Orden Fiat Lux

Gründerin und Leiterin des Ordens Fiat Lux war Erika Bertschinger-Eicke alias Uriella (1929-2019).

Uriella wurde als Erika Hedwig Gessler am 20. Februar 1929 geboren, wuchs in Zürich in katholischem Elternhaus auf und schloss, nach ihren eigenen Angaben, ihre Mittelschulbildung mit der Matura ab und besuchte eine Dolmetscherschule. Bereits in den 50er Jahren hatte sie in Amerika Kontakt mit einem Medium und Sprachrohr des Heilandes. Später beteiligte sie sich für einige Jahre an den Zusammenkünften der Geistigen Loge Zürich und stand mit der Gemeinschaft Lichtzentrum Bethanien von Frieda Maria Lämmle in Sigriswil BE in Kontakt.

1972 erlebte Uriella ihre erste «Begegnung mit Jesus Christus» und in der Nacht vom 24./25. Dezember 1975 erlangte sie ihren ersten Volltrance-Zustand. Ihre Offenbarungen wurden ihr – wie sie selber betonte – nach einem Reitunfall geschenkt. Gott habe ihr Hirn durchschütteln müssen. Seither sei sie, wie sie sagte, in geistiger Form in Kontakt mit Jesus Christus gestanden und habe Hunderte von Kundgaben empfangen und der Menschheit übermittelt. Sie nannte ihr Unternehmen zunächst «Lichtquell Bethanien»; denn in Bethanien hatte Maria Magdalena seinerzeit Jesus empfangen (Joh. 11). Uriella behauptete, in einem früheren Leben selber Maria Magdalena gewesen zu sein.

Am 12. Januar 1980 ist «durch Jesus Christus über Sein Sprachrohr Uriella in Seinem Heiligtum in Egg» als innerer Kreis des Lichtquells Bethanien der «Orden Fiat Lux» gegründet worden. Anfangs der 80er Jahre wurde in Strittmatt/Görwihl (südl. Schwarzwald) eine weitere Niederlassung eröffnet, die mit der Zeit auf 16 Häuser angewachsen ist und die unter der Einwohnerschaft des kleinen Weilers nicht nur Zustimmung gefunden hat. In Strittmatt lebten in den Neunzigerjahren rund 70 «Fiat Lux-Träger» (Ordensmitglieder) in Wohngemeinschaft. 1986 begann die Arbeit in Kärnten. 1988 wurde dort in Sittersdorf ein Zentrum eingeweiht.

Ab 1981 führte Uriella eine Naturheilpraxis in Schwellbrunn AR, deren Bewilligung von der Sanitätsdirektion Appenzell Ausserrhoden 1992 entzogen wurde.

Tatkräftige Unterstützung beim Ausbau ihres Werkes fand Uriella in den 80er Jahren bei ihren Ehegatten, vor allem bei Kurt Warter („Uriello“) und bei Eberhard Eicke („Icordo“). Kurt Warter war katholischer Priester in Burladingen-Hausen/D. Sein Abgang vom Pfarramt war von einer Untersuchung wegen finanziellen Unregelmässigkeiten begleitet (Die Untersuchung endete mit einem Vergleich). Die Ehe dauerte rund vier Jahre; im April 1988 starb Warter bei einem Unfall. Uriellas vierter Gatte Eberhard Bertschinger Eicke, alias Icordo, in früheren Leben u.a. Josef in Ägypten, Ulrich Zwingli und Walzerkönig Johann Strauss, führte den Orden zuerst gemeinsam mit Uriella, seit ihrer Erkrankung in ihrem Auftrag, seit Uriellas Tod als alleinige Leitungsperson.

In den Neunzigerjahren sah sich Uriella wegen ihrer Heiltätigkeit mit verschiedenen Verfahren konfrontiert. 1994 verlor sie ihre Heilpraktikerlizenz in Deutschland, und 1996 wurde sie vom Landgericht Waldshut von einer Mitschuld am Tod von zwei Mitgliedern aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Im Jahr 1998 machte Uriella mit apokalyptischen Voraussagen für den August 1998 von sich reden.

Bei den Lokalwahlen 1999 kandidiert der Orden Fiat Lux in vier Gemeinden, in Ibach erreichte Icordo einen Sitz im Gemeinderat, den er eine Amtszeit lang bis 2004 inne hatte.

Im Jahr 2002 wurde Uriella gerichtlich zur Rückzahlung eines Darlehens im Umfang von Fr. 625’000.- verpflichtet, welches ihr eine Anhängerin gewährt hatte.

