Leah Remini: Trouble Maker. Wie ich Hollywood und Scientology überlebte, mvgverlag 2017

„Ich bin überzeugt, selbst wenn ich Videoaufnahmen davon hätte, wie David Miscavige jemanden schlägt, und sie Scientologen zeigen würde, liesse sie das unberührt, denn sie glauben, dass er der einzige Mensch ist, der die Welt wirklich verbessert.“

Dieses Zitat aus dem Nachwort von Leah Reminis „Trouble Maker“ fasst zusammen was sie erlebt hat und viele Scientologen heute noch erleben. Es erklärt die Geisteshaltung, die Scientology vertritt und die fixen Denkstrukturen innerhalb dieser Organisation. Leah Remini war dabei fest in die Scientology-Organisation eingebunden, war eine Zeit lang bei der Sea Org, lernte Tom Cruise kennen, war sogar auf seiner Hochzeit mit Katie Holmes eingeladen, sprach mehrmals mit David Miscavige, brachte einige Personen zum Scientology-Beitritt und erlebte eine prägende Zeitbei Scientology. Schon von Beginn an passte sie nicht ins Schema, war zu vorlaut, zu eigenwillig und zu kritisch. Dennoch blieb sie über 30 Jahre bei Scientology und investierte Geld, Zeit und Glaube in diese Organisation.

Leah Reminis Geschichte klingt wie aus einem Roman, einem Film oder einem Märchen – einem Grimm-Märchen in der Ursprungsform, d.h. die unheimliche Fassung der Geschichte. Was Leah Remini bei Scientology lebte und erlebte prägt sie bis heute und veranlasste sie dazu ein Buch über ihre Zeit in der Organisation zu veröffentlichen. Ihr ging es bei ihrem „Trouble Maker“ um einen persönlichen Akt des Widerstands gegen das Indoktrinieren, gegen die Intoleranz und Verfolgung die sie erlebt hat. Ihre Geschichte entspricht nicht derjenigen einer „normalen“ Aussteigerin aus Scientology. Leah Remini war dafür zu fest in die Strukturen eingebunden, war zu prominent – innerhalb und ausserhalb von Scientology – kannte zu viele wichtige Leute und war zu lange dabei. Ihr Untertitel „Wie ich Hollywood und Scientology überlebte“ passt dabei wie die Faust aufs Auge, da sie über 200 Seiten hinweg erklärt, wie sie ihr Leben mit zwei Karrieren führte – in der Filmbrache und in ihrer Kirche – wie sie Familie, Job und Glauben unter einen Hut bringen musste um dafür die Familie zu ernähren.

Leah Remini – Star von King of Queens – wuchs mit ihrer Schwester Nicole bei ihren Eltern Vicki und Georg Remini in ärmlichen Verhältnissen in Brooklyn auf. Nach der Trennung ihrer Eltern lernte Vicki einen jungen Scientologen, Dennis, kennen, der sie alle mit Scientology bekannt machte. Dennis verliess die Familie und trieb sie damit weiter in die Arme von Scientology. In der New Yorker Org fühlte sich Leah Remini ernst genommen, wurde mit allen Rechten und Pflichten wie eine Erwachsene behandelt. Als „spirituelles Wesen“ mit früheren Leben, fühlte sie sich, wie die anderen Scientologen auch, verpflichtet, den Planeten zu retten.

Auf der Flag in Kaliforniern, wo sie in jungen Jahren zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester lebte, sah der Alltag jedoch nicht so rosig aus. „Der Boden klebte vor Essensresten, die Teller waren so fettig, dass meine Eier herunterrutschten und auf das schmutzige Parkett fielen. Ich hielt den Teller hin, um mir neue Eier geben zu lassen, doch der Koch sagte: „Mach Platz und gewöhne dir an, dich besser zu konzentrieren.“ Und so bekam ich nichts zu essen.“

Fehler, „schlechtes“ oder vorlautes Verhalten wurde dabei nicht geduldet. Kind-Sein wurde nicht geduldet. Leah Remini leitete ein Team, welches das Hotel putzen musste, arbeitete 14 Stunden am Tag und verdiente 15 Dollar die Woche. Auf offizielle Schulbesuche wurde nicht so grossen Wert gelegt, viel wichtiger war es sich in Scientology weiterzubilden. Denn wer braucht schon Algebra um die Welt zu retten? Ihr Leben bei Scientology war durchzogen von „Wissensberichten“ in ihrer „Ethikakte“, die von Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen eingereicht wurden, um ihre „Vergehen“ aufzuzeichnen. Aufgrund eines solchen Vergehens drohte Leah und ihrer Schwester in jungen Jahren eine Rehabilitierungseinheit. Diese RPF war eine Bestrafungsform, bei der man bei 40 Grad in schwarzer Kleidung 7 Tage die Woche Mülltonnen und Geräte in der Küche putzen musste. Ihre Mutter weigerte sich jedoch dieser Forderung zu folgen und so begann die Familie einen neuen Lebensabschnitt in L.A. In ihrer Kindheit bei Scientology besuchte Leah Remini Kurs um Kurs, nahm an Auditings teil, arbeitet daneben in schlecht bezahlten und rasch wechselnden Jobs und schlief lange Zeit mit der ganzen Familie auf dem Wohnzimmerboden einer Freundin.

