteln kann und auch die Herausforderungen kennt und mit ihnen umgehen kann. Und Erfahrung mit der Materie ist unerlässlich und insofern bin ich für meine Ausbildung in die Wicca-Priesterschaft sehr dankbar, habe viel gelernt und erfahren dürfen. Und lerne immer noch.

Nein, der hat eine ganz andere Philosophie. Er ist am ehesten den Atheisten zuzuordnen, auch wenn er sich dem Gedanken an eine göttliche Präsenz nicht verschliesst, für ihn das «Universum» an sich als lebendiges Bewusstsein, was auch mir nicht fremd ist. Er mag Philosophie auf fast schon etwas therapeutischer Ebene. Es passt einfach, denn ich denke im Grunde genommen nicht viel anders. Für mich ist Spiritualität nicht an Götter oder Göttinnen gebunden, sondern einfach an das Leben. Wenn mein Mann jetzt finden würde, alle Religionen seien grundsätzlich bescheuert, dann hätten wir wahrscheinlich auch irgendwo ein Problem. Denn das mag ich nicht vertragen.

Das ist eine schwierige Frage, da ich viele Rituale mache. Ich praktiziere manchmal Rituale, um ins Gleichgewicht zu kommen. Ich mache viele Dankesrituale. Jeden Morgen praktiziere ich ein Ritual, in dem ich die Elemente begrüsse, also Erde, Wasser, Feuer, Luft und dann den Geist/Spirit, in Form von Göttin und Gott, weil ich es so kennengelernt habe und es mich meine Beziehung zum «AllEins» intensiver wahrnehmen lässt. Dankbarkeitsrituale sind für mich wichtig, da man manchmal schnell vergisst, was man alles hat und wie gut es einem eigentlich geht. Gerade wenn man eine Krise durchmacht, ist es wichtig sich ins Gedächtnis zu rufen, was alles gut ist und kleine Dankesrituale zu machen. Natürlich feiere ich mit den Leuten und auch jenen Teilnehmern vom Crafting die Jahreskreisfeste. Ich mache zum Vollmond ein Ritual, wo ich schlicht und einfach die grosse Göttin begrüsse und mich bedanke, dass sie mich begleitet.

Aber der Mond ist für mich nicht die Göttin in dem Sinne. Der Vollmond ist ein Symbol für die Göttin und der volle Mond hat schon immer von klein weg einen Einfluss auf mich gehabt. Ich wurde hibbeliger, hob noch mehr ab als sonst. Was auch lustig ist: seit ich 40 bin hat sich das etwas geändert und jetzt ist es fast schon der Leermond, vor dem ich anfange, etwas zu rotieren. Auch wenn wir im Kreis arbeiten oder mit Leuten im Wald oder in den Bergen oben sind, dann sind es Rituale, mit denen wir die Jahreszeiten und die Naturgeister begrüssen und uns bei Letzteren bedanken, dass sie uns immer noch begegnen/begleiten. Es ist ganz unterschiedlich, je nach Anlass.

Wenn’s darauf hingeht magisch zu arbeiten, dann mach ich das kaum mehr. Im Wicca habe ich gelernt, dass man Magie in erster Linie dazu einsetzt sich selber zu erkennen, zu schauen wo man anpacken sollte und sich selbst immer wieder zurechtzurücken oder die Heilung zu unterstützen. Liebeszauber zum Beispiel, da halt ich überhaupt nichts davon. Wenn es darum geht jemanden beeinflussen zu wollen, damit er jemanden liebt, das ist für mich Guggus. Aber einen Liebeszauber zu machen, bei dem man sich selbst in den Mittelpunkt stellt, um sich wieder etwas gern zu haben, sich an Körper, Geist und Seele zu pflegen und sich im Ritual klar macht, dass man gut so ist, wie man ist, mit allen Ecken und Kanten, dann ist man aus meiner Sicht auch empfänglicher für die Liebe, die von aussen kommt und das ist für mich völlig legitim. Wenn das Geschäft manchmal nicht läuft, dann zünde ich auch eine Kerze an und bete darum, dass es mehr Umsatz gibt. Aber ich weiss dann auch, dass ich dafür mehr arbeiten muss und das mag ich auch nicht immer. 80% der Rituale sind Dankesrituale, Meditationen, Sachen, die mich einfach etwas bei mir halten und die meine Verbindung zum Göttlichen und den Anderswelten stärken.

