Annemarie Buchholz-Kaiser

12. Okt. 1939 – 21. Mai 2014

Annemarie Buchholz-Kaiser, Gründerin des VPM, des bis zu seiner Auflösung umstrittenen Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis in Zürich, wurde von nahestehenden Organisationen im Nachruf über alle Massen gelobt, z.B: „Als Psychologin und Historikerin hat sie in Theorie und Praxis einen unschätzbaren Beitrag zum Wohl der Menschen und für das Gemeinwohl geleistet.“ Besonders erwähnt wurde ihre Einfühlungsgabe, die sie therapeutisch einsetzte. Obwohl sie auf Aussenstehende sehr verhalten wirkte, war sie offensichtlich innerhalb ihrer Kreises lange Zeit unbestrittene Autorität. Ihr Einfluss zeigte sich auch darin, dass es ihr gelang, die von ihrem Mentor Liebling übernommene psychologische Schule, seinerzeit auf dem Feld politischer Gesinnung weit links angesiedelt, in eine Bewegung zu verwandeln, die sich wie kaum eine andere für konservative ethische Werte engagierte.

Als ich in den Neunzigerjahren an der Universität Zürich ein Seminar zum Thema Sekten und autoritär geführte Gemeinschaften anbot, drängten mich etliche Studierende, mich auch mit dem VPM zu befassen. Selbstverständlich wollte ich der Leitung des VPM die Möglichkeit geben, sich selbst in einer Seminarsitzung zur kritischen Wahrnehmung ihres Vereins in der Öffentlichkeit zu äussern. Meine Bitte führte zu einem persönlichen Gespräch mit der VPM-Leitung. Während der ganzen Besprechung sagte Frau Buchholz kaum ein Wort. Aber alle Vorstandsmitglieder suchten aus ihrem Blick zu erkennen, wie man jetzt auf den fremden Religionswissenschaftler zu reagieren hätte. Sie führte das Gespräch wortlos nachhaltig. Ein Besuch des VPM im besagten Seminar kam nicht zu Stande. Der Verein für Psychologische Menschenkenntnis war in der Sicht der Vereinsleitung eine rein wissenschaftlich tätige Organisation. Mit Religion oder gar mit Sektenhaftigkeit hatte der VPM selbstverständlich nichts zu schaffen.

Dass guruähnliche Gestalten, absolute Autoritäten und Formen der Hörigkeit in allen Lebensbereichen – auch in psychologischen Schulen, auch in der Welt der Politik und der Kunst, ja sogar im sog. rein wissenschaftlichen Betrieb vorkommen können – hatten die Studierenden erkannt, die den VPM besprechen wollten. Die VPM-Leitung konnte sich zu dieser Erkenntnis damals nicht durchringen.

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