Schon früh widersetze sich Leah Remini ihren Vorgesetzten und stellte Fragen. Dies führte zu unzähligen „Wissensberichten“, die über sie verfasst wurde und zu Auditings und Kursen, die sie besuchen und natürlich bezahlen musste. Wenn man Fragen stellte, die in irgendeiner Form eine Kritik an Scientology ausdrückte wurde man zu Sitzungen vorgeladen um die Grundsätze von LRH (L. Ron Hubbard) zu lesen und musste eingestehen, dass man etwas Falsches gemacht hat. Der Kontakt zu Aussteigern oder Gegnern von Scientology ist dabei strengstens untersagt, sowie auch der Medienkonsum von kritischen Aussagen über Scientology (Bücher, Internet, Fernseher, Film usw.). Skeptisch wurde sie auf der Hochzeit von Tom Cruise und Katie Holmes, bei der sich eine verwirrende Situation nach der anderen ergab. Da behielt sie ihre Gedanken jedoch noch für sich. Als Sherry, die Frau von David Miscavige, zu der Leah Remini so etwas wie eine Freundschaft pflegte, mehrere Jahre verschwand und ihr niemand sagen konnte/wollte wo sie war, begann sie jedoch Fragen zu stellen. Sie schrieb Sherry Briefe, die vorher abgepasst wurden und gab schliesslich eine Vermisstenanzeige auf. Sie nahm Kontakt zu Aussteigern auf und googelte Missbrauchsvorwürfe gegen Scientology. Bezeichnend war hier Debbie Cook, deren Geschichte bis vor Gericht kam. „Sie sagte aus, dass die gesehen habe, wie David Miscavige Menschen zusammenschlug. und dass die zwölf Stunden lang in einer Mülltonne stehen musste, mit einem Schild um den Hals, auf dem „Lesbe“ stand.“

„Von einem prominenten Scientologen wird erwartet, dass er Vorbild ist – nicht nur für die Aussenwelt, sondern auch für andere Scientologen. Es ist wichtig, dass man auf der Brücke vorankommt, um der Gruppe ein Beispiel zu geben. Und man muss auch Geld spenden. Und zwar nicht zu knapp. Ich spendete meiner Kirche im Laufe meines Lebens Millionen, um meine Vorbildrolle zu erfüllen.“

Leah Remini erklärt in ihrem Buch wie der Respekt, den man ihr zollte sie zu Scientology zog und die Anerkennung, welche sie durch Spenden erhielt, dort hielt. Als prominentes Mitglied mit viel Geld war sie eine wichtige – jedoch nervige – Geldquelle für Scientology.

„Scientologen leiten ihre harte Arbeit, ihr Geld und ihr emotionales Kapital auf direktem Wege in die Kirche, oft zu ihrem eigenen Schaden. Sie opfern Beziehungen zu Familienangehörigen, Kontakte zu Freunden und ihre Ersparnisse, um die ihnen zugewiesenen spirituellen Entwicklungsstufen zu durchlaufen, die die Grundsätze der Kirche vorgeben. Das tun sie, weil sie mit der Überzeugung indoktriniert sind, dass Scientology nicht nur die Lösung für ihre eigenen Probleme kennt, sondern für die Probleme der ganzen Menschheit“

Leah Reminis Ausstieg aus Scientology verlief so schnell wie ihr Einstieg. Sie legte es darauf an, öffentlich als Suppressive Person (SP) von Scientology ausgeschlossen zu werden und gab dazu die Vermisstenanzeige für Sherry auf. Sie hatte das Glück, dass ihre engste Familie zu ihr hielt und gemeinsam mit ihr Scientology verliess (Vicki hatte zu diesem Zeitpunkt bereits OT8 erreicht). Jedoch hinterliess sie einige Freundschaften und entfernt Verwandte bei Scientology. Da Leah Remini bewusst ist, wie Scientology mit Aussteigern, die sich öffentlich kritisch äussern, umspringt, hat sie ihre Karten offen auf den Tisch gelegt. Schon auf der ersten Seite erklärt sie ihre Vergehen, wie sie einen neurotischen Ehebrecher heiratete, Menschen bedrohte, egozentrisch und egoistisch gehandelt hat und log. Ihr ist bewusst, dass es Scientologen verboten ist ihr Buch zu lesen. Dennoch hofft sie dadurch ihren (präventiven) Beitrag an die Gesellschaft geleistet zu haben.

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