Ihre Liegenschaft in Egg ZH, intern „Haus Nr. 1“ genannt, welche von 1980 bis 1990 Standort des Ordens Fiat Lux war, aber seit dem Umzug Uriellas nach Ibach im Jahr 1990 kaum mehr verwendet wurde, liess Uriella im Jahr 2009 verkaufen.

Nach 2010 war Uriella, welche vorher Medienauftritten gegenüber sehr aufgeschlossen war, nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten. Nach Angaben von Icordo war Uriella seit 2010 gelähmt und bettlägrig, aber bei klarem Verstand. Uriellas Leiden wurde von der Gemeinschaft als Sühne für die Sünden der Menschheit gedeutet. Am 24. Februar 2019, vier Tage nach ihrem 90. Geburtstag, ist Uriella ihrem Leiden erlegen. Alleiniger Leiter des Ordens ist seither Icordo.

Wie stellte sich Uriella zu weiteren Neuoffenbarern und Neuoffenbarerinnen? Sie billigte z.B. Frau M. Lämmle in Sigriswil die «innere Stimme» und Frau G. Wittek (s. Universelles Leben) Halbtrance zu. Beide Zustände böten jedoch, so ergänzte Uriella, keine Gewähr, dass sich nicht auch andere Geister meldeten. Sie selber aber erreiche dank ihrer gänzlichen Hingabe und ihrem reinen Wesen die Volltrance, in der ausschliesslich Jesus Christus und hie und da noch Maria zu Worte kämen. Volltrance wird als Zustand geschildert, in dem das Medium ohne zu wissen, was es sagt, als blosses Werkzeug, als Kanal, die Worte des Herrn weitergibt. Die Frage, warum denn Uriella während der sog. Volltrance auch schon heimlich auf die Uhr geschaut habe, beantworteten Uriella und Icordo mit der Gegenfrage, ob sich denn der in diesem Moment in Uriella anwesende Jesus nicht auch für die genaue Uhrzeit interessieren könne.

In den Kundgaben heisst es etwa: «Als Lebendes Kreuz stehe Ich (d.h. Jesus Christus, sprechend durch Uriella) nun vor euch, um euch zu sagen, dass Mein ganzes All erfüllt ist von diesem Heiligen Symbol … Ich warte auf euch, um euch zurückzuführen, in eine wahre Heimat. Sie ist aus Geist, so wie auch ihr von Mir aus Meinem Heiligen Odem und Meinem Herzensstrahl erschaffen worden seid.» Besonders innig spricht dieser Jesus von seinem Sprachrohr Uriella. Er nennt sie seinen «Herzensdarling». Die Theologie dieser Botschaften folgt in etwa folgendem Erlösungskonzept: Erdenbürger haben sich von ihrer Urexistenz entfernt. Der Herr schenkt jedoch durch Uriella Vergebung. Nur müssen die Menschen, was sie zerbrochen haben, im Laufe verschiedener Leben selbst flicken und reparieren. Von Jesus als der Emanation Gottes ist die Rede und ebenso vom Meer der Liebe, das ununterbrochen (auch durch Uriella) «Athrumsgischt» über die Menschen ausgiesst. In dieses Erlösungskonzept hineinverwoben werden zahlreiche Vorstellungen aus der Esoterik, der Theosophie, der alternativen Medizin, der populären Ufologie und der mancherorts ebenso populären Apokalyptik.

Ab Ende der Achtzigerjahre füllten sich die Offenbarungen durch Uriella immer offenkundiger mit Endzeitvoraussagen. Endzeitkatastrophen, zum Teil detailliert geschildert, standen immer unmittelbar vor der Tür und wurden nicht selten sogar unmissverständlich deutlich datiert. Offenkundige Fehlvoraussagen will Uriella trotz solcher Datierung noch nie gemacht haben. Denn zum einen sind Schrecken in abgemildeter Form auf diesem Globus immer irgendwo aufzuspüren und zum anderen gewährt Christus der Menschheit fast regelmässig auch einen heilsamen oder notwendigen Aufschub.

So wie Uriella selber tragen auch die Ordensmitglieder weisse Kleider, weiss als Zeichen der Reinheit und als Farbe Gottes. Sie verpflichten sich beim Eintritt schriftlich zur Einhaltung der zahlreichen Ordensregeln.

