Richard Fehr

Richard Fehr, der seit acht Jahren im Ruhestand lebende Stammapostel der Neuapostolischen Kirche (NAK), ist am 30. Juni kurz vor Vollendung seines 74. Lebensjahres verstorben. Fehr wuchs im nördlichen Kanton Zürich in einer neuapostolischen Bauernfamilie auf und arbeitete zunächst als Schriftsetzer und in der Werbebranche. 1980 wurde er zum Apostel und an Pfingsten 1987 durch Stammapostel Hans Urwyler zum Bezirksapostel für die Schweiz ordiniert. Noch im selben Jahr ernannte ihn der schwer erkrankte Urwyler zum Stammapostel-Helfer, womit klar war, dass Fehr Urwylers Nachfolger als Stammapostel werden würde. An Pfingsten 1988 trat Fehr dieses Amt an, 2005 übergab er es an seinen Nachfolger Wilhelm Leber.

Richard Fehrs Amtszeit war von einer vorsichtigen Öffnung der NAK in Richtung Ökumene geprägt. Durch gut organisierte Aussteiger und liberale Kräfte in den eigenen Reihen unter Druck geraten, leitete Fehr eine Art «Entsektung» der NAK ein. Überall auf der Welt werde sie als Kirche wahrgenommen, nur nicht in Europa, klagte Fehr anlässlich der Pressekonferenz zur Amtsübergabe an Nachfolger Leber. Fehr gestand dabei ein, dass die NAK an ihrem Sektenimage zu einem grossen Teil selbst schuld sei, denn sie habe sich in den sechziger und siebziger Jahren zu sehr in einer «Igelposition» befunden. Dass es Fehr mit der Öffnung sehr ernst war, bewies er anlässlich des Todes von Papst Johannes Paul II.: Früher wäre es undenkbar gewesen, dass der Stammapostel der heilsexklusiven NAK dem Vatikan zum Tod des Papstes sein Beileid und zur Wahl des neuen seine Gratulation ausspricht. Dass er dies tat, habe ihm in den eigenen Reihen viel Anerkennung, aber auch herbe Kritik eingetragen, berichtete Fehr. Einige Mitglieder hätten ihm «Verrat» vorgeworfen und ihn gefragt, ob sie nun ihren Glauben begraben sollten. Dies zeigt, dass der Reformprozess innerhalb der NAK nicht nur auf Begeisterung stiess.

Zu diesem Reformprozess gehörte auch, dass Richard Fehr 1999 eine «Projektgruppe Ökumene» sowie eine «Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Neuapostolischen Kirche» ins Leben rief. Während erstere den Dialog mit anderen christlichen Kirchen aufnehmen und allfällige theologische Gemeinsamkeiten ausloten sollte, bestand die Aufgabe letzterer darin, die NAK-Vergangenheit selbstkritisch aufzuarbeiten. Beides war insofern bemerkenswert, als sich Fehr hinsichtlich der falschen Prophezeiung von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff (gest. 1960) zur Wiederkunft Christi noch 1995 dahingehend geäussert hatte, «dass der Stammapostel sich nicht geirrt hat.» Und zur Ökumene hatte die NAK Anfang der neunziger Jahre noch erklärt: «Die Neuapostolische Kirche distanziert sich von der Ökumene. Sie sieht in ihr keinen geeigneten Weg zum Einssein in Christo.» Diese beiden Aussagen machen deutlich, wie sehr sich Stammapostel Fehr und mit ihm die NAK innerhalb weniger Jahre von vermeintlich unerschütterlichen Überzeugungen löste. Richard Fehr wird damit als jener Stammapostel in die Geschichte der NAK eingehen, der einen entscheidenden Beitrag zur Öffnung und Reform der NAK geleistet hat.

Bedeutend ist Fehrs Wirken aber auch hinsichtlich der rührigen Missionstätigkeit, die in seiner Amtszeit stark intensiviert wurde. Die weltweite Mitgliederzahl stieg auf über zehn Millionen und verdoppelte sich damit, dies vor allem in Afrika sowie in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion nach dem Zusammenbruch des Kommunismus.

Weniger bekannt ist, dass Richard Fehr im Ruhestand unter dem Pseudonym F.U. Ricardo zahlreiche Bücher veröffentlichte, wobei man bei Titeln wie «Der Raub des Luzerner Mädchens» oder «Tödliches Missgeschick im Frisiersalon? und Mord beim Italiener!» nicht unbedingt einen Stammapostel der Neuapostolischen Kirche als Autor vermuten würde – doch Richard Fehr war eben immer wieder für Überraschungen gut.

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