Satanic Panic

Die Satanic-Panic-Verschwörungstheorie ist benannt nach einer ihrer Wirkungen, der sog. «Satanic Panic», einer Welle von 12’000 Berichten von angeblichem satanistischem rituellem Missbrauch in den USA in den 1980er Jahren.

Historische Vorläufer der Satanic-Panic-Verschwörungstheorie sind die antisemitsche Ritualmordlegende aus dem Mittelalter, die jüdischen Menschen die rituelle Ermordung christlicher Kinder unterstellte, der Hexenwahn des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit, der Mitmenschen beliebiger Herkunft schwarzmagischer Anschläge bezichtigte, sowie antimasonische Verschwörungstheorien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die in Freimaurerlogen satanistische Rituale vermuteten.

Als eigene Verschwörungstheorie trat die Satanic-Panic-Konspirationsthese in Erscheinung im Jahr 1980 mit den Buch «Michelle Remembers» des kanadischen Paars Michelle Smith und Lawrence Pazder, das den Begriff des «Rituellen Missbrauchs» (ritual abuse) einführte. Im Buch berichtet Michelle Smith von angeblichen Erinnerungen an satanistischen rituellen Missbrauch, die sie in der Therapie bei Lawrence Pazder «wiedergefunden» (recovered) habe.

Die Theorie einer satanistischen Verschwörung zum Zweck satanistischen rituellen Missbrauchs fand in den USA Anklang vor allem in fundamentalistisch-christlichen Kreisen, weil sie deren dualistischem Weltbild (Gott gegen Satan, Christen gegen Satanisten) entsprach. Weitere Publikationen derselben Stossrichtung und eine zunehmende Zahl von Therapeutinnen und Therapeuten, welche bei ihrer Klientschaft ebenfalls angeblich wiedergefundene Erinnerungen an satanistischen rituellen Missbrauch hervorriefen, ergaben ein starkes Wachstum der Bewegung. Insgesamt sollen 12’000 Personen in den USA von dieser Welle betroffen gewesen sein, was zum Begriff der «Satanic Panic» führte.

In der Schweiz verbreitete sich die Satanic-Panic-Verschwörungstheorie verstärkt seit dem Jahr 2010, zuerst ebenfalls vor allem in freikirchlichen Kreisen. Im Jahr 2014 wurde der freikirchennahe Verein CARA begründet, der bei der Ausbreitung der Satanic-Panic-Verschwörungstheorie in der Schweiz durch Publikationen und Filme eine grosse Rolle spielt. Zunehmend wurden auch säkulare Therapierende an renommierten Instituten in diesem Sinn tätig, was in Medienberichten Ende 2021 und im Jahr 2022 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde.

Schon bald wurden Behauptungen laut, dass sich satanistische rituelle Missbraucher in Gemeinschaften ganz anderer Ausrichtung einschmuggeln würden – ausgelöst durch die Tatsache, dass manche Personen, bei denen in Therapie Erinnerungen an satanistischen rituellen Missbrauch «wiedergefunden» wurden, in ganz anderem religiösen Kontext aufgewachsen sind. So wurde etwa in einem in der Schweiz vielbeachteten Buch eine freikirchennahe Missionsstation in Südamerika als von satanistischen rituellen Missbrauchern unterwandert dargestellt.

Ende der 2010er Jahre war die Entwicklung zu beobachten, dass diese Unterwanderungsthese aufgegeben und stattdessen behauptet wurde, dass ritueller Missbrauch auch nichtsatanistisch sein und deshalb in einer Vielzahl von religiösen und weltanschaulichen Traditionen auftreten könne. Als Täterkreise häufiger genannt wurden nun etwa Hexengruppen, Freimaurerlogen oder Synagogen, was den Kreis zu den historischen Vorläufern der Satanic-Panic-Verschwörungstheorie (antisemitische Ritualmordlegende, Hexenwahn, antimasonische Theorien) schliesst.

Eine Fortentwicklung der Satanic-Panic-Verschwörungstheorie stellt die QAnon-Verschwörungstheorie aus dem Jahr 2020 dar, welche den angeblichen rituellen Missbrauch von Kindern mit der Gewinnung einer Verjüngungsdroge durch prominente Verschworene verbindet.

Die Satanic-Panic-Verschwörungstheorie geht davon aus, dass westliche Gesellschaften von einem Netzwerk von satanistischen Menschen unterwandert sind, die systematisch Kinder rituell missbrauchen und z.T. auch umbringen.

Die Ziele dieses Netzwerks werden unterschiedlich dargestellt, bei fundamentalistisch-christlichen Vertretenden der Theorie geht es um den Kampf gegen die Kirche oder um die Vorbereitung des Aufstiegs des Antichristen, säkulare Theorien sprechen vom Versuch, die Weltherrschaft zu erringen, oder gehen von einem Selbstläufer aus: Die Missbrauchenden missbrauchen, weil sie selbst missbraucht worden sind.

Eine Fortentwicklung der Satanic-Panic-Verschwörungstheorie spricht allgemeiner von «rituellem Missbrauch» und vermutet diesen auch in nichtsatanistischem, ganz anders orientiertem Kontext.

Mit der Vorstellung des rituellen Missbrauchs verbunden ist häufig die Behauptung, dass die Verschworenen über fortschrittliche Manipulationstechniken verfügen würden, welche die Opfer so «spalten» würden, dass ihre massive Traumatisierung ihrem unbeteiligen Umfeld nicht auffällt. Mit dieser These soll erklärt werden, warum Menschen, die in Therapie angebliche Erinnerungen an rituellen Missbrauch «wiederfinden», in ihrer Kindheit keinerlei Anzeichen von Traumatisierung gezeigt haben. Plausibilisiert werden soll dadurch auch, wie es möglich war, dass die vermeintlichen Opfer den brutalen Missbrauch zwischenzeitlich komplett vergessen konnten (was bei real erlebten Traumata eher schwierig ist und ein mit grossen Mühen angestrebtes Therapieziel sein kann).

Während sowohl systematischer Missbrauch als auch Verschwörung zu systematischem Missbrauch traurige Realität sind, gibt es bisher keinen nachgewiesenen Fall eines rituellen Missbrauchs, ob nun satanistisch orientiert oder auch nicht.

Keinen Beweis gibt es ferner für die Existenz der öfter behaupteten fortschrittlichen Manipulationstechniken, welche zur «Spaltung» der Persönlichkeit der Opfer führen würden.

In der Schweiz wurden in den letzten Jahren zahlreiche Fälle bekannt, in welchen Therapierende durch das «Wiederfinden» angeblicher Erinnerungen an satanistischen und anderen rituellen Missbrauch zur Zerstörung von Familien und zu falschen Anschuldigungen geführt haben.

Die Induktion von Erinnerungen an vermeintliche traumatische Erlebnisse ist in kritischer Sicht hochproblematisch, weil durch Therapie eingegebene Bilder genauso belasten können wie echte Erfahrungen.

Die Satanic-Panic-Verschwörungstheorie gehört damit zu den problematischsten Verschwörungstheorien, indem sie das Leben Betroffener massiv schädigen kann.

Zurück zu Verschwörungstheorien