Akrons letztes Interview

Laura Rufer im Gespräch mit Akron

Im Dezember des Jahres 2016 führte unsere damalige Praktikantin Laura Rufer ein Interview mit Akron zur Publikation in unserem Informationsblatt durch. Es gibt einen guten Einblick in Akrons Weltbild und seine Aktivitäten, wie er sie am Ende seines Lebens sah. Und es sollte das letzte der zahllosen Interviews sein, welche Akron während seiner Zeit als Vorzeige-Okkultist der Esoterik-Presse, aber auch den Schweizer Medien gab.

Ein Blick auf sein Haus reicht, um zu erkennen, dass hier kein gewöhnlicher Mann wohnt. Zwischen den Neubauten am Ruhberg in St. Gallen gelegen, befindet sich das alte, mit Efeu überwachsene Haus von Akron. Es sieht aus, als wäre es aus einem Märchenbuch entsprungen. Der Garten ist gepflegt. Ein schmaler Weg führt vom kleinen Garten zum Haus. Dieses ist innen mindestens genauso faszinierend wie aussen. Im Erdgeschoss wurde das Arbeitszimmer einzig aus Holz errichtet. Der Schreibtisch ist ein Unikat. Das Badezimmer nebenan ist dunkelblau gefliest. In der Mitte geht es leicht runter, dort kann man sich waschen. Auch die Treppen sind ein Kunstwerk für sich. Jede Treppe und jede Wand sieht anders aus. Auch Akrons Schlafzimmer hat so gut wie nichts mit einem gewöhnlichen Schlafzimmer gemein. Sein Bett hat eine dreiecksähnliche Form und die Fenster sind künstlerisch verziert mit verschiedenen Motiven, so dass sie an Kirchenfenster erinnern. Besonders wirkt auch Akrons Meditationsraum. Man gelangt dorthin über eine schwarze Leiter. Der Raum ist nicht besonders gross, dafür aber umso farbiger gestaltet. Unterhält man sich mit Akron, so merkt man schnell: Das Haus passt zu ihm.

Der Magier hat das Pensionsalter schon etwas überschritten, zeichnet sich aber dennoch durch eine gewisse Jugendlichkeit aus. So will er auch nicht gesiezt werden, sondern mit den Menschen per du sein. Er empfängt – wie von ihm gewünscht – nach Einbruch der Dämmerung in seinem weissen Seidenhemd. Darüber trägt er eine goldige Kette mit dem Akronacle-Symbol als Anhänger. Akron, oder wie er bürgerlich heisst, Charles Frey redet viel – manchmal zehn Minuten lang ohne das man auch nur den Hauch einer Chance hätte, in unterbrechen zu können. Auf Fragen antwortet er meist ziemlich unkonkret. Die eigentliche Frage wird kaum beantwortet. Dennoch merkt man, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist. Seine Intelligenz wird bei seiner Wortwahl und vor allem beim Inhalt der Wörter deutlich. Auch vertrauensvoll scheint er zu sein. So erzählt er seinen Besuchern, die er das erste Mal sieht, eine sehr persönliche Geschichte zum Abschluss und zeigt ihnen sein ganzes Haus. Jeder Raum darf betreten, gemustert und fotografiert werden.

Für eine ernstzunehmende Antwort kommt Ihre Frage mindestens zehn Jahre zu spät. Lassen Sie mich mit einer kleinen fiktiven Geschichte antworten, die meine Situation umschreibt:

Früher glaubte ich, meine Aufgabe wäre es, ein berühmter Rockmusiker zu werden, darauf ein begabter Journalist, dann ein bekannter Astrologe, Tarot-Kenner und/oder esoterischer Lehrer, später ein raffinierter Denker und Bücherschreiber … und dann, am Ende meiner weltlichen Träume, nach dem Autounfall im Jahre 2012, trat eine geistige Erscheinung an mein Bett und stattete mir, kaum war ich aus meinem Koma erwacht, einen wichtigen Besuch ab. Sie zeigte mir den Weg zu den „magischen Anfängen“, wo die menschlichen Ziele geboren werden, und sagte zu mir: „Spiel nach aussen nicht länger das Kind, das den Zauberer imitiert, den es ersehnt, da es vergessen hat, dass es das Ziel selbst ist, das es erstrebt – Wanderer und Weg sind eins!“

Wenn ich wählen könnte, würde ich auf eine Kultur tippen, die ihre Aufmerksamkeit auf die Träume ausrichtet wie beispielsweise die Aborigines, die Hopi-Indianer und andere ursprüngliche Völker oder Ureinwohner. Auch die fernöstlichen Lehren der Hindus und Buddhisten sind mir äusserst sympathisch. Allerdings – so richtig zugehörig fühle ich mich keiner Richtung. Vielleicht bin ich da doch allzu stark meinem „erspürten inneren Wissen“ verhaftet.

