Christina von Dreien: Am Ende ist alles gut, Govinda 2020

Georg O. Schmid, November 2020

Unter dem Titel «Am Ende ist alles gut. Wie wir uns die heile Welt selbst erschaffen» ist im Govinda-Verlag ein Buch erschienen, welches die Sicht Christinas von Dreien zur Corona-Krise, ihre Erwartungen bezüglich der weiteren Entwicklung sowie Tipps zum Umgang mit der gegenwärtigen Situation enthält.

Genau gleich wie die drei Bände der ebenfalls im Govinda-Verlag erschienenen «Christina»-Buchreihe wurde das neu erschienene Buch nicht direkt durch Christina von Dreien selbst geschrieben. Vielmehr wurde der Text aus Mitschnitten von Tagesseminaren Christinas von Dreien und aus Newsletter-Beiträgen von Christinas Team zusammengestellt, wie dies schon beim dritten Band der «Christina»-Buchreihe der Fall war. (Die ersten beiden Bände wurden von Christinas Mutter Bernadette von Dreien verfasst).

Das nun vorliegende Werk ist aber nicht Teil der «Christina»-Buchreihe, was sich schon am Format zeigt: Statt der jeweils gut 300 Seiten starken Bände der Reihe kommt die jüngste Schrift mit nur 85 Seiten als dünnes Büchlein daher. Auch durch die Gestaltung wurde das neuste Werk von der Reihe abgehoben. Während die drei «Christina»-Bände in Pastell-Tönen gehalten und mit grafischen Motiven verziert sind, zeigt der Umschlag des jetzt vorliegenden Buchs eine Fotografie von Christina von Dreien auf sattem Violett. Diese Aufnahme entstammt aber offensichtlich nicht einem eigens für das Buch durchgeführten Foto-Shooting, sondern einem Tagesseminar, was den Eindruck verstärkt, dass Christina von Dreien in die Produktion des neuesten Buches möglicherweise eher indirekt involviert war.

Auf dem knappen Platz des Bändchens recht breiten Raum nehmen die Verschwörungstheorien ein, welche Christina von Dreien an ihren Tagesseminaren verbreitet. So behauptet sie etwa, hinter der Corona-Krise stünden bestimmte Personenkreise, welche sie «Geschichtenerzähler» nennt, weil sie der Menschheit unwahre Geschichten erzählen würden, etwa von der Gefährlichkeit des Corona-Virus.

Zu den Geschichtenerzählern gehören nicht nur «diejenigen Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, die wir ständig in den Medien sehen und die uns diese Geschichten verkaufen» (s. 15), sondern auch die Menschen, welche hinter ihnen stehen. «Wenn man wissen möchte, wer diese Hinterleute sind, gibt es dafür eine simple Methode. Es heisst ja: Geld regiert die Welt. So kann man sich einfach fragen: Wer regiert eigentlich das Geld? Wer hat das meiste Geld? Wer verdient an dieser ganzen Situation und wird dadurch immer noch reicher und reicher?» (s. 15). Falls Christina von Dreien hier den zurzeit reichsten Menschen der Welt, den Amazon-Gründer Jeff Bezos meint, hätte dies angesichts der geradezu fanatischen Fixation vieler Verschwörungsfans auf die Person von Bill Gates zumindest eine gewisse Originalität für sich.

Ob nun Bezos oder Gates, auch die Hinterleute sind nur Handlanger anderer Mächte: «Die Geschichtenerzähler und ihre Hintermänner zum Beispiel sind zwar Menschen, aber eigentlich sind sie bloss Marionetten und Ausführende von Anweisungen aus höheren Bereichen. Denn diejenigen, die noch über ihnen stehen, sind feinstofflich und sind keine Menschen.» (s. 48) Vielmehr handelt es sich um Ausserirdische, welche die Menschen quasi als ihr Vieh behandeln: «Die ausserirdischen Wesen, die seit so langer Zeit schon diesen Planeten kontrollieren und hier den Lauf der Dinge bestimmen, ernähren sich nicht wie die Menschen von grobstofflichem Essen, sondern ihre Nahrung sind Angstschwingungen. Sie ernähren sich wortwörtlich von der Angst der Menschen.» (s. 64)

Diese Vorstellung übelwollender Extraterrestrier, welche die Welt beherrschen und sich von der Angst der Menschen nähren, erinnert an die Reptiloiden-Verschwörungstheorie des Briten David Icke, welche sich in Verschwörungskreisen einiger Beliebtheit erfreut. Wie Ickes Reptiloide haben auch Christinas von Dreien Ausserirdische ein vitales Interesse an der Angst der Menschen: «Sie schüren weiterhin weltweit noch möglichst viel Angst, damit sie sich weiter ernähren und noch weiter hierbleiben können». (s. 64)

Würden Menschen sich nicht mehr fürchten, bräche die Nahrungsgrundlage der extraterrestrischen Weltbeherrscher weg: «Die unlichten Wesen, die die Erde kontrollieren, werden ganz einfach sterben, sobald wir sie nicht mehr mit unserer Angst füttern. Sobald eine gewisse Anzahl von Menschen nicht mehr in der Angst ist, gibt es für diese Wesen nicht mehr genügend Nahrung» (s. 64).