Ich war beim PFI Mitglied. Meine Kollegin, welche die Pagan Federation in der Schweiz vertreten hat, hörte auf und ich habe dann meine Mitgliedschaft auch nicht mehr verlängert. Wobei ich sagen muss, dass ich die Pagan Federation eine gute Sache finde. Als ich Mitglied des PFI war hielt ich auch Vorträge und machte Workshops. Ich unterstütze sie immer noch, indem ich etwas Werbung mache, aber ich bin kein aktives Mitglied. Ich bin sowieso nicht so ein Freund von irgendwo dabei sein. Ich bin Freigeist, der sich nicht gerne irgendwo anschliesst. Ausser es ist wirklich eine gute Sache wie Greenpeace oder so. Das find ich cool. Das unterstütz ich gern. Ich bin nicht mehr so gern so aktiv.

Bis jetzt hatte ich noch nie ein Problem damit, denn die anderen Wiccas, die ich kennenlernte, sind alle sehr offen. Ich kenne nur zwei Leute, die wirklich Gardnerianisch initiiert sind und das noch streng leben. Die Gardnerianische Tradition war anfangs nicht besonders schwulenfreundlich, denn, da ging es ja nur um Frau und Mann, die die Polarität im Ganzen wiederspiegeln. Das hat sich in den 70er- und 80er-Jahren, den Göttern sei Dank, verändert. Wicca ist nicht das, was es einmal war. Es ist wie ein Baum, der immer neue Äste austreibt. Aber nicht alle davon sind gut, muss ich dazu sagen. Die Leute, denen ich begegnet bin, und auch die Garderianer, die hatten nie ein Problem damit. In meinem ersten Coven war das überhaupt kein Thema. Eine meiner damaligen Covenschwestern war auch bisexuell, aber jetzt nicht mehr mit Frauen zusammen. Ich kommuniziere übrigens auch mit einem schwulen Garderianer.

Ich habe, und da muss ich jetzt fast auf Holz klopfen, bis jetzt nie eine Aversion oder etwas Negatives gehört. Aber ich weiss, dass es das gibt, denke aber auch, dass ich mit diesen Leuten heutzutage sowieso nicht mehr viel zu tun habe. Früher in Internetforen habe ich noch öfters diskutiert, teilweise auch sehr emotional und heute denke ich mir: «Weisst du, jeder Mensch hat seine Einstellungen und Erfahrungen». Ich denke halt, dass Rassismus, Homophobie, aber auch manchmal diese extreme Bösartigkeit, die man dem Christentum entgegenbringt dem Wicca wie ich es lernen durfte nicht entspricht. Denn man muss offen sein. Wenn ein Mensch so ist, wie er ist, und keinen Schaden anrichtet, dann sollte man ihn nicht aufgrund seiner Religion oder seiner sexuellen Orientierung verurteilen. Das wäre eben das absolute Gegenteil von dem, was ich gelernt habe.

Ich habe selbst lange genug Probleme mit meiner Sexualität gehabt, weil ich ja katholisch aufgewachsen bin und man dann nicht unbedingt akzeptiert und respektiert wird. Obwohl ich Kirche und Religion immer gern hatte. Es ist nicht so, dass ich die Religion abgewiesen hätte, im Gegenteil ich ging gerne in die Kirche. Ich hatte einen guten Religionslehrer, mit dem ich gut reden konnte, ausser wenn ich Fragen stellte, die er nicht beantworten konnte («wer sagt, dass Gott ein Geschlecht hat, z.B.»). Wenn jemand Wicca ist und wirklich homophob oder rassistisch wäre oder extreme Vorurteile hätte, dann würde ich sagen, dass ist nicht das, was ich und etwa 70% der anderen unter Wicca verstehen. Aber mehr kann ich dann auch nicht tun. Am besten ist, so zu sein wie man ist, und was die anderen da interpretieren, das liegt sowieso immer im Auge des Betrachters und darauf habe ich keinen grossen Einfluss.