Ersteres nein (zumindest solange ich nicht weiss, woran ich Magier und Hexen erkenne), Esoteriker ja! Aus diesem Moment heraus entstehen oft tiefgründige, differenzierte Gespräche mit Menschen, die auf der Suche nach geistigen Antworten in ihrem persönlichen Lebensumfeld sind.

Ich bin ein überzeugter Autodidakt, der sich nur von Dingen anziehen lässt, die in seinem Inneren eine Resonanz erzeugen, und deshalb hat sich seit meiner Kindheit ein ganzer Wust an Wissen angehäuft, der sich, einem Misthaufen ähnlich, als Ganzes auch nicht mehr auf die einzelnen „Spender“ zurückführen lässt. Sicher ist bei mir viel C. G. Jung drin, die eine oder andere astrologische Richtung, schamanische Techniken, fernöstliches Gedankengut: ein riesiges Konglomerat, das, auch wenn es mein mentales Verstehen weit übersteigt, als Ganzes trotzdem diesen (ich sag mal) „akron’schen Geist“ atmet. Deshalb sehe ich meinen astrologischen Beitrag auch nicht im Erbringen von irgendwelchen fundamentalen Erkenntnissen, sondern in einem weitreichenden und mehrdimensionalen Zusammenfassen astrologisch-psychologischer Schlussfolgerungen, wie sie in diesem Umfang kaum einer zu Papier brachte.

Ich liess mich von Kindsbeinen an durch eine ausgesprochene Protesthaltung gegen die aufgezwungenen Klavieretüden von Chopin leiten und mittels Hinwendung zu „jenseitigeren“ Dinge wie Pendeln, Handlesen, Runen, Tarot oder Astrologie. Auch „Huters astrologischer Kalender“ stand bei mir Ende der 50er Jahre hoch im Kurs, obwohl ausser ein paar Basen und Tanten die meisten Personen in meiner Familie diesen Stoff für ziemlich schwachsinnig hielten. Ich konnte mich diesen Meinungen auch nie ganz verschliessen, was aber mangels geeigneter Alternativen trotzdem nie ein Grund zum Umsatteln war, bis die Musik anfangs der Pubertät 1963 in mein Leben trat und ich mir 1965 das erste Schlagzeug kaufte.

Ständig, denn – vielleicht ist es auch nur ein mentaler Trick, eine wichtige innere Person in einen besonderen Rahmen zu stellen – er ist ein innerer Wesensteil von mir, möglicherweise ein bisschen an C. G. Jungs Höheres Selbst angelehnt. Technisch gesehen ist es der Versuch, aus einem sozusagen „von sich selbst entfernten Standpunkt“ eine „mehrdimensionale Plattform“ zu schaffen, um aus einer intellektuellen Distanz heraus mehr „Dialog“ zu erreichen, als das Bewusstsein normalerweise hergibt.

Was hier wie ein Widerspruch aussieht, ist für einen Schreiber gewissermassen eine Notwendigkeit, um die Distanz zu sich selbst mit der inneren Nähe zur eigenen Kreativität zu verbinden. Es ist ein Manöver, um mit den tieferen Schichten des eigenen Seins in eine „persönliche Distanz“ zu kommen.

Ich habe mich oft gewundert, warum ich stets auf das Bild des „dunklen Magiers“ reduziert wurde: Wahrscheinlich gab das Klischee des bösen „Sektengurus“ halt einfach mehr her als ein freischaffender Künstler, der seine Lebensgrundlagen mit seinen Büchern hart erwirtschaften muss. Der TB selbst war bloss an den grossen keltischen Festen aktiv (Beltaine, Samhain, Winter- und Sommer-Sonnenwenden). Aber ich habe auch schnell gemerkt, dass sich ein negatives Bild kaum verändern lässt, wenn es sich einmal in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat, und es deshalb auch müssig ist, darüber zu klagen. Irgendwann war es mir auch egal, obwohl die Romane und Tarot-Werke damals nicht nur unter den Tisch gekehrt, sondern von esoterischen Buchhandlungen aufgrund des negativen Medienbildes oft auch aktiv boykottiert worden sind.

