Claude-Alain Humbert / Fridy Schürch: Verpasste Chancen, Zytlogge 2020

Prof. Georg Schmid, 2020

Claude-Alain Humbert (1955 – 2014), der Verfasser des Religionsführers Zürich, Orell Füssli 2004, berichtet von seinem Leben zwischen intensivem spirituellem Interesse, jahrelanger Drogenabhängigkeit und einer Vielzahl unterschiedlicher, aber letztlich in seinem Fall nicht nachhaltig wirksamer Therapieformen. Herausgegeben und ergänzt wurden seine Erinnerungen von seiner Partnerin Fridy Schürch.

Ob Claude Alain wohl zufrieden wäre mit dem Titel, den der Verlag über seine Autobiographie setzte? Seit sei- ner Jugend war sein Leben ein Versuch, seine Drogensucht zu überwinden. Dauerhaft ist ihm dies nie gelungen. Aber war sein Leben deshalb nur ein Fiasko? Hätte er dies so empfunden, hätte er sein Buch nie geschrieben. Er schrieb, um sich und allen zu belegen: Es war alles nicht umsonst. Vieles glich einem Taumel von einem Unheil ins nächste. Aber ist Unheil noch reines Unheil für den, der es mit Freunden teilt?

Seine Drogensucht hat Claude Alain Humbert hilfesuchend in die entlegensten Winkel der zeitgenössischen Spiritualität getrieben. Ausführlich beschreibt er seine Kontakte zu Scientology und später zu verschiedenen Scientology-Abspaltungen. Der Verstand des Menschen ist, so erhoffte es sich Claude Alain Humbert, richtig programmiert – d.h. nach L. Ron Hubbard – ein perfekter Computer, fähig, alle Probleme souverän zu lösen, die an ihn herantreten. Warum aber in aller Welt kann auch Scientology Claude Alain Humbert nicht nachhaltig von seiner Drogenabhängigkeit befreien? Und warum scheitern auch evangelikale Befreiungsgebete, Wundertäter wie Daskalos, buddhistische Meditationspraktiken, Yogagruppen, Spiritologen und Dutzende anderer Heilungsangebote noch und noch?

Auch engagierte Freunde und einfühlsame Partnerinnen erreichen nur kurzfristige Befreiung, Monate oder Jahre des Aufatmens vor dem nächsten Rückfall. Als kritischer Beobachter der langen Reise von Claude Alain Humbert durch die religiöse Gegenwart ist man dem Verfasser zwar dankbar, dass er uns ein erschreckend nüchternes Bild dieser Religiosität unserer Zeit vor Augen stellt. Aber die Frage lässt sich nicht unterdrücken: Findet sich in der ganzen Breite religiöser Gegenwart nichts, was einem von Drogensucht bedrängten Menschen weiterhilft? Alles nur leere Versprechen?

Claude Alain Humbert schwankt in seinem Menschenbild laufend hin und her. Er bewundert Alleskönner, Gurus, Wunderheiler und vor allem auch den quasi allmächtigen menschlichen Geist und fühlt sich dauernd zu den Gescheiterten, den Clochards, den Platzspitz-Besuchern hingezogen. Kein Wunder, dass sein Leben so viele Aufbrüche und so viele Abstürze, so viele überzogene Hoffnungen und so viele Enttäuschungen kennt.

Fridy Schürch hat die Lebensbeichte von Claude Alain gerafft und wo nötig kommentiert. Die an der religiösen Gegenwart interessierte nLesenden gewinnen Einsichten und Einblicke der sehr speziellen Art.

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