Dass ich gelernt habe innerhalb der Wicca Tradition. Ich habe im Coven die Hohepriesterschaft gemacht und auch eine gewisse Lebenserfahrung. Das, was ich bis jetzt gelernt, gelebt und erfahren habe. Ich bringe den Leuten nicht mehr bei als Techniken, um zu sich zu kommen, zum Beispiel zu lernen, zu meditieren, zu lernen mit Herausforderungen in Ritualen umzugehen oder auch in der Arbeit an sich. Ich scheue mich auch nicht davor, die Leute dazu zu animieren, professionelle Hilfe einzuholen falls notwendig, weil ich finde, dass man nicht alles spirituell lernen und lösen kann, und ich bin absolut nicht kompetent, um mit jeder psychologischen und vor allem medizinischen Herausforderung umzugehen.

Ich bin selbst depressiver Patient gewesen und das ist etwas, das mich mein ganzes Leben lang begleiten wird. Ich bin froh, hat mich mein damaliger Coven fast in die Therapie getreten, weil sie sagten: „Hey Willy, du kannst nicht Alles mit Spiritualität und Ritualen lösen. Manchmal schickt dir die Göttin einen guten Therapeuten, also nimm das in Angriff.“ Ich habe lange auch geglaubt mit Ritualen, meditieren und Magie könnte ich alle meine psychischen Herausforderungen und Depressionsprobleme lösen und habe mich sogar schlecht gefühlt, wenn es nur kurzfristig funktioniert hat. Das Hexentum hat mich dann eigentlich indirekt zum Therapeuten geschickt. Heute bin ich von ganzem Herzen dankbar dafür. Ich empfehle es jedem, denn gerade wenn Mensch ein Trauma hat oder die Balance sehr aus dem Gleichgewicht ist, dann sollte er schauen, dass er professionelle Hilfe sucht. Fast kein Wicca denkt, dass die Göttin alles richten kann. Ich habe einen wirklich guten Therapeuten gefunden und das kann auch ein Wunder sein in der heutigen Zeit. Das ist auch etwa das, was ich unter progressiv verstehe: Sich nicht verschliessen. Eine meiner Lehrerinnen hatte es in ihrer Tradition sogar als Pflicht, dass man einmal im Jahr das Gespräch mit einem Therapeuten sucht. Vor allem, wenn man viel mit Menschen zu tun hat. Psychohygiene könnte man dazu sagen.

Nicht immer, aber immer öfter. Es hängt immer vom Monat ab. Es gibt Monate, da habe ich ein Einkommen und dann gibt’s Monate, da bin ich knapp über dem Existenzminimum. Da bin ich dann auch froh, dass ich mir die Kosten mit meinem Partner teilen kann. Wenn ich jetzt eine Wohnung für mich allein haben würde, dann müsste ich vermutlich sehr spartanisch leben. Es ist auch so, dass ich mehr verdienen könnte, wenn ich mehr anbieten würde, aber mir ist inzwischen meine Lebensqualität wichtiger. Denn es bringt nichts, wenn du viel verdienst, aber trotzdem keine Ferien machen kannst, oder sich Sachen kaufen, ist auch nicht immer das, was happy macht. Es ist manchmal schon ziemlich knapp. Ohne Kurse, also ohne die Hexenschule, wäre es schwierig. Nur vom Verkauf im Geschäft zu leben, da hätte ich vermutlich schon lange zumachen müssen.

Nichts mehr. Nur, das, was im Rahmen des Geschäfts stattfindet. Ab 50 findet man auch nicht mehr so leicht einen Nebenverdienst. Lange Zeit habe ich nebenbei noch im Gastgewerbe gearbeitet. Ich hatte zwei Jahre lang einen Job als Bürogummi, so als Aushilfe ohne grosse Verantwortung. Aber da bin ich dann quasi ersetzt worden, weil ich halt wegen des Geschäfts nicht flexibel genug war und seitdem versuch ich wirklich es mit dem Laden allein zu schaffen und ich meine, ich bin happy, aber ich weiss, ich könnte mich verausgaben, damit ich auch etwas mehr verdienen kann. Wenn man etwas macht, wo man wirklich dahintersteht, dann geht das, dass man auch nicht so oft Ferien macht (in meinem Fall fast nie).