Nun, was die Leute so alles in mich hinein- oder nicht hineininterpretieren, das geht mir – verzeihen Sie den Ausdruck – am A…. vorbei. Was mich aber immer noch betrübt ist, dass an der wahren Aufdeckung des Mordes von 1998 gar niemand wirklich interessiert war, weil eine scheinbare Wahrheit schnell gefunden war, die in das öffentliche Schema passte, obwohl ich mich anerboten hatte, mit meinem Insiderwissen an der Lösung des Falles mitzuhelfen. Der eigentliche Skandal war nämlich der, dass diese Tat ganz anders ablief, als sie in der Presse und in der Gerichtsverhandlung dargestellt wurde, da es sich um keinen satanistischen Ritualmord handelte, sondern schlicht und einfach um eine perfide und bösartige Revanche unter psychisch „Durchgeknallten“ in einem von Eifersucht befeuerten Beziehungsdelikt – eine richtige Dürrenmatt-Inszenierung.

Das zu erfüllen halte ich in unserer schnelllebigen und leistungsorientierten Gesellschaft für ziemlich schwer. Zivilcourage, Charakterstärke, Individualität, Fairness, Mitgefühl und seelische Empathie sind für die jüngeren Leute heute kaum mehr en vogue, da die Merkmale eines „erfüllten Lebens“ vor lauter Leistungszielen, selbstdarstellerischem Erfolgsdruck und auch sozialer-Netzwerk-Präsenz immer mehr im Hintergrund verschwunden sind. Wahrscheinlich werden wir uns damit zufriedengeben müssen, auf ein einigermassen faires Verhalten gegenüber uns und anderen zurückblicken zu können. Trotzdem, und das ist sehr erfreulich, finden sich auch immer wieder Leute wie Ärzte ohne Grenzen, namenlose Spender, die im Hintergrund bleiben, oder Menschen, die Zivilcourage haben und sich um die Rechte und Bedürfnisse Schwächerer kümmern.

Nun, wenn ich behaupte, ich bin mir im Klaren darüber, dann würden Sie mir nicht glauben, und wenn ich sage, ich habe keine Ahnung, dann würden Sie mir das auch nicht abnehmen. Vielleicht müsste man sich mit dieser Frage nicht denkerisch, sondern künstlerisch auseinandersetzen, in Gebieten wie Tanz, Musik, Film oder Poesie. Sobald man nämlich Assoziationen oder tiefes inneres Meditieren über den Tod in duale Sprache presst, empfinde ich das despektierlich gegenüber dem Tod als Voraussetzung allen Lebens, weil das, was ein Pfund Hirn zwischen den Ohren eines Menschen über den Tod herausfiltern kann, immer von den kollektiven Ängsten des betreffenden Zeitgeists geprägt sein wird.

Woher soll ich das wissen? Da ich mich für die Allgemeinheit als zu schwierig einstufe, könnte ich mir meinen Lieblingsleser als einen intellektuellen Contrarian oder Querdenker vorstellen, der gerne mit mir zu den Tiefen kritischer und bisweilen auch unangenehmer, oft querer aber auch schlüssiger Schlussfolgerungen aufbricht. Aber – ich muss es zugeben – diesen Leser habe ich nur in Ausnahmefällen getroffen.

Wie sollte es das nicht? Es ist ja nicht der Mensch, der sich verändert, es ist die gesellschaftliche Entwicklung, die den Menschen prägt – wobei er sich von Trend zu Trend hangelt. War die Eso-Welle anfänglich eine eher zarte, aus Kolonialzeiten stammende englische Pflanze, die Ende des 19. Jahrhunderts die Okkultisten- und Spiritisten-Verbände begründete und in ihren exotischen Ausblühungen auch so prächtige Blüten wie die „Monte-Verità“-Szene hervorbrachte, so war es nach dem Krieg bis in die Mitte der 50er die amerikanische Jazz-Kultur, welche die Jugend befeuerte, abgelöst durch die Woodstock-Kultur der 68er mit ihren zarten indischen Maharishi Mahesh Yogi-Ausläufern, die fast zeitgleich auch die Vietnam-Studenten-Generation erfasste. Ich würde das letzte grössere Aufflammen der Esoterik auf Mitte der 80er datieren, wo sie bis ins erste Jahrzehnt dieses Jahrtausends durchhielt, bis sie durch das vergrösserte Bildungsangebot, die Technologie und auch durch die sozialen Netzwerke (ausserhalb der schmalen Bandbreite auflagestarker Hausfrauen-Esoterik am Bahnhofskiosk) definitiv abgelöst wurde.

