Antisemitische Verschwörungstheorien

Wilhelm Marr prägte mit seiner im Jahre 1873 verfassten Propagandaschrift: «Der Sieg des Judenthums über das Germanenthum» den Begriff des Antisemitismus. Dabei gilt es zwischen Antijudaismus (christliche Judenfeindschaft seit dem Mittelalter) und Antisemitismus (nationalistisch-rassistisch geprägte Judenfeindschaft) zu unterscheiden.

Bereits seit dem Mittelalter gibt es Beispiele für die Judenverfolgung. So organisierten sich Handwerker beispielsweise in Zünften, die gleichzeitig auch christliche Bruderschaften waren, wobei Juden dabei aus den meisten Handwerks-Berufen verbannt wurden und kein Land besitzen durften. Während ein Zinsverbot für Christen herrschte, waren Juden davon ausgenommen und wurden damit in den Geldhandel gedrängt. Sie wurden als «Wucherer» beschimpft und der Stereotyp des «reichen, habgierigen Juden» entstand. Schwer wog auch der Vorwurf, dass die Juden für Jesus Christus’ Tod verantwortlich seien und daher als «Christusmörder» galten. 300-600 n. Chr. waren Mischehen mit Juden verboten und sie durften weder öffentliche Ämter bekleiden, noch vor Gericht gegen Christen aussagen. In dieser Zeit entstanden viele Mythen um Juden. Sie wurden mit Hörnern oder Teufelsschwänzen dargestellt (erneut im Nationalsozialismus gebraucht). Diverse Kreuzzüge, insbesondere die um 1095 stattgefundenen Kreuzzüge gegen Muslime durch Papst Urban hatten eine hohe Todeszahl der Juden, sowie den Beginn der Pogrome gegen Juden zur Folge.

1150 schrieb Thomas von Monmouth, ein englischer Benediktinermönch, dass ein Lehrling von Juden rituell umgebracht worden sei. Der Bericht trug dazu bei, die antisemitische Stimmung in England zu entfachen, was die Vertreibung der Juden aus England im Jahre 1290 zur Folge hatte. Die Ritualmordlegenden verbreiteten sich auch ab dem 13. Jahrhundert im deutschen Sprachraum. Neben dieser Ritualmord-Anschuldigung sollen Juden zudem das Blut christlicher Kinder zum backen des Pessach-Brotes verwendet haben. Das Töten und Ausbluten der Kinder sollte dabei magische Kräfte enthalten, Erlösung bringen oder ewige Jugend erhalten.

Auch für die Pest, welche zwischen 1346 und 1353 in Europa wütete, wurden Juden verantwortlich gemacht. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie die Brunnen vergiftet und somit die Pest ausgelöst hätten. In der Folge wurden im 14. Jahrhundert viele europäische Juden verfolgt. Martin Luther galt dabei als Antisemit. Sein Pamphlet «Von den Juden und ihren Lügen» aus dem Jahre 1545 forderte das Verbrennen von Synagogen, ein Verbot für den jüdischen Geldhandel und die Vertreibung der Juden.