In Krisen hat mich die grosse Göttin noch nie im Stich gelassen. Wenn ich dann (nach einem Ritual) fünf Anfragen für Beratungen habe und drei absage, dann weiss ich, dass ich selbst schuld bin. Aber ich mag am Abend einfach ausserhalb des Kursgebens nicht mehr arbeiten. Mir ist da meine Lebensqualität wichtiger. Ich hatte vor zehn Jahren ein Burnout nach fünf Jahren Selbstständigkeit, weil ich das Gefühl hatte, dass ich alles machen und überall „Ja“ sagen muss, damit ich über die Runden komme. Ich merkte gar nicht, wie ich mit der Zeit am Anschlag war. Das war mir eine riesengrosse Lehre. Ich habe mich damit abgefunden, mein Leben zu akzeptieren, wie es ist, sicher auch gewisse Ziele zu haben, vor allem, was das Geschäft anbelangt, aber nicht es durchbeissen zu wollen.

Ich meine, ich bin jetzt über 50 und ich bin in den letzten Jahren sehr viel ruhiger geworden. Man steht ein bisschen mehr im Jetzt. Von Oktober bis Dezember mache ich etwas mehr Umsatz, da ist dann etwas auf dem Konto, wovon ich in Zeiten, in denen es weniger läuft, meine Rechnungen zahlen kann. Im Juli und August gibt es fast jährlich eine Trockenzeit und dann weiss ich September, Oktober geht es sowieso wieder etwas aufwärts. Schwierig ist es, wenn Aufwände kommen, mit denen man nicht rechnet. Aber bis jetzt hat es, den Göttern sei Dank, immer gereicht, um durch die Krisen zu kommen. Mein Partner hat ein volles Einkommen und fängt das dann auch etwas auf. Aber es gab auch eine Zeit, wo er keinen Job hatte, wo ich viel getragen habe. Damals war der Laden noch an einer anderen Location, wo es mehr Laufkundschaft gab.

Die Pensionskasse musste ich zur Ladeneröffnung auflösen, da mir keine Bank einen Kredit genehmigen wollte, aber ich zahle natürlich AHV, auch wenn es ein Minimum ist und ich habe eine dritte Säule, wo ich einen monatlichen Betrag einzahle. Sicher ist es mein Ziel, eines Tages mehr zu verdienen, aber ich werde mich deswegen nicht kaputt machen. Vieles läuft halt verdienstlos ehrenamtlich und braucht Zeit.

Eigentlich immer noch der Jahreskurs. Das liegt auch daran, dass ich die anderen Kurse nicht gross öffentlich ausschreibe. Im Crafting habe ich nur zweimal fünf Leute oder einmal fünf Leute, je nachdem, wie viele sich anmelden. Workshops sind schwierig durchzuführen, da die Leute immer mehr um die Ohren haben und oft auch mehrere gleichzeitig besuchen. Letztes Jahr hatte ich Sommerworkshops angesetzt und von fünf Workshops (einige auf Anfragen der Kunden) musste ich dann drei absagen, weil die Leute aufgrund des Wetters, anderer Verpflichtungen und Ähnlichem dann keine Zeit an den gesetzten Daten hatten.

Die letzten zwei Jahre hatte ich je zwei Gruppen mit fünf bis sieben Leuten und mehr nehme ich auch nicht. Das wäre ansonsten extrem viel Arbeit und man hat ja mit Menschen zu tun, auf die man auch etwas individuell eingehen sollte. Das wäre für mich anstrengend und es wäre auch nicht so persönlich, wenn es Riesengruppen wären. Ich habe drei Gruppen mit Fortgeschrittenen, die das Crafting schon länger gemacht haben, aber es einfach cool finden zu kommen und andere Themen anzupacken. Diese drei Fortgeschrittenengruppen haben einmal im Monat bei mir den Kurs und sie kommen auch vereinzelt an die Rituale mit. In den Fortgeschrittenengruppen hat es 4 bis 7 Leute, aber da kommen auch nicht immer alle. Da sind wir meistens zwischen drei und sechs an den Abenden selbst.