Ich denke, meine „Dunkelheit“ war der Realität einfach zu weit voraus, weil der von mir beackerte Schatten noch tief im Unterbewusstsein schwelte und nur ab und an in Randerscheinungen wie der „Satanisten-Szene“ zum Vorschein trat. Heute, fünfundzwanzig Jahre später, hat sich das Blatt vollkommen gewendet, seit uns die menschlichen Abgründe, die ich in meinen Büchern immer so ausführlich thematisierte, in den Flüchtlingsströmen und der Terroristenszene nur noch so um die Ohren fliegen. Als ehemaliger 68-er bin ich das Gegenteil von rechts, aber wenn ich mir heute die Unentschlossenheit der europäischen Politiker anschaue, wird mir um die Zukunft angst und bang und am Ende der Entwicklung steht nach meiner Meinung George Orwells „Überwachungsstaat“.

Auf der anderen Seite kann man natürlich auch anmerken, dass aus evolutionärer Sicht alles seine Ordnung hat, dass das vermehrte Aufkommen des Bösen in den Augen einer verwöhnten Gesellschaft mehr von der Rückeroberung des lange Zeit verdrängten Dunklen durch die schmerzhafte Berührung mit anderen Kulturen herrührt. Menschenströme und Völkerwanderungen, wie wir sie heute erleben, sind weder speziell noch aussergewöhnlich, sondern regelmässige Begleiter der menschlichen Reise durch die Jahrhunderte, die durch die mediale Berichterstattung aktuell einfach eine viel grössere, angsterzeugende Aufmerksamkeit auslösen.

Viele Menschen suchen die Antworten im Aussen, doch mit der Suche nach sich selbst betreten sie innere Pfade, die erschrecken („Die 7 Pforten des Geistes“). Das schlägt sich auch auf die Verkaufszahlen meiner neueren Bücher nieder, denn dabei handelt es sich meist um Studien, in denen sich der Leser auf eine unbekannte Reise zu sich selbst begibt.

Hingegen sind die älteren esoterischen Bücher (Astrologie, Tarot) immer noch ein Renner, weil sie systemimmanent weder sich selbst noch die Gesellschaft in Frage stellen, sondern einfach suggerieren, dass es Methoden gibt, mit denen man sein Wesen entschlüsseln und mit diesem „Wissen“ das eigene Schicksal beeinflussen kann. Das zeigt, dass ich mit meiner eigentlichen Botschaft, dem Durchforsten der menschlichen Psyche, das Wesen der Menschen nicht erreiche. Selbst wenn ich ihre Akzeptanz erlange, ist es meist aufgrund eines Missverständnisses (die „Baphomet“-Bilder von H. R. Giger beispielsweise), sodass ich mir ernsthaft die Frage stelle: „Ist das, was die Menschen von aussen auf mich übertragen und bei mir suchen, überhaupt das, was ich bin?“ Die Antwort lautete schlicht und einfach: „Nein!“

Ich mag die Gesellschaft nicht. Ich mochte sie nie. Allgemeinheiten mag ich nicht. Individualität hingegen schon. Momentan ist die Gesellschaft im Orwell-Muster. 1955-2005 war die ideale Gesellschaft, das Paradies.

Die Evolution will gar keine ideale Gesellschaft, da dann keine Entwicklung mehr möglich ist. Die ideale Gesellschaft ist ein erstrebenswertes Phänomen, das wir nie erreichen werden. Das Hinstreben hört nie auf.

Wenn wir nur Frieden hätten, wäre es vorbei. Er muss eine Illusion bleiben, damit das Streben Bestand hat. Denn Gutes allein funktioniert nicht. Es ist genauso sinnlos wie das Böse. Wenn nur noch Gutes existiert, dann gibt es keine Motivation mehr.

Ich habe keine materiellen Pläne oder Ziele, sondern ich sehe mich wie eine Art „Ältestenrat“, zu dem Menschen gehen können, um sich Unterstützung zu holen, wenn sie, auf ihre innere Eingebung hörend, für neue Erfahrungen offen sind. Denn letztlich geht es immer um die Frage: „Wer bin ich selbst in der Tiefe meines Wesens, mit welchen Aufgaben und Zielen kann ich wachsen und was kann ich dabei für andere tun?“

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