Die Idee von den Ausserirdischen, welche sich von der Furcht der Menschen nähren, wird im Buch ergänzt durch Elemente von drei anderen Verschwörungstheorien, die inhaltlich nicht ganz zu passen scheinen:

UFO-Kontakte

So greift Christina von Dreien die These aus der Mitte des 20. Jahrhunderts auf, dass schon seit langer Zeit Kontakte zu Ufonen bestünden, die bewusst vertuscht würden, weil die Menschen sonst «nicht mehr ruhig schlafen» könnten (s. 53). Warum aber sollten sich Ausserirdische, welche die Menschheit bewusst in Panik versetzen wollen, um deren ruhigen Schlaf sorgen? Eine Offenbarung der Kontakte müsste ihrem Ziel der maximalen Angstgewinnung ja viel eher entsprechen.

Technologisierter Mensch

Eine andere Verschwörungstheorie, welche Christina von Dreien aufgreift, ist die ebenfalls aus dem 20. Jahrhundert stammende Erzählung, dass es den Herrschern der Welt darum gehe, die Menschheit zu einer Art von Robotern umzuformen: «Ihr eigentliches Endziel ist ein technologisierter Mensch. … Aus meiner Sicht ist das ziemlich verrückt, aber tatsächlich besteht das letztendliche Ziel ihres ganzen Aufwandes darin, einen seelenlosen Menschen zu schaffen». (s. 69) Auch hier scheint eine Spannung zum Ziel der Gewinnung von Angst-Energie vorzuliegen. Ein «technologisierter», «seelenloser» Mensch wäre ja wohl gefühllos und damit angstfrei. Mit einem solchen Projekt würden sich die extraterrestrischen Weltregenten selbst ihre eigene Nahrungsgrundlage entziehen.

Bevölkerungsreduktion

In Verschwörungskreisen kursiert seit längerem die Theorie, dass Weltverschwörer eine massive Reduktion der Weltbevölkerung im Auge hätten. Auch Christina von Dreien spricht von einer möglicherweise bevorstehenden «Verminderung der Weltbevölkerung» (s. 65). Wenn aber nur schon ein paar Menschen, die ihre Angst verlieren, die Ernährung der ausserirdischen Herrscher dieser Erde gefährden, wie kann dann eine Reduktion der Weltbevölkerung in ihrem Interesse sein?

So sehr die genauen Ziele und Pläne der Ausserirdischen bei Christina von Dreien widersprüchlich bleiben, so deutlich wird doch, worin Christina Abhilfe sieht: im Positiven Denken, in der Imagination. Unter Exponentinnen und Exponenten der Esoterik ist die Vorstellung, dass unser Denken die Kraft hat, das Gedachte zur Realität zu bringen, sehr beliebt, viele Autorinnen und Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem «spirituellen Gesetz», z.B. dem «Gesetz der Anziehung». Bei Christina von Dreien wird es gar zu einem «Naturgesetz»: «Ein Naturgesetz besagt, dass das, was wir Menschen uns in Gedanken vorstellen und was wir zusätzlich auch in unserem Herzen fühlen, sich allmählich in unserem Leben manifestieren wird.» (s. 16)

Im Unterschied zu den verbreiteten Ratgebern zum Thema richtet sich das Positive Denken bei Christina von Dreien nicht auf persönliche Vorteile und Probleme, sondern es geht ums Ganze, um die ideale, paradiesische Gesellschaft: «Wir können uns jeden Tag gedanklich vorstellen, wie eine heile Welt aussieht – so lange, bis wir sie fühlen. Und durch unsere Gefühle manifestieren wir dann die heile Welt.» (s. 9)

Der zeitliche Aufwand hierzu ist überschaubar: «Sofern es uns genügend wichtig ist, dass wir eine heile Welt bekommen, werden wir sicherlich jeden Tag zwei oder drei Minuten Zeit finden, um uns diese heile Welt täglich auch wirklich vorzustellen. Zwei oder drei Minuten – mehr Zeit braucht es dafür gar nicht.» (s. 20)