Ziemlich gleichbleibend, auch wenn die Social Networks die Leute ziemlich verändert haben. Für mich ist Crafting eine Lebensschule, in der man vor allem Meditation und Ritual arbeitet, um bei sich selbst anzukommen und seinen Platz in dieser Welt zu finden. Mit Orakeln arbeiten lernt, aber nicht im Sinne von Zukunftsvorhersagen, sondern als Standortbestimmung. Ganz im Sinn der klassischen «Magie».

Momentan boomt Schamanismus ziemlich. Es hat im Wicca und in meinem Kurs auch schamanistische Elemente, aber es ist kein Schamanismuskurs. Schamanenkurse laufen wie verrückt derzeit, aber ich bin kein Schamane, darum biete ich in diesem Gebiet auch keinen Kurs an. Es ist, wie gesagt, relativ gleichbleibend. Es gibt keinen riesigen Ansturm. Für den Kurs 2015 habe ich im Dezember die letzte Anmeldung reinbekommen. Letztes Jahr, also für die Schule 2018, war ich relativ schnell ausgebucht. Manchmal gibt es nur eine Gruppe, weil die Nachfrage nicht so gross ist. Also es ist wirklich ein bisschen Auf und Ab, aber ich bin zufrieden.

Räucherwerk. Räucherstäbchen. Das ist das, für das die meisten Menschen kommen. Material, um die Wohnung oder den Arbeitsplatz auszuräuchern oder begleitend zu Ritualen bzw. Mediationen. An zweiter Stelle sind sicher die Amulette, Bücher und Tarot. Der Rest teilt sich auf, auf alles andere, das ich im Sortiment führe. Bücher und Karten habe ich eine grosse Auswahl, aber die Leute bestellen heute manchmal lieber bei Amazon. Räucherwaren z.B. kaufen bei mir aber auch Menschen anderer Religionen oder Spiritualität.

Es hängt mit den Trends zusammen. Ritualgegenstände verkaufe ich nicht so viel. Sie sind keine Ladenhüter, aber es geht immer eine Weile bis wieder was verkauft wird. Auch bei Büchern oder Karten kann es passieren, dass ich etwas bestelle, was ich gut finde und denke, alle anderen müssten das auch cool finden und dann hab ich irgendwie zehn Exemplare davon da und dann verkauf ich vielleicht mal eins, und wieder eins und dann nächstes Jahr kommen plötzlich innerhalb von einer Woche drei Leute und kaufen den gleichen Artikel. Ritualwerkzeuge sind bei mir teilweise etwas Ladenhüter. Sonst hält es sich in Grenzen. Ich glaube, ich habe gelernt so einzukaufen, dass ich nichts mehr da habe, das gar nicht läuft. Aber es kommt immer wieder zu Ausnahmen und das ist okay.

Meditation. Mit den Elementen arbeiten. Auch den Kontakt zur Natur im Innen und Aussen bewusster finden. Die Arbeit mit Runen und Orakeln. Bei mir sind es die Runen, die ich etwas in den Mittelpunkt von der Ausbildung stelle. Auch als Werkzeug zur Selbsterkenntnis. Zu sehen, ob und wo man etwas hat, das vielleicht auch professionell angeschaut werden müsste. Denn solche Sachen können einen ein Leben lang belasten und es kommt immer irgendwie zum Ausdruck. Den Schlagsatz der Magie „Erkenne dich selbst!“ stelle ich bei mir im Crafting ganz nach oben.