In der ersten Ordensregel wird «Beugung unter den göttlichen Willen» verlangt; der göttliche Wille kommt in erster Linie durch sein Sprachrohr zum Ausdruck. Diese erste Regel gab Uriella und Icordo weitgehende Verfügungsgewalt über ihre Anhänger. Zweifel an der Echtheit ihrer Offenbarungen und Ungehorsam gegenüber dem monatlich neu offenbarten Willen Gottes werden im Orden nicht geduldet. Der Christus, der sich durch Uriella meldet, verlangt bei Ungehorsam mehr oder weniger rigorosen Ordensausschluss.)

Es gilt weiter u.a.: «Heiligkeit und Vollkommenheit anzustreben»; «Mitgefühl, Mitleid, Barmherzigkeit, Nachsicht zu pflegen»; «Zufriedenheit, Genügsamkeit und Gleichmut zu bewahren»; «Enthaltsamkeit und Entsagung in allen Belangen zu üben»; «Giftfreie Ernährungs- und Lebensweise einzuhalten, d.h. völlige Rohkost ohne Fleisch, Alkohol, Kaffee, Schwarztee, Nikotin, konservierte Lebensmittel und Farbstoffe sowie Pharmazeutika».

Verlangt wird auch «Verzicht auf weltliche Lektüre und Vergnügungen jeglicher Art, wie fernsehen, Radio hören».

Die Ordensmitglieder haben weiter «tägliche Lichtsendungen durchzuführen» und «sich intensiv in die Geistesschulung zu vertiefen und nach ihr zu leben».

Obwohl viele Ordensmitglieder verheiratet sind – viele dieser Ehepaare wurden durch Uriella zusammengeführt –, sind die Paare gehalten, Sex zu vermeiden.

Ab Anfang 1971 war Erika Bertschinger auch als Geist- und Naturheilerin tätig. Sie vertrieb vor allem von Schwellbrunn aus verschiedene Naturheilmittel, wobei allerdings auch schon berechtigte Zweifel laut geworden sind, ob ihre Diagnosen immer richtig sind und ihre Heilmittel sachgemäss eingesetzt werden. Sie berief sich auf die Spagyrik, d.i. im ursprünglichen Sinn eine alte, mit feinstofflichen Arzneigaben arbeitende Methode. Ihre Diagnosen stellte Uriella dank ihres «Röntgenblickes» mit angeblich irrtumsfreier Präzision. Sie habe, nach eigener Überzeugung, niemal Fehldiagnosen gestellt.

In der Öffentlichkeit bekannt wurde Uriellas Athrum-Wasser, d.i. Leitungswasser, das Uriella in der steril gemachten Badewanne «umgepolt» und mit dem himmlischen Athrums-Strahl aufgeladen hatte und das sie anschliessend als Heilwasser kanisterweise weitergab.

Kostenpflichtig vertrieben wurden die Produkte der sog. „Apotheke Gottes“: Es handelte sich um Ampullen mit Kochsalzlösung, die Uriella energetisch aufgeladen habven will, so dass sie als Heilmittel selbst gegen Krebs, Aids, Multiple Sklerose wirken sollten.

Uriellas Orden Fiat Lux war in den 1990er-Jahren eine der umstrittensten Gemeinschaften im deutschen Sprachraum.

Kritik erfuhr Uriellas Tätigkeit als Heilerin, die in konkrekten Fällen nachweislich zu Fehldiagnosen führte. Zwei Anhängerinnen starben an heilbaren Erkrankungen, weil sie Uriella so verstanden hatten, dass sie auf Angebote der wissenschaftsbasierten Medizin verzichten sollten.

Ehemalige Mitglieder des Ordens Fiat Lux berichteten von bedingungsloser Unterordnung und massivem Druck innerhalb des Ordens.

Obwohl Uriella die mehrfach nicht eingetroffenen Voraussagen apokalyptischer Ereignisse lehrmässig abfedern konnte – Jesus Christus war nach Uriellas Vorstellung nicht allwissend, konnte die Zukunft nicht vorhersehen und teilte mit den Ankündigungen bloss seine Pläne mit, die sich aber noch ändern konnten – litt insgesamt die Glaubwürdigkeit des Ordens doch erheblich, was zu einem starken Aderlass an Mitgliedern ab den beginnenden 1990er-Jahren führte.

Der Orden Fiat Lux umfasste zu seinen besten Zeiten ums Jahr 1990 herum gegen 1’000 Mitglieder. In den letzten Jahren ist die Zahl der Anhänger stark zurückgegangen und dürfte heute nicht mehr als ein paar Dutzend Personen betragen.

Orden Fiat Lux
Lindau 2
79873 Ibach
Deutschland

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