Als weiteren Tipp für unsere schwierige Zeit empfiehlt Christina von Dreien, mit den Objekten in der eigenen Umgebung zu kommunizieren: «Wichtig ist auch, dass wir die Liebe, die wir in uns tragen, an andere weiterschenken – sowohl an Menschen und an Tiere, Pflanzen und Steine als auch an die Gegenstände, die uns umgeben. Ich zum Beispiel rede etwa mit meinem Kühlschrank, und ich gebe den Dingen in meiner Umgebung persönliche Namen. Sie heissen dann alle irgendwie, denn es sind ja alles Wesen mit einem Bewusstsein und mit Gefühlen. Wenn du deinen Gegenständen sagst, dass du sie schön findest und dass du sie magst, reagiert das Bewusstsein des jeweiligen Gegenstandes positiv auf dich, und wenn er dich mag und dir etwas Positives zurückschickt, fühlst auch du dich gut. … Indem du das tust, erschaffst du dir eine Oase der Harmonie inmitten einer Welt, die gerade ein wenig verrückt spielt.» (s. 39)

Wie schon im dritten Band der «Christina»-Buchreihe wird in der neuen Schrift betont, dass esoterisch-spirituelles Bewusstsein zum «Erwachen» allein nicht genügt, sondern dass wirklich «erwacht» nur ist, wer auch den Verschwörungstheorien Glauben schenkt, die Christina von Dreien vertritt: «Das Spirituelle ist nicht der einzige Bereich, indem man das Erwachen erkennen kann. Es gibt ausserdem auch den Bereich des kritischen Hinterfragens und des Querdenkens, wo ein Aufwachen stattfinden muss und gegenwärtig auch stattfindet». (s. 30)

Spirituelle Menschen, die Verschwörungstheorien kritisch gegenüber stehen, sind ebenso wie nichtspirituelle Querdenker nur «teil-erwacht»: «Unter den Menschen, die bereits wissen, dass das, was wir vom Weltgeschehen zu sehen bekommen, nur ein Theaterstück ist, gibt es wohl einige, die sich noch nie darüber Gedanken gemacht haben, dass wir alle in Wirklichkeit unsterbliche Seelen und reine Liebe sind. Und doch sind sie in ihrem Bereich schon mehr erwacht als andere, sie sind sozusagen teil-erwacht. Umgekehrt gibt es unter den Menschen, die sich mit Spiritualität beschäftigen, wohl einige, die in einer rosaroten Welt leben, in der alles aus Regenbögen und Einhörnern besteht. Das mag ja schön sein, aber es ist eben auch nur ein Teil des Ganzen und blendet andere wichtige Teile aus. Auch diese Menschen sind in ihrem Bereich schon mehr erwacht als andere; auch sie sind teil-erwacht.» (s. 30)

Auffällig an diesem Abschnitt ist die Tatsache, dass Christina von Dreien die verschwörungsskeptischen Spirituellen mit beissender Ironie darstellt, wogegen die nichtspirituellen Verschwörungsfans völlig neutral beschrieben werden. Könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass Christina von Dreien heute der Verschwörungsszene emotional näher steht als der esoterisch-spirituellen Bewegung?

Angesichts ihrer Theorie, dass unsere Welt von Ausserirdischen beherrscht wird, die bewusst Ängste schüren, um sich an ihnen zu nähren, mag es erstaunen, dass auch Christina von Dreien mit Botschaften aufwartet, die geeignet sind, die Lesenden in Furcht zu versetzen: «Vielleicht war das, was wir im Frühling 2020 erlebt haben, nur ein Testlauf, nur eine vergleichsweise harmlose Probe.» (s. 17) «Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es vorübergehend noch sehr, sehr seltsam und nicht wirklich schön werden wird.» (s. 22)

Christina von Dreien wird nicht müde zu betonen, dass diese trüben Aussichten keinesfalls zur Angst führen sollen, sondern dass sie bloss einen vorübergehenden Reinigungsprozess darstellten: «Der Planet Erde reinigt und erneuert sich. Die Reinigung muss deshalb so heftig vonstattengehen, weil diejenigen Wesen, von deren Mentalität der Planet gereinigt werden soll, bisher keine Lust hatten, freiwillig zu gehen.» (s. 67) Wie es herauskomme, das sei gewiss: «Am Ende ist alles gut».

Wie weit Christinas Publikum diese Doppelbotschaft von Furcht und Zuversicht, von verschwörungstheoretischer Schwarzmalerei und esoterischer Heile-Welt-Vorstellung goutiert, wird die Zukunft zeigen müssen.

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