Wir haben auch fünf Grundsätze, die ich den Leuten beibringe, die generell Wicca-Grundsätze sind. Zum Beispiel, dass man bei mir lernt, dass man nie auslernt. Dass man aufpassen soll, was man tut, weil alles Konsequenzen hat und auch, dass wenn man mal nichts macht, dies Konsequenzen haben kann. Dass man sich immer weiterbilden soll. Dass man praktizieren soll und sich ins Göttliche einklinkt und die Kommunikation aufrecht hält. Und das täglich. Und wenn’s nur fünf Minuten Meditation sind. Natürlich der Grundsatz von Wicca „Tue was du willst, aber schade niemandem“, über den sich sogar Wiccas zum Teil in die Haare bekommen, was das jetzt eigentlich ausdrücken soll. Aber dieser Grundsatz ist für mich auch ein Wichtiger, den die Leute lernen, weil es geht eben darum sich individuell zu entwickeln, zu schauen, wer man ist. Aber dabei versuchen sollte, so wenig Schaden wie möglich anzurichten, und vor allem nicht bewusst jemandem zu schaden, nur, um einen eigenen Vorteil zu haben. Man kann im Leben selbst nicht keinen Schaden anrichten. Aber allein schon, dass man etwas mehr über mögliche Konsequenzen nachdenkt, bevor man etwas tut, anstatt gerade emotional auf etwas zu reagieren, ist für mich etwas ganz Wichtiges, dass man lernen sollte. Das tut jedem Menschen gut.

Wir lernen das Arbeiten mit der Anderswelt, also zum Beispiel, wie man einen Trancezustand erreicht. Trance ist ja auch ein natürlicher Zustand, den ich schon als Kind erlebte, aber damals nicht wusste, was es ist. Für mich geht es um Innenbereiche oder andere Realitäten, die für mich real sind, und in Trance begegne ich auch anderen Wesen und Kräften. Wenn es aber Menschen gibt, die sagen, dass dies für sie überhaupt nicht stimmt und sie lernen durch Trance einfach etwas in ihre Innenwelt zu gehen, um ihr eigenes Bewusstsein zu erforschen, ist das auch okay. Ich habe schon Leute im Crafting gehabt, die haben Wicca nicht unbedingt übernommen, aber sie haben viel über sich erfahren und ihr Leben/ihr Bewusstsein bereichert. Man wird, wenn man so arbeitet, auch etwas offener was andere Realitäten anbelangt. Man realisiert auch, dass es nicht nur Eine gibt.

Es geht darum, sich auch mit der Natur und den Jahreskreisfesten ein bisschen zu beschäftigen. Sich auch mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzen ist ganz wichtig. Zu realisieren, dass man irgendwann nicht mehr in diesem physischen Körper unterwegs sein wird und dadurch auch das Leben in diesem etwas mehr zu geniessen. Wir lernen über Mythologie. Wir lernen etwas über Götter und Göttinnen, was sie bedeuten, wofür sie stehen, haben Kontakt mit ihnen (so es für uns und sie stimmt) etc. Da habe ich einen modernen Ansatz, weil ich die Götter nicht nur in einer Vergangenheit, die der Mythologie entspricht, wahrnehme, sondern ihr Wirken auch in der heutigen Welt sehe, und darin, wie sich andere Menschen verhalten und welchen göttlichen Archetypen sie leben und ausdrücken. Wenn man das, was wir als göttlich wahrnehmen, über Personifikationen wahrnehmen, finden wir auch einen persönlicheren Zugang zur Quelle und wir dürfen ihre Individualität nicht unterschätzen.

Es ist ein System, mit dem ich selbst gute Erfahrungen gemacht habe. Die Runen sind so ein bisschen wie die grossen Arkana vom Tarot, eine wunderbare Reise durch die Kosmologie des menschlichen Seins mit allen Ecken und Kanten. Runen sind Symbole, die man auch in energetischer Arbeit sehr gut einsetzen kann. Aus meiner Sicht und Erfahrung vor allem auch, weil die Leute schon so lange damit arbeiten, wobei, es gibt ja auch da mehrere Alphabete. Heute arbeiten die meisten mit den 24 Zeichen des Älteren Futhark. Etwas, womit sich die Menschen beschäftigen, bekommt Energie und Kraft, eine Realität im kollektiven Bewusstsein und darüber hinaus, auf die man dann etwas leichter zugreifen kann. Ich mag Runen und ich komme gut damit zurecht. Deswegen versuche ich, das Wissen auch den anderen etwas weiterzugeben.

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