Reformierter Baptismus

anderer Name: Calvinistischer Baptismus

internationale Namen: Reformed Baptism, Calvinistic Baptism, Particular Baptism

Der Reformierte Baptismus ist eine freikirchliche Strömung, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem amerikanischen Baptismus, insbesondere aus den Southern Baptists, herausgewachsen ist. Die Bewegung heisst «baptistisch», weil sie ein baptistisches Taufverständnis und eine baptistische Taufpraxis vertritt. «Reformiert» nennt sich die Bewegung nicht wegen einer besonderen Nähe zu den Refomierten Landeskirchen in der deutschsprachigen Schweiz, eine solche besteht nicht, sondern weil sie die auf Johannes Calvin zurückgehende Lehre von der Prädestination vertritt (siehe unter Glaube).

Der Reformierte Baptismus ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus dem amerikanischen Baptismus herausgewachsen, insbesondere aus den Southern Baptists, die heute etliche Gemeinden umfassen, welche die calvinistische Prädestinationstheorie vertreten. Zur calvinistischen Richtung des amerikanischen Baptismus zählt auch das Southern Baptist Theological Seminary in Louisville KY, sowie weitere Ausbildungsinstitute. Der Reformierte Baptismus formierte sich in verschiedenen Netzwerken, z.B. 9Marks.

Der Reformierte Baptismus bezieht sich auf historische Vorbilder, zu denen aber keine historische Kontinuität besteht, so vor allem auf die Second London Baptist Confession of Faith von 1689, welche aus dem Puritanismus hervorgeht und ähnlich wie der reformierte Baptismus ein täuferisches Taufverständnis mit calvinistischer Prädestinationslehre verbindet. Innerhalb des britischen Puritanismus wurde die calvinistische Prädestinationslehre später aber aufgegeben.

In der Schweiz treten reformiert-baptistische Gemeinden seit der zweiten Hälfte der 2010er Jahre auf.

Der Reformierte Baptismus vertritt einen konservativ evangelikalen Glauben mit fundamentalistischem Bibelverständnis.

Das Taufverständnis ist baptistisch, getauft werden Bekehrte durch Untertauchen. Die Taufe ist Voraussetzung für den Empfang des Abendmahls. Menschen, die in anderen Kirchen nach einer anderen Form getauft wurden, werden wiedergetauft.

Die Soteriologie, die Vorstellung von Heil und Erlösung ist calvinistisch. Der Reformierte Baptismus lehrt die Prädestinationslehre nach Johannes Calvin, nach welcher Gott manche Menschen von Ewigkeit her zur Erlösung erwählt hat, und allen anderen die Erlösung vorenthält. Die Erlösung durch Jesus Christus gilt nur den Erwählten. Für die Erwählten ist Gottes Erlösung unwiderstehlich, d.h. sie finden zwingend zum Glauben.

Gegenposition – und Mehrheitsposition in Freikirchen, auch in baptistischen – ist der sog. Arminianismus, der nach dem niederländischen reformierten Theologen Jacob Hermann (1560–1609) benannt ist, aber in der Täuferbewegung schon vorher vertreten wurde. Der Arminianismus interpretiert Gottes Erwählung so, dass Gott in seiner Allwissenheit im Voraus weiss, wer zum Glauben finden wird, und alle dereinst Gläubigen erwählt. Die Erlösung durch Jesus Christus gilt allen Menschen, soweit sie sich für den Glauben entscheiden. Diese Erwählung durch Vorauswissen ist allerdings nicht unwiderstehlich, weil Gläubige ja wieder vom Glauben abfallen können.

Hintergrund ist das Spannungsverhältnis zwischen Gottes Allmacht, Allwissenheit und Allgüte. Während der Calvinismus die Allmacht betont, hebt der Arminianismus Allwissenheit und Allgüte hervor.

In weiteren Fragen sind die Reformierten Baptisten konservativ:

Frauen gelten nicht als gleichberechtigt, sondern als Ergänzung zum Mann. In der Ehe wird Unterordnung der Ehefrau unter ihren Ehemann erwartet.

Sexualität ausserhalb der heterosexuellen Ehe wird abgelehnt.

Die Praxis der Reformiert-baptistischen Gemeinden ist konservativ-evangelikal. Bei den Gottesdiensten wird Anwesenheit erwartet.

Gemeindezucht, d.h. Ausschluss derjenigen, welche an Verhalten festhalten, welches die Gemeinde als sündhaft sieht, wird ausgeübt.

In zahlreichen, aber nicht allen, reformiert-baptistischen Gemeinden wird erwartet, dass Frauen und Mädchen Röcke tragen.

Homeschooling wird bevorzugt, wo es möglich ist.

Körperstrafen in der Erziehung werden nicht grundsätzlich abgelehnt.

Reformiert-Baptistische Gemeinden führen Sonntagsgottesdienste und unter der Woche Kleingruppen durch.

Der Reformierte Baptismus betont die Autonomie der Lokalgemeinde und ist Gemeindeverbänden gegenüber kritisch eingestellt.

Die Gemeindeleitung liegt in der Hand von Ältesten, zu welchen auch der Pastor gehört. Das Ältestenamt ist Männern vorbehalten.

Dachverbände wie die Evangelische Allianz werden abgelehnt.

Engere Zusammenarbeit wird gepflegt innerhalb der reformiert-baptistischen Bewegung. Zu Freikirchen ausserhalb dieser Bewegung ergeben sich nur punktuelle Kontakte.

Die Zahl reformiert-baptistischer Gemeinden ist weltweit wachsend, auch in der Schweiz, wo derzeit sechs reformiert-baptistische Gemeinden existieren.

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