Die antisemitischen Verschwörungstheorien fanden in den sogenannten «Protokolle der Weisen von Zion» oder auch «die zionistischen Protokolle» ihren Höhepunkt. Dabei handelt es sich um eine Verschwörungsschrift, die insbesondere nach dem ersten Weltkrieg verbreitet wurde und im „Berner Prozess“ (1933-1935) als Fälschung entlarvt wurde. Erstmals erschienen diese „Protokolle“ 1903 in einer russisch-rechtsextremen Zeitschrift („Snamja“), dessen Herausgeber bei einem Pogrom in Chișinău gegen die Juden eine führende Rolle einnahm. In der Folge erschienen diverse Neueditionen der „Protokolle“ in Russland und Polen. 1905 erschienen die „Protokolle“ im Anhang eines Buches des antisemitischen Schriftstellers Sergej Nilus, welches den älteren Text des französischen Autors Maurice Joly („Dialogue aux enfers entre Machiavel et Montesquieu“) plagiierte. Der Text erschien auch in deutscher Sprache unter verschiedenen Titeln wie „die Geheimnisse der Weisen von Zion“, „Die Zionistischen Protokolle“ oder „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Im Text sollte angeblich die Rede eines jüdischen Führers über die Taktik und Ziele einer Weltverschwörung und Weltherrschaft niedergeschrieben sein. Dabei sollten alle Lebensbereiche unterwandert werden und die christlichen Nationen unter ein jüdisches Weltreich gebracht werden. Auch nach der Niederlage des Deutschen Reichs im ersten Weltkrieg wurde behauptet, dass das deutsche Heer im Felde unbesiegt gewesen wäre aber durch einen Dolchstoss in den Rücken durch die Juden zu Fall gebracht worden sei (Dolchstosslegende). In diesem Zusammenhang spricht man auch vom „Weltjudentum“, der Vorstellung, dass sich eine weltweite jüdische Führung gegen die nichtjüdische Welt verschwört.

Hitler bezog sich in seiner Politik auf diese „Protokolle“. Auch Schweizer Nazis verbreiteten dabei antisemitische Verschwörungstheorien (jüdische Weltherrschaft, Zusammenarbeit zwischen Juden und Kommunisten). Insbesondere ab 1920 wurden die „Protokolle der Weisen von Zion“ in der Schweizer Presse bekannt und Artikel mit Titeln wie „die jüdische Gefahr“ wurden veröffentlicht. Nationalsozialisten machten während dem Zweiten Weltkrieg Juden für den Krieg verantwortlich, der jedoch von Nazis begonnen wurde. Eine Reihe von Ereignissen wie beispielsweise die Nürnberger Gesetzte (Juden wird deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt), die Konferenz von Evian 1938, die Reichspogromnacht (Reichskristallnacht) 1938 oder die Wannsee Konferenz 1942 führten zur Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden (Holocaust, Schoah).

Auch wenn heute öffentlicher Antisemitismus verboten ist, finden sich immer noch antisemitische Verschwörungstheorien. Dazu zählt beispielsweise die Theorie, dass Medien von jüdischen Verschwörern kontrolliert würden und zum Ziel hätten die nichtjüdische Gesellschaft zu unterwerfen („Weltjudentum“) und eine „neue Weltordnung“ einzuführen. Weiter finden sich Holocaust-Leugner, die davon überzeugt sind, dass der Holocaust eine Erfindung von Hollywood sei, um Entschädigungszahlungen zu erhalten. Auch die „Protokolle der Weisen von Zion“ leben weiter. Insbesondere in rechtsextremen Kreisen wird ihnen weiterhin Glaube geschenkt. So zitiert beispielsweise der Abgeordnete des griechischen Parlaments, Ilias Kasidiaris von der rechtsextremen Partei „Goldene Morgenröte“, die „Protokolle“. Besonders im arabischen Raum werden die „Protokolle“ als Propagandaschrift gegen Israel genutzt. In den USA vertreten insbesondere QAnon-Anhänger die Meinung, dass die „Protokolle“ echt sind. Auch Ritualmordlegenden werden heute noch von QAnon-Anhängern vertreten. Dabei soll vom Blut von gefolterten Kindern die Substanz Adrenochrom abgewonnen und dies als Verjüngungselixier geraucht werden. Die „Protokolle“ werden auch mit dem Illuminatenorden in Verbindung gebracht, indem behauptet wird, dass sich „die Juden“ in den Orden eingeschleust hätten um die Macht zu ergreifen. Auch in der Corona-Pandemie sind antisemitische Verschwörungstheorien aufgekommen. So wird beispielsweise behauptet, dass Corona von jüdischen Kreisen geschaffen wurde, um die Menschheit zu unterwerfen und dezimieren.

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